Bürgergeld: Jobcenter berechnen in diesen Fällen oft falsche Mietobergrenzen

2. Februar 2023
Vielfach berechnen die Jobcenter die Mietobergrenzen für Bedarfsgemeinschaften beim Bürgergeld falsch. Dieser Ratgeber soll dabei helfen, in verschiedenen Konstellationen eine höhere Mietobergrenze zu erstreiten. In diesen Konstellationen wendet das Jobcenter oft falsche Mietobergrenze an Geschwister leben zusammen, Ein Kind ab 25Jahren lebt noch bei den Eltern die Oma lebt mit in der Wohnung oder Alleinerziehende mit Azubi-Kind. In solchen und vielen anderen Konstellationen wendet das Jobcenter häufig eine falsche Mietobergrenze an. In solchen Situationen leben in einer Wohnung mehrere Bedarfsgemeinschaften. Mietobergrenze nach der Größe der Bedarfsgemeinschaft Die Mietobergrenze für Bürgergeld-Empfänger wird nach der Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft bestimmt und nicht nach der Anzahl der Personen, die in der Wohnung leben. Dies hat das BSG mit Urteil vom 25.4. 2018 - B 14 AS 14/17 R noch einmal ganz deutlich klargestellt. Beispiel Tochter(30) lebt bei ihrer Mutter in Dortmund und hat die Kündigung erhalten. Sie fragt beim #Jobcenter nach der geltenden Mietobergrenze. Jobcenter: "Die Mietobergrenze für 2 Personen liegt bei 630€." Sie sucht und sucht nach einer Wohnung, aber sie findet keine. Aber eigentlich ist die Mietobergrenze eine ganz andere. Da die Tochter über 24 ist, bilden sie und ihre Mutter keine Bedarfsgemeinschaft mehr (§7 Abs3 Nr2 SGB II). Damit gilt nicht die Mietobergrenze für 2 Personen, sondern für beide jeweils die für eine Person. In Dortmund: 2x510€=1020€ statt 630€. Es macht also in diesem (Extrem-)Fall einen wesentlichen Unterschied. Wer gehört eigentlich zur Bedarfsgemeinschaft? Da die Mietobergrenze korrekt anhand der Personen in der Bedarfsgemeinschaft bestimmt wird, stellt sich die Frage, wer eigentlich dazu gehört und wer eben nicht. Wer gehört also trotz Wohnen in der gleichen Wohnung NICHT zur Bedarfsgemeinschaft? Mitbewohner in einer WG (auch Geschwister) unverheiratete Partner, die weniger als 1 Jahr zusammen leben und kein gemeinsames Kind haben / gemeinsam erziehen Kinder ab 25 Jahren Kinder, die eigene Kinder haben Kinder(0-24Jahre), die ihren eigenen Bedarf durch Einkommen decken können Weitere Details zur Bedarfsgemeinschaft und weitere Konstellationen findet ihr hier. Sollten nicht alle in einer Wohnung lebenden Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft gehören, kann die Mietobergrenze nicht einfach aus der Tabelle des Jobcenters abgelesen werden. Berechnung der korrekten Mietobergrenze bei mehreren Bedarfsgemeinschaften Die Mietobergrenze muss in diesen Fällen individuell berechnet werden. Formel: Mietobergrenze für die größte leistungsbeziehende Bedarfsgemeinschaft in der Wohnung, ➗ Anzahl der Personen in der größten Bedarfsgemeinschaft ✖ Anzahl der Bewohner der Wohnung = Mietobergrenze für die gesamte Bewohnerschaft der Wohnung Diese Formel funktioniert bei allen Fällen außer bei bedarfsdeckende Kinder (Fall 5) zuverlässig. Bei 5. muss zusätzlich beachtet werden, ob das Kind auch bei der nun höheren anteiligen Miete noch mehr Einkommen (nach Abzug von Freibeträgen) hat, als Bedarf. Für wen ist die Mietobergrenze aktuell relevant? Es gibt mehrere Fälle in denen die Mietobergrenze aktuell wichtig ist: Jobcenter übernimmt nur einen Teil der Miete, da die Miete schon lange zu hoch ist Wohnungssuche, da die Karenzzeit bei einem Umzug nicht gilt Anwendung falsche Mietobergrenze Wenn die Miete abgesenkt ist und trotz eines der oben genannten Fälle die Mietobergrenze nicht nach Bedarfsgemeinschaften berechnet wurde, kann man das mit einem Überprüfungsantrag auch rückwirkend ändern und nachzahlen lassen. Höhere Mietobergrenze für Umzüge Bei der Wohnungssuche ist das Problem, dass Vermieter nicht warten wollen, bis ein Widerspruchsverfahren über die Angemessenheit der Wohnung durch ist, weil das Jobcenter die Wohnung trotz eigentlicher Angemessenheit abgelehnt hat. Daher muss man es schon vorher klären. Vorgehen Ich gehe dabei folgendermaßen vor: 1. Antrag die Mietobergrenze zu benennen. 2. Falls Grenze falsch genannt wird: Widerspruch 3. Wohnungsangebot ab dann immer mit Bestätigung des Jobcenters einreichen Formulierungsvorschlag für den Antrag Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich die Benennung der Gesamt-Mietobergrenze für alle in der Wohnung lebenden Personen. Ich bitte Sie, dabei das Urteil des BSG vom 25.4. 2018 - B 14 AS 14/17 R zu beachten. Nach diesem Urteil wird die Mietobergrenze immer nach Bedarfsgemeinschaften bestimmt, die Anzahl der Bewohner in einem Haushalt spielt dabei keine Rolle. In unserer Wohnung leben aber mehrere Bedarfsgemeinschaften zusammen. (Erklärung warum nicht alle zu einer BG gehören) Aus meiner Sicht berechnet sich die Grenze folgendermaßen: Mietobergrenze für die größte leistungsbeziehende Bedarfsgemeinschaft ➗ Anzahl Personen in der größten Bedarfsgemeinschaft ✖️ Anzahl der Bewohner der Wohnung = Mietobergrenze für alle Bewohner der Wohnung Bei uns bedeutet dies: (zB. für Eltern mit 1 Kind (25J) in Dortmund: 630€ Mietobergrenze 2 Personen (Eltern) ➗ 2 Personen (Eltern) ✖️ 3 Bewohner in der Wohnung = 930€ Mietobergrenze für alle - Kommentar nur zum Vergleich: statt 760€ für 3 Personen in einer BG - Ich bitte Sie, mir diese Mietobergrenze schriftlich zu bestätigen, so dass ich die Angemessenheit auch Vermietern gegenüber nachweisen kann. Sollten Sie anderer Auffassung sein, bitte ich Sie um eine Erklärung ihrer abweichenden Berechnungsweise. Mit freundlichen Grüßen Rechtsgrundlage Urteil des BSG vom 25.4. 2018 - B 14 AS 14/17 R Randnummer 18 -23 Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
Aktuelles
2. Februar 2023
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die aktuellen Widerspruchs- und Klagequoten gegen Hartz-IV-Bescheide veröffentlicht. Einige Jobcenter haben offenbar besonders "schlampig" gearbeitet. Weniger Klagen und Widersprüche durch Pandemie Aufgrund der Corona-Pandemie galten stark vereinfachte Zugangsbedingungen bei Hartz IV. Viele Details wie Vermögen und Angemessenheit der Wohnungen wurden nicht geprüft. Dadurch ist die Anzahl der Widersprüche und Klagen insgesamt in den letzten zwei Jahren zurückgegangen. Im Jahr 2021 wurden in der Grundsicherung (Jobcenter) 413.600 Widersprüche und 61.400 Klagen eingereicht. Das waren 97.800 Widersprüche bzw. 17.700 Klagen weniger als 2020. Im letzten Jahr (2022) war jeder dritte Widerspruch erfolgreich. Auch bei den Klagen an den Sozialgerichten waren Hartz-IV-Betroffene in einem Drittel der Fälle erfolgreich. Fehlerhafte Rechtsanwendung durch Jobcenter Die Jobcenter mussten in 2022 397.255 Widersprüche bearbeiten. Davon wurden 133.424 stattgegeben (33,6 Prozent), weil der Bescheid rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Leistungsbeziehenden war. Bei 40.739 (30 Prozent) waren die Widersprüche deshalb erfolgreich, weil die Behörden fehlerhafter Rechtsanwendungen begingen. Jobcenter mit besonders hoher Rechtsfehlerquote Einige Jobcenter waren in ihrer fehlerhaften Bearbeitung von Anträgen besonders auffällig. Das Jobcenter Minden-Lübbecke wies eine Rechtsfehler-Quote bei anerkannten Widersprüchen von 100 Prozent auf. Hier erklärte das Jobcenter allerdings, dass es für die Stattgabe eines Widerspruchs viele Gründe gebe. Das interne Software-Programm sehe nur eine Auswahl von fehlerhaften Rechtsanwendungen vor. Das Jobcenter Esslingen wies ein Rechtsfehler-Quote von satten 70 Prozent auf. Laut der Behörde wurden viele vorläufige Bescheide ausgestellt, die dann im Nachhinein geändert werden mussten. Beim Jobcenter Saarlouis zeigte sich eine Rechtsfehler-Quote von 65 Prozent. Die Behörde begründete diese hohe Quote mit der Bearbeitung von zahlreichen Altfällen. Weisungen durch die Bundesagentur für Arbeit Die Bundesagentur für Arbeit wies darauf hin, dass sie übergeordnete Behörde Weisungen herausgebe, um Rechtsfehler zu verhindern. Daran müssen sich die Jobcenter halten. Wenn bestimmte Jobcenter hohe Fehlerquoten zeige, würde dem nachgegangen. Im Jahre 2022 entschieden die Sozialgerichte in 66 598 Hartz-Klagen. In 23 473 verhandelten Fällen (35,25 Prozent) bekamen die Leistungsbeziehenden Recht. Lesen Sie auch: - Bürgergeld: Muss das Jobcenter einen Führerschein finanzieren? Laut BA wurden vor allem weniger Widersprüche und Klagen im Bereich Regelbedarf/Mehrbedarf sowie Aufhebung und Erstattung erhoben. Ein Rückgang der Widersprüche gab es auch im Bereich Einkommen und Vermögen. Kaum Widersprüche gegen Sanktionen aufgrund des Sanktionsmoratorium Nicht verwunderlich ist auch der starke Rückgang der Widersprüche gegen Sanktionen. Das Aussetzen der Sanktionen sorgte nämlich dafür, dass kaum noch Sanktionen ausgesprochen wurden bzw. es sich um “Altfälle” im Klageverfahren handelte. “Während vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 noch knapp 39.900 Widersprüche gegen Sanktionen eingelegt wurden, sank die Zahl auf knapp 8.100 im vergangenen Jahr”, so die BA. Da die Sanktionen im Bürgergeld wieder eingeführt wurden, ist damit zu rechnen, dass hier wieder die Quote steigen wird. Zudem hat der Gesetzgeber einige Rechtsunsicherheiten beim Bürgergeld (noch) nicht bereinigt.
1. Februar 2023
Alleinerziehend mt 3 Kindern vom Land Viele Menschen wissen nicht, dass sie Anspruch auf staatliche Unterstützung wie Bürgergeld oder Wohngeld plus Kinderzuschlag haben. Häufig sind es erhebliche Summen und es hängen daran auch noch hohe Entlastungen. Vorstellung Beispielfamilie Ich möchte dies exemplarisch an einer Alleinerziehenden mit 3 Kindern (8J, 6J, 4J) darstellen. Sie wohnen in Köln, einer Region mit hohen Mieten (Wohngeldstufe 6). Sie bezahlen 1050€ Bruttokaltmiete (inkl. NK) und 120€ Heizung. Die Kinder erhalten Unterhaltsvorschuss. Methodik Ich habe in der folgenden Tabelle zu jedem Brutto-Einkommen in 100€-Schritten, die entsprechenden Sozialleistungsansprüche berechnet. Die jeweilige Höhe der Sozialleistungsansprüche und die Auswirkungen auf die Haushaltskasse lassen sich aus dieser ablesen. Bürgergeld oder Wohngeld + Kinderzuschlag Die Familie hat bis zu einem sozialversicherungspflichtigem Einkommen unter 478€ Netto (600€ Brutto) Anspruch beim Jobcenter. Ist das Einkommen höher, hat die Familie keinen Anspruch auf Bürgergeld, sondern auf #Wohngeld und Kinderzuschlag. Bei einer Arbeitsaufnahme aus der Arbeitslosigkeit heraus mit einer Stelle ab 600€ Brutto, wird die Bedarfsgemeinschaft spätestens nach 6 Monaten zum Wohngeld und Kinderzuschlag wechseln. Ist das Einkommen bei mindestens 1100€ Brutto (878€ Netto) wird die Familie sofort zum Wohngeld wechseln und hat ein paar Monate später zusätzlich Anspruch auf Kinderzuschlag. Häufig ahnen Alleinerziehende nichts von ihrem Anspruch auf KiZ - dieser ist aber recht hoch. Höchstgrenzen Sozialleistungsbezug Die Familie hat aber selbst bei einem weit höheren Einkommen noch Anspruch auf staatliche Unterstützung. Anspruch auf Kinderzuschlag besteht bis Netto ca. 2591€ (Brutto 3800€) und auf Wohngeld sogar bis 2750€ Netto (4100€ Brutto). Grenze der Wirtschaftlichkeit von Einkommen Das Bruttoeinkommen über 2100€ zu steigern, ist wirtschaftlich nicht sinnvoll, denn mehr Arbeit bringt kaum zusätzliches Geld in die Haushaltskasse bzw. führt ab 3100€ sogar zu Einbußen. Arbeit lohnt sich massiv. Mehrarbeit in diesem Fall nicht! Diesen Bereich sollte es nicht geben. Die Erhöhung des Arbeitsumfangs muss sich immer lohnen. Hier aber führt eine Erhöhung des Bruttos um 1600€ (2200€ auf 3800€) zu 0€ mehr in der Haushaltskasse. Da muss der Gesetzgeber wohl noch mal nacharbeiten. Übertragung auf andere Alleinerziehende mit 3 Kindern Deutlich wird an diesen Zahlen aber auch, dass Alleinerziehende mit 3 Kindern fast immer Anspruch auf Leistungen und damit auf BuT (Schülerticket, Schulessen, Nachhilfe, Klassenfahrt und einiges mehr wird übernommen) und die Befreiung von Kinderbetreuungsgebühren haben. Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
31. Januar 2023
Häufig leiden Bürgergeld-Beziehende chronischen bzw. länger andauernden Erkrankungen. Fahrten zur medizinischen Behandlung/Betreuung werden meist nach Antrag von den Krankenkassen bezahlt. Ist dies nicht der Fall, kann die Härtefallregelung wie schon bei Hartz IV greifen. Leistungsberechtigte haben bei regelmäßiger ärztlicher Behandlung Anspruch auf Fahrtkostenübernahme zur ambulanten Krankenbehandlung. Das gilt auch, wenn kein Anspruch gegenüber der Krankenversicherung besteht. Fahrtkosten zur ambulaten Krankenbehandlung Besteht die medizinische Notwendigkeit zur ambulanten Krankenbehandlung haben Betroffene in Grundsicherung einen Anspruch auf Fahrtkostenübernahme in Höhe, wenn eine Behandlung im näheren Umkreis nicht möglich oder ein späterer Wechsel der Behandlung nicht dienlich ist. Da die Fahrt selbst nicht medizinisch indiziert sei und daher häufig nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werde, ergebe sich ein Härtefallmehrbedarf für die Betroffenen, der über das hinausgehe, was der Regelbedarf abdecken soll. Mehrbedarf ist unabweisbar, selbst wenn die gesetzliche Krankenversicherung prinzipiell leistungspflichtig wäre Wird der vorgesehene Regelbedarf für Verkehr in diesem Zusammenhang überschritten, ensteht ein unabweisbarer Mehrbedarf. Und zwar nicht erst ab einer Überschreitung der sogenannten „Bagatellgrenze“ um mindestens 10 Prozent, die von der Bundesagentur angewendet wird, sondern bereits bei einer Überschreitung von beispielsweise 5 Prozent. So hatte das Landessozialgericht Sachsen entgegen der Meinung des Jobcenters entschieden, welches auf die im Regelsatz enthaltenen Fahrtkosten verwies und zusätzlichen Mehrbedarf verweigerte. Damit sprach sich das Gericht ausdrücklich gegen ältere Urteile aus (L 7 AS 83/17).
31. Januar 2023
Beim Bürgergeld haben sich einige Rechtsfehler eingeschlichen. Bei der Umgestaltung wurden einige Regelungen einfach übersehen. Darüber berichtet zum Beispiel der Hilfeverein "Tacheles e.V." Postalische Erreichbarkeit nicht zwingend notwendig Eine verpatzte Regelung beispielsweise der Wegfall der Pflicht zur postalischen Erreichbarkeit bis zum 20. Juni 2023. Das bedeutet, dass die Pflicht eine postalische Erreichbarkeit bis dahin nicht zwingend erforderlich ist. "Dies begründet sich über einen Rechtsfehler, nach dem durch die Streichung des § 77 Abs. 1 SGB II die Erreichbarkeitsverordnung des SGB III nicht mehr gilt und eine neue erst zum 1.Juli 2023 wirksam werden kann", berichtet der Sozialrechtsexperte Harald Thomé. Achtung Fristen Das bedeutet allerdings nicht, dass Leistungsbeziehende nicht mehr für Anschreiben der Jobcenter erreichbar sein müssen. Auch wenn die postalische Erreichbarkeit keine Voraussetzung des Leistungsbezugs mehr ist, kann das Jobcenter nach §130 BGB trotzdem davon ausgehen, dass seine Schreiben ankommen (müssen). Denn Fristen beginnen zu laufen und die Mitwirkungspflichten bleiben bestehen. Aber: "Die postalische Erreichbarkeit ist zwar weiter im Rahmen der Mitwirkungspflichten notwendig, aber bis Juli 2023 nicht mehr anspruchsbegründend", erklärt Thomé. Keine Verwehrung von Bürgergeld-Leistungen Für die Antragstellung von Bürgergeld-Leistungen bedeutet das, dass Betroffenen, die aufgrund einer fehlenden postalischen Erreichbarkeit, nicht mehr die Bürgergeld-Leistungen verwehrt werden dürfen. Das ist vor allem für Menschen wichtig zu wissen, die keine eigene Wohnung haben oder obdachlos sind. Fazit Leistungsberechtigte sollten dennoch dafür sorgen, den Inhalt der Jobcenter-Post zu kennen und darauf reagieren. Betroffene, die die Sichtung der Post nicht organisieren, gehen das Risiko ein, beispielsweise durch verpasste Termine gegen Pflichten zu verstoßen. Werden Termine oder Fristen verpasst, können Sanktionen folgen oder auch Ansprüche verloren gehen. Dennoch sind Betroffene nicht automatisch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen! Mehr zu diesem Thema auch hier.
30. Januar 2023
Familie mit 2 Kindern vom Land - sozialrechtliche Ansprüche Viele Familien wissen nicht, dass sie Anspruch auf Hilfeleistungen wie das Bürgergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld haben. Häufig sind es erhebliche Summen und es hängen daran auch noch wesentliche Entlastungen. Diese exemplarisch Berechnung kann helfen, um eine Einschätzung hierüber zu treffen. Inhaltsverzeichnis Vorstellung Beispielfamilie Ich möchte dies exemplarisch an einer Familie mit 2 Kindern (13J, 9J) darstellen. Sie wohnen in einer strukturschwachen Region mit geringen Mieten (Wohngeldstufe 1). Sie bezahlen 580€ Bruttokaltmiete (inkl. NK) und 120€ Heizung. Es arbeitet nur ein Partner. Methodik Ich habe in der folgenden Tabelle zu jedem Brutto-Einkommen in 100€-Schritten, die entsprechenden Sozialleistungsansprüche berechnet. Die jeweiligen Höhe der Sozialleistungsansprüche und die Auswirkungen auf die Haushaltskasse lassen sich aus dieser ablesen. Bürgergeld oder Wohngeld+Kinderzuschlag? Die Familie hat bis zu einem Einkommen von 977€ Netto (1225€ Brutto) Anspruch beim Jobcenter. Ist das Einkommen höher, hat die Familie keinen Anspruch auf Bürgergeld, sondern auf Wohngeld und Kinderzuschlag. Bei einer Arbeitsaufnahme aus der Arbeitslosigkeit heraus mit einer Stelle ab 1225€ Brutto, wird die Familie spätestens nach 6 Monaten zum Wohngeld und Kinderzuschlag wechseln. Ist das Einkommen bei mindestens 2100€ Brutto (1675€ Netto) wird die Familie sofort zum Wohngeld wechseln und hat ein paar Monate später zusätzlich Anspruch auf Kinderzuschlag. Höchstgrenzen Sozialleistungsbezug Die Familie hat aber selbst bei einem weit höheren Einkommen noch Anspruch auf staatliche Unterstützung. Anspruch auf Kinderzuschlag besteht bis Netto ca. 2792€ (Brutto 3800€) und auf Wohngeld sogar bis 3226€ Netto (4540€ Brutto). Ein Bruttoeinkommen von 4500€ Brutto ist weit weg vom Einkommen eines Geringverdieners. Um dieses zu erzielen ist ein Stundenlohn von ca. 26€/Std notwendig. Daher haben viele, die sich selbst als "Normalverdiener" oder "Gutverdiener" sehen noch Anspruch auf Leistungen. Folgen eines Sozialleistungsbezugs Und selbst wer nur 10€ Wohngeld bezieht, hat Anspruch auf die Bildungs- und Teilhabeleistungen (Schülerticket, Schulessen, Nachhilfe, Klassenfahrt und einiges mehr wird übernommen) und Anspruch auf die Befreiung von Kinderbetreuungsgebühren z.B. für den Kindergarten. Daher kann es sich auch für Familien, die nicht den Eindruck haben, "arm" zu sein und eigentlich "über die Runden kommen" noch lohnen, einen möglichen Anspruch auf Kinderzuschlag und Wohngeld zu prüfen und ggf. die Leistungen in Anspruch zu nehmen. Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
29. Januar 2023
Sozialhilfe und Bürgergeld Leistungen werden immer am Ende des Vormonats für den Folgemonat überwiesen. Leistungsbeziehende, die jeden Euro drei Mal umdrehen müssen, müssen wissen, wann die Leistungen auf dem Konto landen. Für Februar werden beispielsweise die Regelleistungen erst am letzten Tag ausgezahlt. Dann wird das Bürgergeld ausgezahlt Monat Tag Februar Dienstag, 31.01.2023 März Dienstag, 28.02.2023 April Freitag, 31.03.2023 Mai Freitag, 28.04.2023 Juni Mittwoch, 31.05.2023 Juli Freitag, 30.06.2023 August Freitag, 28.07.2023 September Donnerstag, 31.08.2023 Oktober Freitag, 29.09.2023 November Dienstag, 31.10.2023 Dezember Donnerstag, 30.11.2023 Januar 2024 Freitag, 29.12.2023 Achtung: Die genauen Überweisungstage können von Jobcenter zu Jobcenter plus/minus um einen Tag variieren. Allerdings müssen die Überweisungen immer im Vormonat getätigt werden. Wie hoch sind die Bürgergeld-Regelleistungen? Ab Januar 2023 gelten neue Regelleistungen für Beziehende im SGB II. Die Leistungen für den kommenden Monat werden immer im Vormonat zur Überweisung gebracht, damit das Geld rechtzeitig für fortlaufende Überweisungen zur Verfügung steht. Durch die Inflation musste die Bundesregierung die Regelsätze anpassen. Hierfür wurden veränderte Berechnungsgrundlagen verwendet. Hier nun im Einzelnen die Regelleistungen: Bedarfsstufe Bürgergeld Höhe Regelsatz im Monat Alleinstehende Erwachsene 502 EUR Volljährige Partner:innen 451 EUR Kinder (14-17 Jahre) 420 EUR Kinder (6-13 Jahre) 348 EUR Kinder bis fünf Jahre 318 EUR Mehrbedarfe beim Bürgergeld ab 2023 Die Mehrbedarfe werden sich weiterhin prozentual an den Regelleistungen orientieren. Nach dem derzeitigen Modell hieße das bei den Mehrbedarfen: Schwangere ab der 13. Schwangerschaftswoche 17 Prozent Alleinerziehende Variante a) mit 1 Kind unter 7 Jahren oder 2 oder 3 Kindern unter 16 J. 36 Prozent Alleinerziehende Variante b) mit mehr als 3 Kindern oder wenn Variante a) nicht zutrifft 12 Prozent je Kind (max. 60 Prozent) Behinderte Leistungsberechtigte ab 15 Jahre, die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX / § 54 SGB XII beziehen, erhalten 35 Prozent mehr Nicht‐Erwerbsfähige mit Merkzeichen „G“ im Schwerbehindertenausweis 17 Prozent Neue Berechnungsgrundlage zur Festlegung der Regelsätze Nunmehr wird beim Mischindex zu 30 Prozent die Entwicklung bei den Löhnen und zu 70 Prozent die Preisentwicklung berücksichtigt. Hierzu werden die Daten aus dem zweiten Quartal des Vor-Vorjahres und aus dem ersten Quartal des Vorjahres herangezogen werden. Würde allerdings allein diese Berechnungsgrundlage verwendet, würde der Eckregelsatz für alleinstehende Erwachsense von 449 Euro lediglich auf 469 Euro steigen. Daher wolle man zusätzlich einen Zuschlag für die zu erwartende Inflation mit einbeziehen. Hierdurch konnte der Regelsatz ansteigen. Wer zuvor Hartz IV bezogen hat, muss keinen gesonderten Neuantrag stellen. Der Rechtskreis SGB II bleibt gleich. Mögliche Gründe für ausbleibende Bürgergeld-Zahlungen Wenn nach Beantragung der Leistungen bzw. beim laufendem Leistungsbezug das Jobcenter nichts überweist, muss etwas vorgefallen sein, das dies verhindert. Jeder Fall ist jedoch ein Einzelfall. Daher hat es auch immer individuelle Gründe, warum Zahlungen des Jobcenters zu spät kommen oder gar nicht überwiesen werden. Mögliche Fehlerquellen sind: vergessene Zahlungsanweisungen vergessene WBAs noch nicht bearbeitete Anträge Buchungsfehler falsch eingegebene Bankdaten fehlerhafte BG-Nummern, so dass Zahlungen anderen BGs zugeordnet wurden gestoppte Zahlungen, weil irgendwas in Klärung ist gestoppte Zahlungen wegen laufender Widersprüche noch nicht freigegebene Zahlungen falsche Buchungsdaten sowie viele andere Gründe In jedem Fall sollten sich Betroffene an ihr Jobcenter wenden und nachfragen, warum die Zahlung (noch nicht) ausgeführt wurde.
29. Januar 2023
Viele Menschen, die Bürgergeld oder Grundsicherung beziehen, haben Angst, dass bei einem Verkauf von Eigentum erhaltenes Geld als Einkommen angerechnet werden könnte. Diese Sorge ist aber unbegründet. Der Verkauf von eigenen Sachen ist weder beim Jobcenter noch beim Sozialamt anzurechnendes Einkommen, es sei denn es hätte die Dimension eines selbstständigen Handels. Rechtliche Bewertung Durch den Verkauf von Eigentum wird eine Sache, die schon vorher Teil des Vermögens war, in Geld umgewandelt, das auch danach Teil des Vermögens ist. Das Vermögen (bestehend aus Sachen+Geld) bleibt unverändert. Es gab keinen wertmäßigen Zuwachs, daher ist es KEINE Einnahme. §11 Abs.1 SGB II "Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld (...)" Wenn wie oben erklärt durch einen Verkauf von Eigentum keine Einnahme (kein wertmäßiger Zuwachs) erzielt wird, kann es auch kein Einkommen sein. §82 Abs1 SGB XII "Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (...)" Auch Einkünfte entstehen nur, wenn es einen wertmäßigen Zuwachs im Vermögen gab. Der Verkauf von Vermögen, ändert an dessen Höhe nichts, es wird nur ein Sachwert in Geld verwandelt. Beispiel Klaus besitzt eine Autogrammkarte, welche er über ebay verkauft. Er erhält dafür 60€, die per Paypal überwiesen werden. Dies fällt dem Jobcenter/Sozialamt bei der Stellung des Weiterbewilligungsantrags auf und er wird nach der Buchung gefragt. Er erklärt, dass er eine Autogrammkarte verkauft hat und legt einen Ausdruck aus ebay über den Verkauf vor. Das Amt darf die Überweisung nicht als Einkommen anrechnen und stellt keine weiteren Fragen. Ausnahme Wenn Gegenstände erworben werden, um diese (gewinnbringend) wieder zu verkaufen, dann ist dies "Handel" mit dem Ziel einen Gewinn zu erzielen. Dies wäre eine Selbstständigkeit und der Gewinn würde angerechnet werden. Wenn also Klaus eine Sammlung ankauft um Einzelkarten zu verkaufen, dann ist das Handel. Dann stellt der Gewinn Einkommen dar, das nach den Regeln des jeweiligen SGB anzurechenen ist. Rechtsgrundlagen §11 Abs1 SGB II §82 Abs1 SGB XII Fachanweisungen §§82-84 SGB XII der Stadt Hamburg unter Punkt 1.1. (Seite 4) Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
28. Januar 2023
Das Bürgergeld-Gesetz führt dazu, dass bis zum 1.7. im SGB II die Erreichbarkeit keine Leistungsvoraussetzung mehr ist. Leistungsbeziehende müssen daher nicht mehr zwingend werktäglich postalisch erreichbar sein und nicht vorhandene Erreichbarkeit führt daher nicht mehr direkt zu einem Leistungsausschluss. Inhaltsverzeichnis Erreichbarkeit für Post Das bedeutet aber nicht, dass ein Leistungsberechtigter nicht mehr für Schreiben des Jobcenters erreichbar sein muss. Die Erreichbarkeit is trotzdem weiter im Rahmen der Mitwirkungspflichten notwendig und Fristen zu laufen beginnen. Die Situation ist wie beim Wohngeld und Kinderzuschlag. Auch dort bestehen Mitwirkungspflichten, aber Erreichbarkeit ist keine Leistungsvoraussetzung. Aufenthalt im "Nahbereich" Wenn sich Leistungsbeziehende im Nahbereich (max. 1 1/4 Stunden zu einer Dienststelle) des zuständigen Jobcenters zB. bei Verwandten aufhalten, müssen sie normalerweise die Adresse mitteilen um weiter postalisch erreichbar zu sein. Dies ist nun aber nicht mehr notwendig. Da die Erreichbarkeit keine Leistungsvoraussetzung mehr ist, ist ein Verreisen innerhalb des Nahbereichs ohne Angabe eine Adresse auch ohne Anmeldung zulässig und wird nicht auf die 21 Tage Ortsabwesenheit mit Genehmigung angerechnet. Die Grenze der nun erlaubten Länge der Nichterreichbarkeit ist völlig unklar und dürfte nur noch durch die Pflicht alle Möglichkeiten zu nutzen um die Hilfebedürftigkeit zu beenden begrenzt sein. Da jährlich auch 3 Wochen Ortsabwesenheit (=Nichterreichbarkeit) die Eingliederung in Arbeit nicht zwingend beeinträchtigen, mehr aber scheinbar immer, könnte man diese Zeit als Frist für die Erreichbarkeit vermuten. Sie ist aber eher individuell zu bestimmen. Umgang mit Post während Aufenthalt im Nahbereich Auch wenn die postalische Erreichbarkeit keine Voraussetzung des Leistungsbezugs mehr ist, kann das Jobcenter nach §130 BGB trotzdem davon ausgehen, dass seine Schreiben ankommen. Fristen beginnen zu laufen und Mitwirkungspflichten bleiben bestehen. Daher sollte der Leistungsberechtigte dafür sorgen, den Inhalt seiner Post zu kennen und reagieren zu können. Wer die Sichtung der Post nicht organisiert, geht das Risiko ein, z.B. durch verpasste Termine gegen Pflichten zu verstoßen. Verpasst er Fristen, ist es sein persönliches Problem. Aber er ist dennoch nicht automatisch von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Zusammenfassung Ein unangekündigter Aufenthalt im Nahbereich führt nicht zum Leistungsausschluss. Da Fristen und Pflichten auch bei Schreiben an die Heimatadresse entstehen, ist zur Vermeidung von Risiken sinnvoll, jemanden zu haben, der sich um die Post kümmert. Rechtlicher Hintergrund Welcher Paragraph gilt aktuell? Es gibt zwar seit dem 1.1.2011 mit dem nun geltenden §7 Abs4a SGB II eine Rechtsgrundlage für eine eigene Regelung der Ortsabwesenheit. §77 Abs1 SGB II hat die Neufassung von §7 Abs4a SGB II außer Kraft gesetzt. In §77SGB II stand bis zum 31.12.2022: Eine solche Rechtsverordnung wurde aber bis zum 31.12.2022 nicht erlassen. Daher war §7 Abs4a SGB II nie in Kraft, sondern es galt die Vorgängerregelung. Diese verweist auf die Erreichbarkeitsanordnung des SGB III zum Alg1. Diese Fassung verweist nicht nur zur Ortsabwesenheit auf die Erreichbarkeitsanordnung, sondern bestimmt, dass "die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend". Und das sind eben auch Regelungen zur Erreichbarkeit... Nun wurde durch Artikel1 Nr49 Bürgergeld-Gesetz mit §77 die Regelung gestrichen, die den aktuellen §7 Abs4a SGB II außer Kraft und die gerade beschriebene Altfassung aktiv hielt. Nach Artikel 13 Abs1 Bürgergeld-Gesetz tritt das gesamte Gesetz zum 1.1.23 in Kraft, außer es sind abweichende Regelungen in Abs2-4 getroffen. In Abs2 taucht Artikel1 Nr49 nicht auf. Nach Artikel1 Nr 44 geht es mit Artikel 2 weiter. Folglich gilt die Streichung zum 1.1.23. Die Neuregelung der Erreichbarkeit im Bürgergeld ist §7b SGB II. Diese Änderung wird im Bürgergeld-Gesetz unter Artikel 1 Nr.7 (Streichung §7 Abs4a SGB II) und Nr.8 (Einführung §7b SGB II) geführt. Deren Einführung wird aber mit Artikel 13 auf den 1.7.2023 verschoben. Dadurch kommt es dazu, dass die Verschiebung auf die bis zum 31.12.2010 geltende Fassung durch die Streichung von §77 SGB II nicht mehr existiert, die Neuregelung §7b SGB II aber noch nicht gilt und aktuell die noch nicht gestrichene Regelung des §7 Abs4a SGB II gilt. Dies war so wohl nicht beabsichtigt, das wird in der Gesetzesbegründung deutlich. Es handelt sich scheinbar um einen Konstruktionsfehler. Alle Änderungen, die Streichung des §77 Abs1 und von §7 Abs4a sowie die Einführung von §7b SGB II, hätten gleichzeitig erfolgen müssen. Ist aber nicht so - daher gilt jetzt §7 Abs4a SGB II. Erreichbarkeit - nicht mehr gefordert §7 Abs4a SGB II in der aktuellen Fassung enthält keinerlei Regelungen zur Erreichbarkeit, sondern nur zur Ortsabwesenheit, mit keinem Wort wird im Gesetzestext die (postalische) Erreichbarkeit erwähnt. In der bis zum 31.12.2022 geltenden Erreichbarkeitsanordnung gab es explizite Regelungen zur Erreichbarkeit und auch im ab 1.7.23 neuen §7b SGB II gibt es klare Regeln zur Erreichbarkeit. Schon allein aus dem Vorhandensein dieser Regelungen ist erkennbar, dass sie erforderlich sind, sonst wären sie im neuen §7b SGB II nicht aufgenommen worden. Da der aktuelle §7 Abs4a SGB II diese aber nicht enthält, ist diese Leistungsvoraussetzung aktuell nicht existent. Die Leistungsvoraussetzung "Erreichbarkeit" ist in der gestaffelten Einführung des Bürgergelds befristet bis zum 30.6. "verloren" gegangen. Dass dies der Bundesagentur bewusst ist, wird in der Weisung zu §7 deutlich, denn dort steht nichts Konkretes zur Erreichbarkeit. Ergebnis ist folglich ganz klar, dass auch jemand der nicht erreichbar ist, weiter Leistungen vom Jobcenter beziehen kann. Aber welche Folgen hat dies für Schreiben, die kommen? Folgen der fehlenden Voraussetzung der Erreichbarkeit Verwaltungsakte Für Verwaltungsakte(Bescheide) ist die Lage sehr einfach. Nach §37 SGB X ist der Bescheid mit Zugang (frühstens 3 Tage nach Versand) bekannt gegeben, die Wirkung setzt ein und die Widerspruchsfrist beginnt zu laufen. Andere Post vom Jobcenter Für andere Schreiben wie Einladungen zu Terminen, Stellenangebote usw. gibt es keine explizite Regelung im SGB. Daher wird hier mit §130 BGB eine Regelung aus dem Privatrecht herangezogen (BSG vom 3.6.2004, B11 AL 71/03 R). Dieser §130 BGB knüpft die Wirkung der Willenserklärung an deren Zugang. Für einen Zugang sind aber 2 Faktoren maßgebend: Eintritt in den Machtbereich des Empfängers Möglichkeit der Kenntnisnahme Ein Schreiben, dass in den Briefkasten des Empfängers geworfen wird, ist damit eindeutig im Machtbereicht des Empfängers. Mit dem Einwurf besteht auch die Möglichkeit zur Kenntnisnahme nach "üblichen Bedingungen". Es wird dabei von einer täglichen Öffnung ausgegangen. Folglich kann das Jobcenter weiter davon ausgehen, dass seine Schreiben mit Einwurf in den Briefkasten zugegangen sind. Sobald sie zugegangen sind, setzt die Wirkung und somit die Mitwirkungspflichten ein und der Betroffene muss reagieren, wie sonst auch. Ergebnis Wer sich im Nahbereich aufhält, aber nicht erreichbar ist, ist nicht von den Leistungen ausgeschlossen. Er muss dies auch nicht anmelden. Schreiben an die Heimatadresse sind dennoch wirksam, Fristen laufen und Mitwirkungspflichten entstehen trotz der Abwesenheit. Diese Problematik lässt sich aber einfach lösen, indem der Leistungsberechtigte jemanden beauftragt sich um seine Post zu kümmern und diese (zB. per Mail oder Messenger) weiterzuleiten, so dass der Betroffene entsprechend reagieren kann. Bislang war ein abweichender Aufenthalt im Nahbereich nur mit Anmeldung und Preisgabe der Aufenthaltsadresse möglich. Dann konnte das Jobcenter an diese Adresse die Post senden. Jetzt hingegen ist keine Anmeldung und keine Bekanntgabe der Adresse mehr nötig. Ausblick auf die Zeit ab 1.7.2023 Diese Variante stimmt mit der veränderten Erreichbarkeit in §7b SGB II (ab 1.7.) überein. Dann ist Erreichbarkeit zwar wieder verpflichtend, aber diese Form der Erreichbarkeit reicht aus um der Pflicht zu genügen (steht auch so in der Gesetzesbegründung zu §7b SGB II). Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. 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28. Januar 2023
Nach dem das 9-Euro-Ticket ein voller Erfolg war, soll nun das 49 Euro Ticket zum ersten Mai 2023 starten. Allerdings deckt der Bürgergeld-Regelbedarfsposten "Verkehr" nicht die Anschaffungskosten ab. Deutschlandweit 49-Euro-Ticket ab 1. Mai Für den Nah- und Regionalverkehr soll es ab dem 1. Mai ein sog. "49-Euro-Ticket" geben. Es ist gültig für alle Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr in ganz Deutschland. 45 vs. 49 Euro Die Regelleistungen beim Bürgergeld sehen gerade einmal 45,02 € für den Posten "Verkehr" vor (8,9 Prozent). Damit inbegriffen ist z.B. zusätzlich die Anschaffung und der Unterhalt eines Fahrrades. Zwar bieten einige Kommunen für Bürgergeld-Beziehende ein Sozialticket an, allerdings ist das Sache der Kommunen und wird auch nur durch diese geregelt. Das Ticket ist zudem nur für den regionalen Bus- und Straßenbahnverkehr vorgesehen. Bundesweit auch den Regionalverkehr zu nutzen, sehen diese Sozialtickets nicht vor. Regelbedarfs beim Bürgergeld Um zur erläutern, wie die Regelleistungen im SGB II aufgeteilt sind, eignet sich diese Tabelle. Sie zeigt an, für welche Ausgaben in welcher Höhe der Regelsatz berechnet wurde. Anteil am Bürgergeld- Regelbedarf in % von der Regelleistung in € von der Regelleistung Nahrung, alkoholfreie Getränke 34,70% 174,19 € Freizeit, Unterhaltung, Kultur 9,76% 48,98 € Post und Telekommunikation 8,94% 44,88 € Bekleidung, Schuhe 8,30% 41,65 € Wohnen, Energie (Strom), Wohninstandhaltung 8,48% 42,55 € Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände 6,09% 30,57 € andere Waren und Dienstleistungen 7,98% 40,06 € Verkehr 8,97% 45,02 € Gesundheitspflege 3,82% 19,16 € Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen 2,61% 13,11 € Bildung 0,36% 1,81 € Summe 100 % 502,00 € Knapp bemessene Regelleistungen auch beim Bürgergeld Es wird anhand der Tabelle deutlich, dass die einzelnen Posten sehr knapp bemessen sind. Der Gesetzgeber geht allerdings davon aus, dass Einsparungen in anderen Bereichen wie "Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände" in dem einen Monat, die Mehrausgaben in andere Posten wie "Nahrung, alkoholfreie Getränke" ausgleicht. Bei lediglich 174,19 € monatlich für Ernährung und Getränke wird deutlich, dass die Regelleistungen vor allem in Zeiten hoher Inflation nicht ausreichen. Leistungsberechtigte müssen daher in anderen Regelbedarfsposten sparen, in dem sie zum Beispiel weniger für den Bereich "Verkehr" ausgeben. Drei Bundesländer prüfen reduzierten Preis Immerhin wollen mindestens drei Bundesländer prüfen, ob sie das 49 Euro-Ticket für junge Menschen oder Bürgergeld/Sozialhilfe Beziehenden reduzierter anbieten. Bremen, Hessen und das Saarland haben sich hierzu entschlossen. Bundesweit hatten unter anderen der Paritätische Gesamtverband und der Bundesverband der Verbraucherzentralen einen Sozialtarif gefordert, da Bürgergeld (Hartz IV) Beziehende sonst nicht vom geplanten "Deutschlandticket" profitieren.
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"Ratschläge & Meinungen" austauschen ist das Motto unseres Forums. Sie haben die Möglichkeit sich kostenlos anzumelden und mit über 7000 Forenteilnehmer zu diskutieren sowie wichtige Fragen zum Arbeitslosengeld zu erörtern. Treffen Sie zahlreiche Menschen, denen es ähnlich ergeht, wie Ihnen selbst. Durch einen regen Austausch können die eigenen Rechte gestärkt werden! Durch eine Vernetzung können sich Betroffene gegenseitig stärken. Die Teilnahme im Forum ist unverbindlich und selbstverständlich jetzt und auch in Zukunft OHNE Kosten verbunden.
Selbstverständnis
Von der Arbeitsmarktreform sind Millionen von Menschen betroffen. Vieles ist im SGB II unklar und auf die individuellen Bedarfe des Einzelnen zu pauschal ausgelegt. Laut einiger Erhebungen, sollen nur rund 50 Prozent aller Bescheide der Jobcenter mindestens teilweise falsch und rechtswidrig sein. Das bedeutet für die Menschen oft tatsächliche Beschneidungen in Grundrechten und Ansprüchen.
Diese Plattform will daher denen eine Stimme
geben, die kein Gehör finden, weil sie keine gesellschaftliche
Lobby besitzen. Bezieher von Arbeitslosengeld II Leistungen werden
nicht selten als "dumm" oder "faul" abgestempelt. Es reicht nicht,
dass Leistungsberechtigte mit den täglichen Einschränkungen zu
kämpfen haben- nein es sind auch die täglichen Anfeindungen in
den Jobcentern, in der Schule, in der Familie oder auf der Straße.
Neben aktuellen Informationen zur Rechtssprechung konzentrieren
wir uns auch auf Einzelfälle, die zum Teil skandalös sind. Wir
decken auf und helfen damit automatisch den Betroffenen. Denn wenn
eine Öffentlichkeit hergestellt wurde, müssen die Ämter agieren.
Sie bekommen dadurch Druck.
In unserem
Forum leisten viele Freiwillige ehrenamtliche
Hilfe. Sie können weiterhelfen und eine Art "Nachbarschaftliche
Hife" bieten. Der Erfahrungsausstausch ist wichtig. Denn nur wer
seine Rechte kennt, kann sich auch durchsetzen!