Bürgergeld: Dann kann ein Härtefall-Mehrbedarf Antrag gestellt werden

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Die Regelleistungen des Bürgergeldes sind pauschaliert. Sie sollen daher nur einen pauschalierten Bedarf abdecken. In verschiedenen Lebenssituationen kann jedoch in Härtefällen ein Mehrbedarf entstehen. Zu den Voraussetzungen schreibt das SGB II vor, dass ein unabweisbarer, laufender und besonderer Bedarf vorliegen muss, der einen Härtefallmehrbedarf rechtfertigt. Eine weitere Grundvoraussetzung ist, dass der Bedarf nicht durch die Regelleistungen gedeckt ist.

Welche Vorraussetzungen gelten bei Härtefall-Anträgen?

Allerdings werden nicht alle Härtefallbedarfe vom Jobcenter anerkannt. Die Regeln hierfür sind sehr eng gefasst. In Härtefällen muss der Mehrbedarf dauerhaft oder regelmäßig wiederkehrend sein. In diesem Artikel beschreiben wir Beispiele, wann die Härtefallregelung greift.

Unterschied Härtefall und Antrag auf Mehrbedarf

Im Bürgergeld werden verschiedene Mehrbedarfe in besonderen, aber typischen Lebenslagen gezahlt. So existieren beispielsweise Mehrbedarfe in der Schwangerschaft, Mehrbedarfe für kostaufwendige Ernährung oder auch für Alleinerziehende. Mehrbedarfe sind demnach bereits im § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II geregelt. Demnach muss ein regulärer Antrag auf Mehrbedarf gestellt werden.

Ein atypischer Bedarf liegt vor, wenn er in einer atypischen Lebenssituation entsteht und nicht durch bereits bestehende Mehrbedarfe gedeckt ist. Der Bedarf muss zudem unabweisbar sein.

Typischerweise tritt ein Bedarf im Rahmen eines Härtefalls in besonderen Situationen auf. Diese Situationen sind in ihrer Art nicht durch die Regelbedarfe abgedeckt. Es kann aber auch sein, dass der Bedarf bereits in den Regelleistungen enthalten ist, aber im Einzelfall nicht ausreicht, weil der Bedarf überdurchschnittlich hoch ist.

Härtefall tritt nicht einmalig auf

Wichtig ist, dass der Bedarf für den Härtefall nicht einmalig oder nur für kurze Zeit auftritt, sondern regelmäßig bzw. wiederkehrend. Wiederkehrend bedeutet, dass der Bedarf im Bedarfszeitraum häufiger auftritt.

Das alles klingt nicht nur sehr kompliziert, sondern führt auch immer wieder zu Streitigkeiten mit den Jobcentern, weil diese einen atypischen Härtefallanspruch oftmals nicht anerkennen. Deshalb müssen sich die Sozialgerichte immer wieder mit diesem Thema beschäftigen.

Ein Beispiel wann die Härtefallregelung nicht greift

Ein Beispiel, wann die Härtefallregelung nicht greift: Die Waschmaschine ist kaputt und es muss eine neue angeschafft werden. Es entsteht ein höherer Bedarf, der aus den monatlichen Regelleistungen nicht bezahlt werden kann.

Grundsätzlich müssen solche Bedarfe aus den Regelleistungen angespart werden. Da dies aber nur den wenigsten möglich ist, können die Betroffenen beim Jobcenter ein Darlehen beantragen. Dieses Darlehen muss monatlich in kleinen Raten an das Jobcenter zurückgezahlt werden. In der Regel verrechnet die Behörde die Raten mit den monatlichen Leistungen. Ausnahme: Die Waschmaschine muss im Rahmen der Erstausstattung angeschafft werden. Dafür gibt es einen Sonderzuschlag, der beantragt werden kann.

Beispiele, wann ein Härtefall-Antrag gestellt werden kann

Da hier nicht alle atypischen Bedarfe aufgeführt werden können, haben wir die häufigsten zusammengestellt:

  • Haushaltshilfe für körperlich eingeschränkte Menschen, wenn die Kosten nicht im Rahmen des SGB XII bereits erstattet werden.
  • Erstattung der Kosten für die Ausübung des Umgangsrecht (z.B. Fahrten und Hotel)
  • Mehrbedarf für Pflege- und Hygieneartikel bei gesundheitlichen Einschränkungen (muss vom Arzt bescheinigt sein!)
  • Kosten für Nachhilfe, sofern keine kostenfreien Förderungen oder Nachhilfestunden genommen werden können und auch die Bildung- und Teilhabe Leistungen diese Kosten nicht bereits erstatten. Die Jobcenter erstatten diese Kosten demnach nur in Einzelfällen.
  • Tablet/ PC Computer mit Internetfunktion für Schüler, die am Homeschooling teilnehmen. Jedoch wurde dieser Mehrbedarf durch die jeweiligen Urteile (Az.: L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B) während der Pandemie-Zeit anerkannt
  •  weitere individuelle Bedarfe

Härtefallantrag bei der Krankenkasse

Es gibt auch andere Härtefallanträge, die z.B. durch die Behandlung beim Zahnarzt notwendig werden. Eine solche Situation tritt ein, wenn der Betroffene für den Zahnersatz zuzahlen muss, sich die Zuzahlung aber nicht leisten kann. Dann kann bei der Krankenkasse ein Härtefallantrag gestellt werden. Dieser Artikel beschreibt, welche Vorraussetzungen hierfür gegeben sein müssen.

Außergwöhnliche Belastung, aber kein Härtefall

Wann liegt eine außergewöhnliche finanzielle Belastung vor, die aber nicht als Härtefall gilt? In diesen Fällen wird das Jobcenter den Antrag ablehnen und auf andere Möglichkeiten verweisen.

  • Schulmaterialen sowie Schulessen, da diese Leistungen durch die Regelleistungen sowie durch das Teilhabe- und Bildungspaket abgedeckt sind. Für Schulbücher kann unter Umständen ein Mehrbedarfsantrag gestellt werden. Allerdings macht der § 21 Abs. 6a SGB II und § 30 Abs. 9 SGB XII im gleichen Wortlaut ein paar Einschränkungen: „Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.“
  • Schulfahrte (ist in den Regelleistungen)
  • Kleidung und Schuhe in Übergröße (hier allerdings anderslautendes Urteil)
  • Kinderkleidung im Wachstumsalter (Urteil BSG Az. B 14 AS 81/08 R)

Jobcenter prüft, ob andere Leistungsträger in der Pflicht sind

Das Jobcenter wird bei einem Härtefall-Antrag immer prüfen, ob andere Leistungen anderer Leistungsträger geltend gemacht werden können. Diese könnten beispielsweise Unterhaltsvorschuss, Krankenkasse und Pflegekassen sein. Auch prüft die Behörde, um eigene Einsparungen dazu führen können, den zusätzlichen Bedarf zu decken.

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Unabweisbarer Bedarf kann dann nicht angespart werden

Ein weiteres wesentliches Kriterium zur Gewährung eines Härtfall-Mehrbedarfs ist, dass der Bedarf nicht durch die Regelleistungen eingespart werden kann, da der Bedarf 10 Prozent nach § 20 Abs. 2 Satz 1 den Regelbedarf übersteigt. Alle Bedarfe unterhalb dieser Grenze müssen durch Einsparung aus dem Regelbedarf gedeckt werden.

Jobcenter erwartet Mitwirkungspflicht

Das Jobcenter erwartet, dass die Betroffenen selbst dazu beitragen, den Mehrbedarf so gering wie möglich zu halten. So ist der Leistungsberechtigte beispielsweise verpflichtet, bei der Ausübung des Umgangsrechts die Kosten so gering wie möglich zu halten. Sie sollen immer das günstigste Verkehrsmittel mit Ermäßigung und die günstigste Unterkunft wählen. Zu dem Thema Mehrbedarf beim Umgangsrecht haben wir hier einen Artikel veröffentlicht.

Härtefall-Anträge auch bei Aufstockende Bürgergeld-Leistungen?

Wer Erwerbseinkommen erzielt und dieses mit dem Bürgergeld aufstockt, kann den Mehrbedarf für besondere laufende Bedarfe in Höhe des Erwerbstätigenfreibetrages nach § 11b SGB II, sofern dieser anerkannt wurde, vom monatlichen Einkommen abziehen.

Sonderbedarfe als einmalige Bedarfe

Es kann auch ein sogenannter Sonderbedarf für Bekleidung entstehen, der beim Jobcenter beantragt werden kann. Dieser Sonderbedarf entsteht, wenn außergewöhnliche Belastungen entstehen, die zwar nicht regelmäßig wiederkehren, aber auch nicht durch die Regelleistungen abgedeckt sind oder angespart werden kann. Ein Beispiel ist der Sonderbedarf für Bekleidung. Ein entsteht bei:

  • Wohnungsbrand
  • Hochwasser (Einrichtung und Bekleidung wurden zerstört)
  • Diebstahl der Kleidung
  • starke Gewichtsabnahme (bei der Sie mehrere Kleidergrößen überspringen,
  • beispielsweise wegen einer schweren Krankheit)
  • nach einer Obdachlosigkeit ist keine Bekleidung vorhanden
  • nach einer längeren Haft ist keine Bekleidung vorhanden
  • weitere Belastungssituationen, die begründet sind

Sonderbedarfe als Erstausstattung entstehen auch, wenn ein Schreibtisch für die Schule benötigt wird oder das Bett des eigenen Kindes zu klein geworden ist. Diese Bedarfe sind nicht mit Härtefallanträgen zu verwechseln.

Härtefall-Mehrbedarf durch steigende Stromkosten?

Bei den steigenden Stromkosten könnte derzeit eine Härtefall-Situation entstehen. Die Sozialberatungsstelle Tacheles e.V. ist der Auffassung, dass Leistungsbeziehende deshalb einen Härtefall-Antrag stellen können. Weiteres dazu hier.

Fazit: Das Jobcenter wird selten einen atypischen Mehrbedarf anerkennen. Viele Bedarfe müssen erst vor den Gerichten erstritten werden. Leistungsbeziehende sollten deshalb aufmerksam aktuelle Urteile verfolgen. Um auf dem Laufenden zu bleiben, eignet sich beispielsweise unser kostenfreier Newsletter. Hier berichten wir wöchentlich über neue Urteile und mögliche Ansprüche.

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