Bürgergeld und Sozialhilfe sind komplexe rechtliche Verwaltungsverfahren, die für Laien oft schwer nachvollziehbar sind. Insbesondere wenn es zu Auseinandersetzungen mit dem Jobcenter kommt, sitzen Bürgergeld-Empfangende oft am kürzeren Hebel, da sie ihre Rechte und die Möglichkeiten diese durchzusetzen nicht kennen. Betroffene können mit einem Beratungsschein jedoch eine kostenlose Rechtsberatung beantragen.
Mithilfe eines Beratungsscheins können Sie sich kostenlos von einem Anwalt zu Rechtsfragen beraten lassen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen ein Schein für eine kostenlose Rechtsberatung beantragt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Beratungsschein?
Ein Beratungsschein ist eine gesetzlich festgelegte Möglichkeit, um eine kostenlose Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Betroffene nicht selbst für eine solche Beratung zahlen können. Die kostenlose Rechtsberatung sollte jedoch erfolgen, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt.
Durch einen Beratungsschein werden Menschen mit geringem Einkommen in die Lage versetzt, eine rechtliche Beratung durch Rechtsanwälte, Steuerberater oder andere rechtlich versierte Beratungspersonen in Anspruch zu nehmen. Die hierbei entstehenden Beratungskosten werden durch den Staat übernommen.
Eine Beratungshilfe ist überwiegend für Angelegenheiten gedacht, die noch nicht vor Gericht verhandelt werden. Betroffene können durch eine fachkundige Stelle auf diese Weise beispielsweise bei einem Schriftverkehr zur Klärung der Sachlage, bei Telefonaten mit der Gegenseite oder bei Widersprüchen gegen Bescheide unterstützt werden.
Beratungsschein: Das Wichtigste in Kürze
Über einen Beratungsschein können Menschen mit geringem Einkommen eine kostenlose Beratungshilfe beantragen. Folgende wichtigste Aspekte sind dabei zu beachten:
- Das Beratungshilfegesetz (BerHG) stellt die rechtliche Grundlage für eine staatlich finanzierte Beratungshilfe dar.
- Bei Bewilligung übernimmt der Staat die Beratungskosten.
- Über einen Beratungsschein können Beratungen bei Anwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern, Rentenberatern oder Amtsgerichten beansprucht werden.
- Ein Beratungsschein muss beim zuständigen Amtsgericht beantragt werden.
- Der Antrag kann mündlich oder schriftlich erfolgen.
- Die Antragstellenden müssen beim Amtsgericht nachweisen, dass sie die Beratungskosten nicht selbst finanzieren können.
- Die Rechtsberatung sollte vor einem Gerichtsverfahren erfolgen.
Beratungshilfegesetz als rechtliche Grundlage
Das Beratungshilfegesetz (BerHG) ist die rechtliche Grundlage für Beratungsscheine. Das Gesetz soll Bürgerinnen und Bürgern mit geringem Einkommen eine rechtliche Beratung und Vertretung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ermöglichen. Das Verfahren zur Beantragung und Gewährung dieser Hilfe ist klar definiert und soll einen gerechten Zugang zum Rechtssystem für alle Menschen in Deutschland sicherstellen.
Welche Voraussetzungen gibt es für einen Beratungsschein?
Die Beratungshilfe zielt darauf ab, Personen mit geringem Einkommen Zugang zu rechtlicher Beratung zu ermöglichen. Sie haben Anspruch auf Beratungshilfe, wenn Sie rechtliche Unterstützung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens benötigen. Das bedeutet, das für die Angelegenheit, für die die Beratung in Anspruch genommen werden soll, noch kein Prozess bei Gericht anhängig ist.
Weiterhin müssen Sie nachweisen, dass Sie die erforderlichen Mittel für eine rechtliche Beratung oder Vertretung aufgrund Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht selbst aufbringen können.
Es darf auch keine anderen zumutbaren Hilfsmöglichkeiten geben, wie beispielsweise Unterstützung durch einen Mieterverein, eine Rechtsschutzversicherung, Schuldnerberatung oder das Jugendamt.
Zudem darf die Wahrnehmung Ihrer Rechte nicht als mutwillig angesehen werden. Dies ist der Fall, wenn auch eine wirtschaftlich besser gestellte Person in einer vergleichbaren Situation keine Rechtsberatung auf eigene Kosten einholen würde.
Dem Gesetzestext zufolge wird eine „Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten“ auf Antrag gewährt, wenn:
- Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen können,
- keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme den Rechtsuchenden zuzumuten ist,
- die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.
Finanzielle Voraussetzungen für einen Beratungsschein
Die finanziellen Umstände, unter denen eine Person die Mittel für rechtliche Beratung oder Vertretung nicht selbst aufbringen kann, sind im Beratungshilfegesetz festgelegt.
Wichtig: Die Antragsteller müssen nachweisen, dass ihr Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um die Kosten für eine rechtliche Beratung oder Vertretung zu decken.
Dies beinhaltet in der Regel, dass das Einkommen und das Vermögen der antragstellenden Person unter einem bestimmten Grenzwert liegen. Bei Empfängerinnen und Empfängern von Bürgergeld trifft das in den meisten Fällen zu, da eine Hilfebedürftigkeit ja die Grundvoraussetzung für den Erhalt dieser Leistungen ist.
Die genauen Einkommens- und Vermögensgrenzen sowie weitere Details zur Beurteilung der finanziellen Verhältnisse können variieren und werden regelmäßig angepasst. Aktuell geltende Voraussetzungen sollten Sie daher direkt bei dem zuständigen Amtsgericht erfragen.
Weitere Voraussetzungen
Darüber hinaus sollte es keine anderen Möglichkeiten für Hilfe geben, die dem Rechtsuchenden zumutbar sind. Das bedeutet, es darf keine alternativen Quellen für kostenlose oder kostengünstige rechtliche Beratungen geben, die für die betreffende Person zugänglich und angemessen ist. Bei Problemen mit dem Jobcenter prüft das Amtsgericht zum Beispiel, ob die Angelegenheit auch von einer Beratungsstelle gelöst werden könnte.
Außerdem darf die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheinen. Als mutwillig gilt ein Antrag beispielsweise, wenn eine Person, die keinen Anspruch auf einen Beratungsschein hat, in der gleichen Situation normalerweise keine selbstfinanzierte rechtliche Beratung in Anspruch nehmen würde.
Was umfasst die Beratungshilfe?
Die Beratungshilfe umfasst sowohl Beratung als auch, falls notwendig, Vertretung in Rechtsfragen in folgenden Bereichen:
- Zivilrecht,
- Vertragsrecht,
- Familien- und Erbrecht,
- Arbeitsrecht,
- Verfassungsrecht,
- Verwaltungsrecht,
- Steuerrecht.
Sonderfall: Im Bereich Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht ist mit einem Beratungsschein nur eine Rechtsberatung möglich. Eine gesetzliche Vertretung kann über den Beratungsschein in diesem Fall nicht gestellt werden.
Sie können über den Beratungsschein nicht nur die Dienste von Anwaltskanzleien in Anspruch nehmen. Die Beratungshilfe gilt auch für
- Steuerberater,
- Wirtschaftsprüfer,
- vereidigte Buchprüfer,
- Rentenberater,
- Amtsgerichte.
Wie beantrage ich einen Beratungsschein?
Sie müssen den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe bei ihrem zuständigen Amtsgericht einreichen. Der Antrag kann mündlich innerhalb der Sprechzeiten des Amtsgerichts erfolgen oder schriftlich mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht werden. Die Justizportale der Länder stellen in der Regel auf deren Webseiten Antragsformulare als Download zur Verfügung.
Bedenken Sie bitte dabei, dass das Amtsgericht Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse prüft. Sämtliche Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse müssen Sie daher mit entsprechenden Belegen nachweisen.
Manche Rechtsanwälte bieten auch an, die Anträge für Rechtsbeihilfe beim Amtsgericht im Auftrag der Mandanten zu stellen. In diesem Fall sollten Sie sich unbedingt über die möglicherweise anfallenden Kosten informieren. Denn die Landeskasse übernimmt die Beratungskosten nur bei einer Bewilligung des Antrags.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, müssen Sie die Kosten für die Beratung und eventuell auch für die Beantragung vollständig selbst tragen.
Welche Unterlagen werden für einen Beratungsschein benötigt?
Egal ob Sie den Beratungsschein mündlich oder schriftlich beantragen, das Amtsgericht wird von Ihnen folgende Unterlage fordern, um über die Bewilligung entscheiden zu können:
- Personalausweis oder Reisepass,
- Unterlagen, aus denen die Ursache für die benötigte Beratungshilfe hervorgeht, wie zum Beispiel Verträge, Schriftwechsel, Rechnungen oder Ähnliches,
- Nachweise über laufende Einkommen, wie beispielsweise Lohnabrechnungen, Bürgergeld-, Renten- oder Wohngeld-Bescheide,
- Zahlungsbelege zu laufenden Kosten, wie zum Beispiel Miete, Nebenkosten, Heizkosten, Versicherungen und Zahlungsverpflichtungen,
- Nachweise über das vorhandene Vermögen, wie beispielsweise Kontoauszüge, Sparbücher, Versicherungen mit Rückkaufwert oder Grundstück-Papiere.
Beratungshilfegebühr
Wurde Ihr Antrag bewilligt, übernimmt die Landeskasse die anfallenden Beratungskosten. Nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz § 44 dürfen die Beraterinnen und Berater jedoch eine sogenannte Beratungshilfegebühr von den Antragstellenden verlangen. Diese Gebühr beträgt derzeit 15,00 Euro.
Quellen
- Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz – BerHG)
- Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte § 44 Vergütungsanspruch bei Beratungshilfe (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG § 44)
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