So hoch muss die Abfindung nach einer Kündigung sein - Alle Infos

29. September 2023
Der Kündigungsschutz ist in Deutschland sehr umfassend. Kündigungen durch den Arbeitgeber verstoßen daher oft gegen das Kündigungsschutzgesetz. Wer sich gegen eine Kündigung wehrt, kann oft eine Abfindung durchsetzen. Die Höhe der Abfindung lässt sich sehr einfach berechnen. Kündigungsschutzklage der erste Weg zur Abfindung Mit einer Kündigungsschutzklage kann der Anwalt erreichen, dass die Gekündigten wieder in ihr altes Arbeitsverhältnis zurückkehren. Da das "Klima" zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt jedoch schlecht ist, wird in den meisten Fällen eine Abfindung vereinbart. Wie hoch muss eine Abfindung mindestens sein? Die Regelabfindung beträgt 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr. Je nach Einzelfall können auch deutlich höhere Abfindungen ausgehandelt werden. “Der Faktor 1,0 oder sogar 1,5 pro Beschäftigungsjahr ist keine Seltenheit”, berichtet auch Christian Lange, Rechtsanwalt aus Hannover. “Auch ein Faktor von 2,0 konnte schon erreicht werden.” Der Faktor Betriebszugehörigkeit wird auf volle Jahre auf- oder abgerundet. Beispiel: Erfolgt die Kündigung nach sechs Monaten zur Jahresmitte, wird die Abfindung auf ein volles Jahr aufgerundet. Erfolgt die Kündigung zu Beginn des Jahres, wird der Anspruch abgerundet. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit wird auf volle Jahre auf- oder abgerundet. Erfolgt die Kündigung während des Jahres, wird nach sechs Monaten auf ein volles Jahr aufgerundet. So hoch muss die Abfindung bei einer rechtswidrigen Kündigung mindestens ausfallen: In der Firma gearbeitet (Jahre) Monatsgehälter Durchschnittsverdienst* Ost Durchschnittsverdienst* West 1 0,5 1.330 Euro 1.488 Euro 2 1 2.660 Euro 2.975 Euro 3 1,5 3.990 Euro 4.462 Euro 4 2 5.320 Euro 5.950 Euro 5 2,5 6.650 Euro 7.438 Euro 6 3 7.980 Euro 8.925 Euro 7 3,5 9.310 Euro 10.412 Euro 8 4 10.640 Euro 11.900 Euro 9 4,5 11.970 Euro 13.388 Euro 10 5 13.300 Euro 14.875 Euro Ohne Druck werden die meisten Arbeitgeber keine Abfindung anbieten. Viele Chefs gehen davon aus, dass die Beschäftigten das Kündigungsschutzgesetz nicht kennen. Tatsächlich lassen viele Gekündigte ihren Anspruch auf eine Abfindung verfallen. Die Frist ist auch kurz: Innerhalb von 3 Wochen müssen Gekündigte gegen die Kündigung vorgehen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld bei Kündigung Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Bonuszahlungen, Prämien und Provisionen, die im laufenden Jahr noch gezahlt würden, werden bei der Berechnung berücksichtigt. Muss eine Abfindung versteuert werden? Wenn eine Abfindung gezahlt wird, muss der Arbeitnehmer darauf keine Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Allerdings muss die Abfindung dem Finanzamt gemeldet und als Einkommen versteuert werden. Die gute Nachricht ist jedoch, dass nur ein Fünftel zur Berechnung herangezogen wird – unabhängig von der Steuerklasse. Das bedeutet, dass nur ein Fünftel der gezahlten Abfindung zur Berechnung des Jahreseinkommens herangezogen wird. Nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EstG) kann die Abfindung nicht in voller Höhe in der jährlichen Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden. Stattdessen wird sie nur zu einem Fünftel berücksichtigt. Die Berechnung ist ganz einfach: Die gesamte Abfindung, die der frühere Arbeitgeber gezahlt hat, wird durch fünf geteilt. Nur ein Fünftel wird auf das Jahreseinkommen angerechnet. Dann vergleicht man die anfallende Lohnsteuer mit der Lohnsteuer ohne Abfindung. Die Differenz wird nun mit fünf multipliziert. So erhält man den Betrag, der für die Abfertigung an das Finanzamt abgeführt werden muss. Diese Rechenbeispiele vereinfachen die Berechnung: Fünftelregelung nach Abfindung mit weiterem Einkommen Herr Müller hat 2022 weist ein Jahreseinkommen von 40.000 EUR auf. Er hat eine Abfindung in Höhe von 60.000 EUR erhalten. 1. Einkommensteuer für 40.000 8.246 2. Einkommensteuer für 52.000 (40.000 + 1/5 der Abfindung) 12.662 3. Differenz der Steuerbeträge 4.416 4. Steuer für Abfindung (5 × 4.416) 22.080 Was ist aber, wenn kein weiteres Einkommen erzielt wurde? Dann ändert sich etwas bei der Berechnung. Fünftelregelung nach Abfindung ohne weiteres Einkommen Herr Meyer hat 2022 keinen Arbeitsplatz mehr und keine Einkünfte. Von seinem ehemaligen Arbeitgeber hat er eine Abfindung in Höhe von 100.000 EUR erhalten: 1. Einkommensteuer für 0 0 2. Einkommensteuer für 20.000 (0 + 1/5 der Abfindung) 2.207 3. Differenz der Steuerbeträge (= Steuer für 1/5 der Abfindung) 2.207 4. Steuer für Abfindung (5 × 2.207) 11.035 Oft wird jedoch nach der Kündigung das Arbeitslosengeld 1 bezogen. Wie wird dann die Fünftelregelung berechnet? Fünftelregelung mit Arbeitslosengeld 1 Bezug Herr Sommer hat 2022 wies ein Jahreseinkommen von 20.000 EUR auf und bekam eine Abfindung in Höhe von 100.000 Euro. Zusätzlich hat Herr Sommer Arbeitslosengeld 1 in Höhe von 5.000 Euro erhalten. 1. Einkommensteuer für 20.000 2.207 2. Fiktive Einkommensteuer für 25.000 (20.000 + 5.000 Arbeitslosengeld) 3.562 3. Fiktiver Steuersatz (3.562 von 25.000) 14,248% 4. Einkommensteuer von 20.000 zu 14,248% 2.850 5. Fiktive Einkommenst. für 45.000 (20.000 + 5.000 + 1/5 der Abfindung) 10.014 6. Fiktiver Steuersatz (10.014 von 45.000) 22,2533% 7. Einkommensteuer von 40.000 zu 22,2533% (20.000 + 1/5 der Abfindung) 8.901 8. Differenz der Steuerbeträge (4. Und 7.) (= Steuer für 1/5 der Abfindung) 6.051 9. Steuer für Abfindung (5 × 6.051) 30.255 Abfindung: Berechnung als würde die Abfindung über 5 Jahres erzielt Mit dieser Regelung wird die Abfindung so behandelt, als ob sie über 5 Jahre gleichmäßig verdient worden wäre. Würde diese Regelung nicht angewendet, müsste die Abfindung auf einmal versteuert werden. Von der Abfertigung bliebe dann kaum etwas übrig, weshalb die Fünftelregelung sehr sinnvoll ist. Abfindung bei einem Aufhebungsvertrag Diese Berechnungsgrundlage ist auch wichtig, wenn dem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird. Hier lautet die erste Regel: “Unterschreiben Sie erst einmal nichts! Lassen Sie die Emotionen abklingen und prüfen Sie die Umstände, bevor Sie endgültige Vereinbarungen treffen, die nicht mehr ohne weiteres geändert werden können. Denken Sie daran, dass ein Aufhebungsvertrag eine zwölfwöchige Sperre des Arbeitslosengeldes nach sich ziehen kann, da Sie juristisch gesehen die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben”. Betroffene sollten zunächst prüfen, ob die angebotene Abfindung der Bemessungsgrundlage entspricht. Liegt die Summe deutlich darunter, sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden, der die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber übernimmt. Der Anwalt kann den Arbeitsvertrag und die betriebliche Situation genau beurteilen und die Summe entsprechend nach oben verhandeln. Kündigungsschutzklage ist der erste Weg zur Abfindung Wird kein Aufhebungsvertrag mit entsprechender Abfindung angeboten: “Kündigungsschutzklage prüfen!” Die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage sind oft sehr gut. Viele Arbeitgeber machen beim Ausspruch einer Kündigung Fehler, die dazu führen, dass die Kündigung unwirksam ist”, so der Rechtsanwalt. Sofort arbeitssuchend melden Spätestens drei Tage nach der Kündigung müssen Sie sich telefonisch oder online bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden, um Sperrzeiten beim Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden. Wenn Ihnen gekündigt wurde, können Sie auch Arbeitslosengeld (ALG I) beantragen, wenn Sie vor der Kündigung zwölf Monate beschäftigt waren. Alternativ sollte ein Bürgergeld-Antrag gestellt werden, wenn der Arbeitslosengeld-Anspruch zu gering ausfällt.
Aktuelles
29. September 2023
Der Plan des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil war es, Menschen unter 25, die vom Bürgergeld abhängig sind, von den Arbeitsagenturen betreuen zu lassen - statt von den Jobcentern. Diese Idee ist jetzt Geschichte. Heils Kurswechsel gingen massive Proteste voraus. Sogar die Jobcenter protestierten. Worum ging es? Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte strikte Sparvorgaben vorgelegt. Um diese zu erfüllen, hatte Hubertus Heil (SPD) vorgehabt, junge Arbeitslose unter Bürgergeld nicht mehr von den Jobcentern, sondern von der Arbeitsagenturen betreuen zu lassen. Mit diesem Rechentrick wären Kosten des Ministeriums zur Arbeitslosenversicherung verschoben worden – auf Kosten der vom Bürgergeld Abhängigen. Die Betreuung wäre dann nicht mehr über Steuern finanziert worden, sondern über Arbeitslosenbeiträge. Kritik von Sozialverbänden und Jobcentern Es hagelte Kritik von Organisationen und Menschen, die in das Geschehen involviert sind – direkt oder indirekt. Städte- und Landkreistag, die Bundesagentur, zahlreiche Jobcenter, der Bundesrechnungshof, SPD, Grüne und Die LINKE akzeptierten die Idee nicht. Keine individuelle Betreuung möglich Die Jobcenter sind lokal eingebunden in Netzwerke und vermitteln direkt zwischen den Betroffenen und potenziellen Arbeitgeber:innen haben. Diese Infrastruktur wurde in Jahren mühsam aufgebaut und kann durch zentrale Arbeitsagenturen nicht ersetzt werden. Eine individuelle Betreuung, wäre so nicht möglich. Diese ist gerade für junge Menschen notwendig und gehört zu den elementaren Säulen des Bürgergeldes. Weiterbildungen aus Arbeitslosenversicherung bezahlen Um die von Lindner angemahnten 900 Millionen Euro doch zu sparen, geht das Ministerium für Arbeit und Soziales jetzt an die Weiterbildungen. Bürgergeldempfänger:innen unter 25 Jahren werden also nach wie vor von den Jobcentern betreut. Statt hier die Axt anzusetzen, sollen in Zukunft die Kosten für Weiterbildungen aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Dies betrifft rund 45.000 Menschen. Der Bundeshaushalt würde mit dieser Änderung 720 Millionen Euro einsparen. Arbeitsagentur für Rehabilitation zuständig Die Arbeitsagenturen sollen in Zukunft auch die berufliche Rehabilitation verantworten. Damit sollen, laut heil, weitere 150 Millionen Euro eingespart werden. Insgesamt würde das Ministerium für Arbeit und Soziales also 870 Millionen Euro sparen - das wären 30 Millionen Euro weniger als vorher anvisiert. Heil erhält Zuspruch Frank Bisrske und Beate Müller-Gemmeke, die bei den Grünen Expert/innen für Sozialfragen sind, hatten Heils ursprünglichen Plan, junge Arbeitslose unter die Agentur für Arbeit zu stellen, abgelehnt. Jetzt „begrüßen“ beide „es ausdrücklich“, dass „Bundesminsiter Heil die Bedenken am geplanten Rechtskreiswechsel ernst genommen hat und die jungen Menschen unter 25 Jahren nun weiterhin in den Jobcentern betreut werden sollen.“ Auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, bezeichnet Heils neues Konzept als „sachgerecht“ und unterstützenswert. Kritik von der CDU Hermann Gröhe von der CDU nannte Heils Änderungen hingegen einen „Taschenspielertrick“. Jobcenter und Arbeitsagenturen müssten sich, Gröhe zufolge, künftig mit Fragen der Arbeitsorganisation beschäftigen statt ihren eigentlichen Aufgaben nachzugehen.
29. September 2023
Im Jahr 2024 können Rentnerinnen und Rentner mit einer höheren Rentenerhöhung rechnen als in vielen Jahren zuvor. Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen sagt: „Ab Mitte 2024 bekommen die Rentner mindestens 5,5 bis sechs Prozent mehr. (...) Wenn es in diesem Jahr weitere Lohnerhöhungen gibt, könnten die Renten sogar deutlich über sechs Prozent steigen.“ Sechs Prozent Plus oder mehr Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hält eine Rentenerhöhung von sechs Prozent oder mehr im Jahr 2024 für möglich. Seiner Ansicht nach könnte die Rentenanpassung im kommenden Jahr höher ausfallen als 2023. Zu ähnlichen Zahlen wie Jens Boysen-Hogrefe kommt der Rentenberater und Rechtsanwalt Peter Knöppel. Unter der Annahme, dass die nominalen Steigerungen im dritten Quartal 2023 ähnlich hoch ausfallen wie in den ersten beiden Quartalen des Jahres, könnte die Rentenerhöhung 2024 zwischen sechs und neun Prozent liegen, so Knöppel. Auch der Rentenforscher Martin Werding rechnet für 2024 mit einem kräftigen Rentenplus, das deutlich über dem Niveau von 2023 liegt. Wie kommt die Rentenerhöhung 2024 zustande? Die Rentenerhöhung 2024 ist auf steigende Löhne zurückzuführen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Nominallöhne im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,6 Prozent gestiegen. Im zweiten Quartal waren es sogar 6,6 Prozent. Das ist der höchste Anstieg der Nominallöhne seit 15 Jahren. Da in vielen Branchen Tariferhöhungen anstehen, dürfte sich dieser Trend bis zum Jahresende fortsetzen. Lesen Sie auch: - Rente: 6 Wichtige Änderungen im Oktober 2023: Das sollten Rentner wissen Renten folgen den Löhnen Die Renten und Rentenerhöhungen sind gesetzlich an die Lohnentwicklung gekoppelt. In der Regel steigen die Renten jährlich zum 1. Juli. Sie orientieren sich an der Lohnentwicklung. Umgekehrt sinken die Renten nicht, wenn die Löhne sinken. Dafür sorgt die Rentengarantie, die verhindert, dass die Rente sinkt. Im schlimmsten Fall sinken die Renten also nicht, sondern bleiben auf dem Niveau des Vorjahres. Auch Erwerbsminderungsrente steigt ab 2024 Für die Erwerbsminderungsrente müssen die Expert:innen keine Mutmaßungen anstellen: Hier steht die Erhöhung bereits fest. So kommt am 1. Juli 2024 ein Zuschlag von bis zu 7,5 Prozent für Bestandsrentner:innen mit Erwerbsminderung, wenn deren Erwerbsminderung zwischen Januar 2001 und 31. Dezember 2008 definiert wurde. Was ist der Rentenwert? Der Rentenwert gibt an, was ein Entgeltpunkt wert ist. Solche Entgeltpunkte sammeln Rentenversicherte in all den Jahren, in denen sie in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Die Rente errechnet sich aus den Entgeltpunkten multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert. Der Rentenwert liegt derzeit in Ost und West bei 37,60 Euro. Steigen die Renten weiter? Seit 2012 sind die Renten im Westen um 26 Prozent und im Osten um 40 Prozent gestiegen. Nach 2025 könnte es mit den Rentenerhöhungen erst einmal vorbei sein. Grund dafür ist der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor. Wenn nämlich die Zahl der Rentenbezieher:innen schneller steigt als die der Beitragszahler:innen, dann steigen die Renten weniger als die Löhne. Massive Steigerungen von fünf Prozent und mehr wird es dann wohl nicht mehr geben.
29. September 2023
Beim Bürgergeld und zuvor bei Hartz IV kommen regelmäßig Sozialexperimente in die Medien, in denen Journalisten und andere regulär nicht von Sozialleistungen Betroffenen, eine Zeit vom Regelsatz leben und darüber berichten, wie es ihnen damit erging. Ein Interview mit Monika Gründel (30), ihrem Mann (33) und ihren beiden Kindern im Grundschulalter wurde im Fokus Magazin veröffentlicht und zeigt exemplarisch die Lücken solcher Experimente. „Wir hatten kein schlechtes Leben“ Gründel kam nach fünf Monaten zu dem Fazit: „Aber wir hatten kein schlechtes Leben deswegen. Gar nicht. Nehmen wir den Faktor Lebensmittel. Interessanterweise ist das ein Posten, bei dem wir unterm Strich gar nicht so viel weniger ausgegeben haben als sonst. (…) Regional und saisonal, das hat Prio eins. Ich bin zum Beispiel Stammkundin bei einem Kartoffelhäuschen. (…) Ich habe den Eindruck, viele Leute wissen das gar nicht, denen fehlt dieses grundlegende Wann, Wie, Wo, das man für ein gutes Wirtschaften braucht. Gerade Spontankäufe gehen unheimlich ins Geld.“ Wo sind die Lücken? Ein Kernproblem dieser subjektiven Darstellung ist, dass Gründels Erfahrung die Lebensrealität unzähliger Menschen, die Bürgergeld erhalten, nicht spiegelt, sondern im Gegenteil die Verantwortung auf das „richtige Kaufverhalten“ der Betroffenen verlagert. Dass ein „grundlegendes Wann, Wie, Wo“ durchgehend möglich wäre, hat mit der Wirklichkeit vieler vom Regelbedarf Abhängiger nur sehr wenig zu tun. Um zum Beispiel gesundes Nahrung zuzubereiten, muss das entsprechende Equipment in der Küche erst einmal vorhanden sein, was es bei denjenigen, die das Experiment durchführen, auch ist, da sie nicht bereits vorher am Existenzminimum lebten. Sasa Zatata schreibt: "Der Mensch oder die Familie, die ein solches Sozialexperiment macht, haben in der Regel ein sonst deutlich monatliches höheres Einkommen zur Verfügung als Menschen im Sozialleistungsbezug. (…) Daraus folgt, dass zu Beginn des Experiments zumeist auf einen vollen und funktionstüchtigen Haushalt und Vorräte (auch Putz- und Hygieneprodukte) zurückgegriffen werden kann. Eine Grundausstattung an Lebensmitteln ist vorhanden, wie z.B. Gewürze und Öle." Wenige Monate haben kaum Aussagekraft Zatata erörtert zudem, dass die Dauer dieser Sozialexperimente von wenigen Monaten zu kurz ist. Wer, so Zatata, seit Jahren von Sozialleistungen lebt und „und nicht mehr aus besseren Zeiten zehren“ könne, habe eine andere Realität als im Sozialexperiment. Was passiert, so Zatata, zum Beispiel, wenn Kühlschrank oder Waschmaschine kaputt gehen, die Stromrechnung mit massiv gestiegenen Preisen kommt oder medizinische Leistungen anstehen, die die Krankenkasse nicht übernimmt. Auch Steuern und Versicherungen würden (meist) nicht gerade in den Monaten des Experimentes anfallen. Falsche Kalkulationen Monika Gründel und ihr Ehemann sind Anfang 30, und, offensichtlich, wie ihre Kinder, im Vollbesitz der körperlichen Kräfte. Sehr viele Menschen, die von Sozialleistungen leben müssen, sind dies jedoch nicht. Wer auf Dauer, so Zatata, vom Bürgergeld eine besondere Ernährung bestreiten müsse, weil er oder sie krank sei, Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien habe, der oder die müsse anderes kalkullieren. Auch die Kosten für die Mobilität bei gehbehinderten Menschen würden in solchen Sozialexperimenten nicht mitgedacht, und bei Pflegebedürftigen sähen die Probleme noch ganz anders aus.
29. September 2023
Bei Abgabe der Steuererklärung gibt es einige Möglichkeiten, Geld zu sparen, indem Sie Kosten, die Sie hatten, bestimmte Lebensumstände oder Tätigkeiten, von der Steuer abziehen lassen können. Hier stellen wir Ihnen Beispiele vor. Diese 12 Gründe helfen dabei, um Steuern zu sparen. Das Ehegattensplitting Wenn Sie heiraten oder eine Lebenspartnerschaft eingeht, kann das Ehegattensplitting nutzen. Wenn Sie eine gemeinsame Steuererklärung abgeben und Zusammenveranlagung wählen, dann lohnt sich dies besonders, wenn der Unterschied im Einkommen zwischen beiden Partnern groß ist. Verdienen beide gleich viel, ändert sich wenig. Das Finanzamt rechnet die Einkommen beider Partner zusammen und teilt dann durch zwei. Die Steuerlast wird nach dem halben Gesamteinkommen bemessen, und das wird danach verdoppelt. Einen Steuervorteil kann dies insofern bringen, weil niedrigere Einkommen geringer besteuert werden als höhere. Durch die gleiche Aufteilung wird das höhere Einkommen eines Partners, das eine höhere Steuerlast bedeutet, dann nichtmehr als solches gewertet. Beginn einer neuen Tätigkeit Eine Steuererklärung bezieht sich auf ein ganzes Jahr. Wer im Laufe eines Jahres einen Job beginnt, zuvor arbeitslos war, ein Sabbatical einlegte oder studierte, der oder die muss deutlich weniger Steuern zahlen als jemand, der die ganzen zwölf Monate Lohn erhielt. Fahrtkosten absetzen Fahrtkosten lassen sich zum Teil von der Steuer abziehen. Dies lohnt sich umso mehr, je länger der Weg zur Arbeit ist. Die ersten 20 Kilometer werden pauschal mit 30 Cent pro Kilometer berechnet, jeder Kilometer darüber hinaus sogar mit 38 Cent. Dies ist unabhängig davon, wie Sie zur Arbeit kommen. Besonders lohnen sich Arbeitswege über 20 Kilometer für Geringverdiener, deren Gesamteinkommen unter dem Grundfreibetrag von 10.908 Euro liegt. Diese haben mit Abgabe der Steuererklärung einen Anspruch auf die sogenannte Mobilitätsprämie. Fortbildungen als Werbungskosten Wenn Sie für ihren Job in Anschaffungen investieren oder Fort- und Weiterbildungen absolvieren, die ihr Arbeitgeber nicht bezahlt, dann können Sie diese als Werbungskosten notieren. Hinzu kommt ein Zuschlag für Arbeit im Homeoffice. Ein solcher beträgt sechs Euro pro Tag. Berufsbedingter Umzug Wenn Sie wegen ihres Berufs umziehen müssten, dann kann dies unter Werbungskosten bei der Steuer abgezogen werden. Das gilt zum Beispiel, wenn Sie durch den Umzug mindestens eine Stunde Fahrzeit pro Tag zur Arbeitsstelle sparen, wenn Sie aus dem Ausland zurückkehrten, oder wenn Sie eine neue Stelle in einer anderen Stadt antreten. Fahrtwege zu Wohnungsbesichtigungen, Maklergebühren, doppelte Mietzahlungen, Möbeltransport – dies alles können Sie unter Werbungskosten verbuchen. Hier gilt allerdings keine Pauschale. Diese Kosten müssen Sie belegen. Zudem gibt es eine Umzugspauschale, die Sie nicht im Detail belegen müssen. Diese liegt derzeit bei 886 Euro und für jede weitere Person der Kernfamilie (Partner, Kinder, Stief- und Pflegekinder) bei 590 Euro pro Kopf. Kirchensteuer absetzen Wenn Sie getauft und nicht aus der Kirche ausgetreten sind, dann bezahlen Sie bis zu neun Prozent Kirchensteuer. Diese wird in der Steuererklärung wie eine Spende gehandhabt und kann unter Sonderausgaben eingetragen werden. Kinderbetreuung von der Steuer absetzen Wenn Sie Kinder haben, können Sie die Kosten für die Betreuung während der Arbeitszeit von der Steuer absetzen, also Kita-Gebühren ooder Schulgeld. Sie geben die Kosten unter Sonderausgaben ein. Bis zu zwei Drittel der Kosten spoaren Sie auf diese Art, indessen nicht mehr als 4000 Euro pro Kind. Ausgewöhnliche Belastungen durch Krankheit Belastungen durch Krankheit können von der Steuer abgezogen werden. Das gilt, wenn diese die zumutbare Belastungsgrenze überschreiten. Diese wird nach dem Einkommen, dem Familienstand und der Zahl der Kinder berechnet. Unter diese Kosten fallen zum Beispiel rezeptpflichtige Medikamente, Arztkosten oder Geräte, deren Anschaffung wegen der Krankheit nötig ist. Keine Energiepreispauschale erhalten? 2022 gab es eine Energiepreispauschale von 300 Euro- Wer diese nicht erhielt, kann das Geld bei der Steuererklärung einfordern. Die Pauschale wird dann vom Finanzamt automatisch berücksichtigt. Sonderzahlungen wie Abfindungen Extrazahlungen wie Boni und Abfindungen führen bisweilen dazu, dass der Arbeitgeber ungewöhnlich viel Lohnsteuer abführt. Wenn dies der Fall ist, lassen sich solche im Voraus zu viel gezahlten Steuern über die Steuererklärung zurückbekommen. Abgeltungssteuer prüfen Zu viel geleistete Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge lassen sich bei der Steuererklärung geltend machen. Wenn jemand 25 Prozent Abgeltungssteuer bezahlte, während sein oder ihr Grenzssteuersatz unter 23 Prozent lag, dann erstattet das Finanzamt die Differenz. Das gilt besonders für Geringsverdiener:innen, Rentner:innen mit kleiner Rente und Studierende. Haussanierung absetzen Bis zu 1200 Euro und generell 20 Prozent der Arbeitskosten für Haussanierungen lassen sich unter „Haushaltsnahe Dienstleistrungen“ von der Steuer abziehen. Bei einer selbst bewohnten Immobilie lassen sich sogar bis zu 40.000 Euro absetzen. Hier müssen die Kosten unter dem Punkt „Energetische Maßnahmen“ eingetragen werden. Dies gilt indessen nur, wenn für diese Arbeit nicht zugleich eine staatliche Förderung bezogen wurde. Steuerklärung und Bürgergeld-Bezug? Lohnt sich auch eine Steuererklärung bei gleichzeitigem Bezug von Bürgergeld? Dazu lesen Sie mehr hier.
29. September 2023
Lebt ein auf Bürgergeld angewiesenes Kind für einige Tage pro Woche bei dem getrennt lebenden Vater, muss deshalb die Mutter nicht automatisch mit weniger Jobcenter-Leistungen auskommen. Bezieht der Vater kein Bürgergeld, liegt nur eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Mutter und Kind vor, so dass die Mutter das volle Sozialgeld für das Kind beanspruchen kann, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Donnerstag, 28. September 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 7 AS 13/22 R). Wenn beide Elternteile Bürgergeld beziehen gelten andere Regeln Anderes gelte allerdings, wenn beide Elternteile Jobcenterleistungen erhalten. Dann lägen zwei sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaften vor, so dass der Vater für Tage mit seinem Kind anteilig mehr Leistungen vom Jobcenter beanspruchen kann, die Mutter dafür weniger. Im konkreten Fall ging es um einen zum Streitzeitpunkt neunjährigen Jungen, der vom Jobcenter Flensburg Sozialgeld erhielt. Er lebte im Haushalt seiner damals Arbeitslosengeld II beziehenden und getrennt lebenden Mutter. Mehrere Tage pro Woche verbrachte das Kind auch bei dem Vater. Das Jobcenter rechnete die Kinderbetreuung taggenau ab. Für Tage, an denen sich der Junge bei seinem Vater aufhielt, zahlte es der Mutter anteilig weniger Bürgergeld aus. Die Mutter meinte, dass damit eine Unterdeckung ihres Existenzminimums vorliege. Die Kürzung führe dazu, dass sie im Sozialgeld enthaltene dauerhafte Bedarfe schlechter ansparen könne. Dazu zählten etwa Bedarfe für den Ersatz von Haushaltsgeräten, Kleidung oder auch für Energie-Grundkosten und Wohnungsinstandhaltung. BSG: Bei nur einer Bedarfsgemeinschaft erhält Mutter volle Leistung Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein zurück. Weder sei festgestellt, ob der Vater ebenfalls Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, noch ob die Eltern sich das Umgangsrecht gleichermaßen aufgeteilt haben. Befänden sich beide Elternteile im Hilfebezug, liege mit dem Umgang des Kindes bei dem Vater eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft vor. An den Tagen, an denen das Kind sich beim Vater länger als zwölf Stunden aufhalte, könne dieser hierfür höhere Hilfeleistungen vom Jobcenter verlangen. Der Mutter dürften dann tagesanteilig die Leistungen gekürzt werden. Befinde sich aber nur die Mutter im Leistungsbezug, liege nur eine einzelne Bedarfsgemeinschaft mit dem Kind vor. In diesem Fall dürfe das Jobcenter wegen des Umgangs des Kindes mit dem Vater das an die Mutter gezahlte Sozialgeld nicht kürzen, sofern sie den Sohn überwiegend betreut, urteilte hierzu erstmals das BSG. Ob dies auch bei einem sogenannten paritätischen Wechselmodell gilt, bei dem Eltern sich den Umgang mit dem Kind genau teilen, ließ das BSG offen. fle/mwo
29. September 2023
Das Leibniz-Institut für Wirtschafsforschung an der Universität München e.V. (ifo Institut) will ausgerechnet haben, dass durch die Änderungen in der Grundsicherung 172.000 Menschen mehr in Arbeit gebracht werden könnten - zu Lasten jedoch vor allem der alleinstehenden und kinderlosen Bürgergeldbezieher. Grenzen des Hinzuverdienstes neu berechnen Die Vertreter dieser Forderung, Dr. Maximilian Blömer, Lily Fischer und Professor Dr. Andreas Peichl behaupten, die Transferentzugsraten in der Grundsicherung würden die Betroffenen davon abhalten, mehr zu arbeiten. Dabei beziehen sie sich auf die Grenzen des Hinzuverdienstes beim Bürgergeld. In der jetzigen Regelung bleiben 100 Euro, die Bürgergeld-Bezieher/innen hinzuverdienen, als Grundfreibetrag erhalten. Bei Zuverdienst ab 100 bis 520 Euro bleiben nur zu 20 Prozent anrechnungsfrei, Zuverdienste über 520 bis zu 1.000 Euro sind dann zu 30 Prozent anrechnungsfrei. Von 1.000 bis zu 1.200 Euro werden nur zehn Prozent nicht eingezogen. Was schlägt das ifo Institut vor? Das ifo Institut schlägt vor, geringen Zuverdienst voll anzurechnen und höheren Zuverdienst dafür weniger anzurechnen als bisher. So sollten Einnahmen von bis zu 360 Euro voll einbehalten werden. Dafür würden bei Einnahmen ab 361 Euro 40 Prozent anrechnungsfrei. Das trifft vor allem Minijobber. Haushalte mit Kindern sollten 100 Euro anrechnungsfrei verdienen dürfen, bei ihnen sollten zwischen 101 und 360 Euro 80 Prozent angerechnet werden und über 360 Euro 60 Prozent. Letzteres wäre dasselbe wie bei Haushalten ohne Kinder. Kein Wohngeld und kein Kinderzuschlag Das ifo Institut schlägt außerdem vor, das Wohngeld und den Kinderzuschlag für Geringverdiener völlig abzuschaffen und in das Bürgergeld aufzunehmen, um das Gesamtsystem zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Änderungen der Besteuerung Bei der Besteuerung von Beziehern entsprechender Sozialleistungen möchte das Institut das Ehegattensplitting in ein realitätsgerechtes Splitting umwandeln. Kinderfreibetrag, Grundfreibetrag und Werbungskostenpauschale sollten deutlich angehoben werden, der Grundfreibetrag um 500 Euro und die Werbungskostenpauschale um 200 Euro. Laut ifo Institut würden durch diese Maßnahmen die geleisteten Arbeitsstunden ohne Kosten für den Staat um 184.000 Vollzeitstellen steigen und 172.000 Menschen eine Beschäftigung aufnehmen. Laut den Berechnungen des ifo Instituts würden die neuen Regelungen den meisten Bezieher von Bürgergeld mehr Geld bringen als ihnen derzeit zur Verfügung steht. So hätten Alleinstehende 100 Euro mehr, Alleinerziehende 251 Euro mehr und Paare mit Kindern sogar 634 Euro mehr. Paare ohne Kinder hätten dagegen Einbußen, nämlich 190 Euro. Ohne Kinder bekämen die Betroffenen 22 Euro weniger als heute, mit einem Kind 336 Euro mehr, mit zwei Kindern 752 Euro mehr und mit drei Kindern sogar 1.100 Euro mehr. Minijobs – Hemmnis oder Einstieg in den Arbeitsmarkt Kritisch zu sehen ist der volle Einzug des Verdienstes bei Minijobs unter 360 Euro. Gerade solche Kleinjobs sind für viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, eine Möglichkeit, wieder in den Arbeitsmarkt zu gelangen - und allzuoft die einzige Perspektive noch „mit einem Bein“ im Beruf zu bleiben. Faktisch werden gerade diese Menschen mit der vollen Anrechnung ihres Verdienstes sanktioniert.
29. September 2023
Verfahren vor Sozialgerichten dauern zu lange, zumindest in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im Durchschnitt endet ein, oft einfach zu entscheidendes, Verfahren erst nach bis zu drei Jahren. Dabei handelt es sich bei Konflikten über Sozialleistungen oft um Menschen, die am Existenzminimum leben. Für diese Betroffenen ist es existentiell, auch Konflikte über kleine Geldbeträge zu klären. Selbst wenn nämlich Beträge Jahre später nachbezahlt werden, lindert das für die Betroffenen nicht ihre Not im Hier und Heute. Warum dauern die Verfahren so lange? Die Gründe, warum die Verfahren so lange dauern, sind zum einen Klagewellen der letzten Jahre, die heute nur langsam abgearbeitet werden können. Zuglich gehen bald eine Menge an Richtern und Richterinnen in Pension. So können die Berge an unbearbeiteten Klagen wegen Personalmangels noch schlechter abgetragen werden. Eine Umfrage zeigte, dass mehr als 80 Prozent der befragten Bürger/innen die Länge der Verfahren kritisieren. Drei von vier der Befragten sehen die Gerichte als überlastet an. Klagewelle durch Hartz IV Die Einführung von Hartz IV führte seit 2005 zu einer großen Menge an Klagen, und diese konnten bis heute nicht vollständig behandelt werden. In Chemnitz und Leipzig liegt die durchschnittliche Wartezeit bis zum Urteil bei drei Jahren, in Dresden und Halle bei zwei Jahren, und in Chemnitz bei etwas über einem Jahr. Sozialgericht statt Jobcenter? Doch nicht nur der Stapel an Klagen selbst verzögert, dass Verfahren zügig beendet werden. In manchen Fällen werden die Sozialgerichte auch unnötig beschäftigt, weil sie faktisch erledigen sollen, was Kernaufgabe des Jobcenters ist - Menschen, die Bürgergeld beziehen (oder zuvor Hartz IV) dazu beraten, wie deren Ansprüche berechnet werden. Richter müssen Bescheide der Jobcenter erklären So berichtet der Mitteldeutsche Rundfunk über den Fall eines Selbstständigen, der während des Corona-Lockdowns Arbeitslosengeld bezog. Von diesem forderte das Jobcenter einen Teil des Geldes zurück, und er legte Widerspruch ein. Der Mann selbst sagte, dass es ihm im Prinzip nur um ein aufklärendes Gespräch gegangen sei. Eine solche Beratung / Aufklärung hätte er aber vom Jobcenter nie bekommen. Dabei handelt es sich hier um wesentliche Aufgaben dieser Behörde und keinesfalls um die Aufgaben eines Beschwerdegerichtes. Die in diesem Fall zuständige Richterin erklärte, laut MDR, dass sie in vielen Verhandlungen die Bescheide der Jobcenter erklären müsste. Das aber wäre wiederum die Aufgabe der Jobcenter. Sozialgerichte müssen selbst ermitteln Ein weiterer Faktor, der Verfahren in die Länge zieht, betrifft speziell Sozialgerichte. Deren Richter:innen müssen nämlich, im Unterschied zu anderen Gerichten, die Fakten und Beweise im Verfahren selbst ermitteln. Dazu müssen ihnen andere Behörden, vor allem die Jobcenter, die Quellen liefern. Derlei Unterlagen anzufordern und zu erhalten, kostet schnell Monate. Auch bis Gutachten erstellt sind, dauert es meist lange. Je komplexer ein Verfahren ist, je mehr Unterlagen gesichtet werden müssen, und je mehr Behörden in die zu behandelnden Fragen involviert sind, umso zähflüssiger wird das Verfahren. Eine vom MDR vorgestellte Richterin am Sozialgericht hat noch Fälle von 2016, die bisher nicht bearbeitet werden konnten. Probleme mit der Personalpolitik Es ist nicht zu erwarten, dass sich das Problem durch ein zusätzliches Einstellen vieler Jurist:innen lösen würde. Denn die bundesweit vereinheitlichte Berechnung für den Personalbedarf der Gerichte bezieht sich nur auf die eingegangenen Verfahren des Vorjahrs. Das wesentliche Problem der Sozialgerichte ist aber der Stapel an Klagen vieler vergangener Jahre und dieser wird von der Personalpolitik nicht erfasst.
28. September 2023
Läuft die elektrische Heizung über den gleichen Zähler wie der Haushaltsstrom, führt dies beim Jobcenter und bei der Grundsicherung/Bürgergeld zur teilweisen Übernahme der Stromabschläge und Nachzahlungen. Wenn die Wohnung mangels anderer Möglichkeiten zumindest teilweise elektrisch mit Nachtspeicheröfen, elektrischen Radiatoren oder anderen elektrischen Heizgeräten beheizt wird, dieser Strom aber nicht über einen separaten Zähler läuft, kommt es häufig zu Problemen mit dem Amt. Denn dann steht das Jobcenter/Sozialamt vor dem Problem, dass Heizkosten zu übernehmen sind, diese aber nicht separat erfasst werden. Ich habe schon oft die Haltung gehört, dann gibt es nichts zu übernehmen. Das ist aber falsch. Ermittlung der Heizkosten Das Jobcenter/Sozialamt muss aufgrund des Amtsermittlungsprinzips die Kosten für die Beheizung bestimmen, nicht der Leistungsberechtigte. Es kann entweder anhand von Wattzahl und der Betriebsstunden von einem qualifizierten Profi den Verbrauch schätzen lassen oder: Den Stromabschlag abzüglich des im Regelbedarf enthaltenen Stromanteils (und ggf. dem Mehrbedarf Warmwasser) als Heizkosten übernehmen. Logischerweise dann auch die anfallende Nachzahlungen. Die Denkweise dahinter: Der Abschlag ist klar und es gibt keinen Anhaltspunkt für einen überdurchschnittlichen Haushaltsstromverbrauch der Berechtigten. Der durchschnittliche Verbrauch ist im Regelbedarf erfasst, daher Abschlag - Regelbedarfsanteil(e) = Heizstrom. Regelbedarfsanteile für Strom Im Regelbedarf sind aktuell für Strom enthalten: Alleinstehende: 40,73€ Mit Partner: 36,63€ 18-24 im Haushalt der Eltern: 32,60€ 14-17J: 21,32€ 6-13J: 15,43€ 0-5J: 8,99€ Quelle: Aufteilung des Regelbedarfs von Rüdiger Böker Stromheizung - ein Joker... Da diese Summen aber unrealistisch niedrig sind, führt dies dazu, dass ein Teil real als Haushaltsstrom verbrauchten Stroms als Heizstrom vom Jobcenter übernommen wird. Daher ist die Stromheizung eigentlich ein Joker. Formulierungsvorschlag Sehr geehrte Damen und Herren, Hiermit beantrage ich die Übernahme meiner Heizkosten für die (teilweise) elektrische Beheizung meiner Wohnung mit Strom. (Beschreibung der Heizsituation, zB mein Schlafzimmer wird mit einem Elektroradiator beheizt) Leider gibt es für die genannten Räume keine andere Heizmöglichkeit. Problematischerweise wird der Strom für die elektrischen Heizgeräte nicht separat erfasst, sondern läuft mit über den Zähler für den Haushaltsstrom. Daher ist es nicht möglich, den Verbrauch konkret zu erfassen und zu beziffern. Das BayLSG hat mit dem Urteil vom 7.10.2013 - 7 AS 644/13 B ER die inzwischen übliche Lösung entwickelt, in solchen Fällen den Abschlag abzüglich des Regelbedarfsanteils für Strom (und ggf. des Mehrbedarfs Warmwasser) als Heizkosten zu übernehmen. Da unser Abschlag xx€ beträgt und im Regelbedarf yy€ für Strom enthalten sind, betragen unsere Stromheizkosten... €. (xx€-yy€=... €) Daher beantrage ich die Übernahme dieser Summe und der Nachzahlungen als Heizkosten und die diesbezügliche Überprüfung der Bescheide seit 01/2022 (oder wenn später: Beginn Leistungsbezug/Einzug). Anbei die Jahresrechnungen der letzten zwei Jahre. Sollten Sie zur Bearbeitung noch Unterlagen benötigen oder Fragen offen bleiben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Mit freundlichen Grüßen Als Anlage dazu noch das verlinkte Dokument: Aufteilung des Regelbedarfs von Rüdiger Böker Rechtsgrundlagen - §22 Abs 1 SGB II - Heizkosten - BayLSG vom 7.10.2013 - 7 AS 644/13 B ER - Berechnung des Heizstromanteils bei gemischter Erfassung von Haushalts- und Heizstrom Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
28. September 2023
"Kann ich mich einfach bei der GEZ abmelden?" Diese und ähnliche Fragen zum Rundfunkbeitrag erreichen unsere Redaktion immer wieder. Tatsächlich können sich Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe und Bürgergeld sowie Geringverdienerinnen und Geringverdiener vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder die Abschaffung des Rundfunkbeitrags gefordert. Das ist in bestimmten Fällen möglich. Allerdings: Seit der Abschaffung der GEZ sind jedoch alle volljährigen Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, den Rundfunkbeitrag für eine Wohnung zu entrichten. Gründe warum der Rundfunkbeitrag nicht abgemeldet werden kann Zunächst einmal die Gründe, die keine Abmeldung möglich machen: Kein Abmeldegrund ist, wer nur private Sender schaut oder nur Radio hört. Auf die wirkliche Nutzung kommt es beim Rundfunkbeitrag nicht an. Kein Grund für eine Abmeldung ist, wer in eine bisher unbewohnte Wohnung zieht und dort niemand anderes angemeldet werden soll. Denn dann zahlt bislang noch niemand für die Wohnung den Rundfunkbeitrag. In diesem Fall muss der Beitragsservice von ARD und ZDF informiert werden. Kein Abmeldegrund besteht, wer den Rundfunkbeitrag im Grundsatz ablehnt. Allerdings bestehen sehr wohl Abmeldegründe. Der Rundfunkstaatsvertrag regelt, wann und von wem ein Rundfunkbeitrag verlangt werden darf. Laut diesem Vertrag darf ein Beitragskonto nur dann abgemeldet werden, wenn ein Gewerbe aufgegeben wird oder die Person umzieht. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zwischen allen 16 Bundesländern regelt, welche Rundfunkbeiträge wann und von wem erhoben werden. Danach kann ein Beitragskonto nur abgemeldet werden, wenn Sie eine gewerbliche Tätigkeit aufgeben oder umziehen: Gründe wann der Rundfunkbeitrag abgemeldet werden kann Wer seine Wohnung aufgibt und in die Wohnung eines anderes dazu zieht, in der schon eine andere Person den Rundfunkbeitrag entrichtet. Wer seinen Wohnsitz in Deutschland aufgibt und ins Ausland zieht. Dann darf man allerdings keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben Wer sein Gewerbe aufgibt für eine Zweitwohnung muss ebenfalls nicht gezahlt werden, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. Dies muss allerdings dem Beitragsservice "pro aktiv" selbst mitgeteilt werden! Vom Rundfunkbeitrag befreien lassen Wer Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II (Hartz IV), BAföG, Grundsicherung oder auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, kann sich vom Rundfunkbeitrag für die Dauer des Bezugs befreien lassen. Wie das funktioniert, haben wir hier beschrieben. Wer zu wenig verdient Wer zu wenig verdient und nur ganz knapp über den sozialrechtlichen Regelsätzen mit seinem Verdienst liegt, kann sich ebenfalls befreien lassen. Wann dies gilt, haben wir hier genau beschrieben. Wie melde ich mich vom Rundfunkbeitrag ab Wer sich abmelden kann, sollte dieses Formular ausfüllen. Achtung: Die Abmeldung ist nicht gleichzusetzen mit einer Befreiung. Hierfür existieren gesonderte Formulare. Wer sein Gewerbe abgemeldet hat und deshalb keinen Rundfunkbeitrag mehr zahlt, muss den Beitragsservice selbst anschreiben. Die Anschrift lautet: "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, 50656 Köln". Es ist davon auszugehen, dass die Abmeldebescheinigung vom Gewerbeamt angefordert wird. Immer nachfragen! Die Zahlungspflicht erlischt erst mit der Bestätigung, dass das Beitragskonto tatsächlich abgemeldet wurde. Deshalb sollte man immer am Ball bleiben und nachfragen. Nicht selten werden Anträge nur schleppend bearbeitet oder gehen sogar verloren.
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Regelleistungen auf einen Blick
Wir haben Ihnen eine detailierte Liste mit allen Regelleistungen erstellt, um Ihnen einen Einblick in die ALG II Regelleistungen zu geben. ALG II Regelleistungen
Wichtige Fragen & Antworten zu Hartz 4
Täglich erreichen uns zahlreiche Emails mit wiederkehrenden. Noch immer herrscht eine große Verunsicherung gegenüber den zahlreichen Sozialgesetzen und deren Auswirkungen im Alltag. Wir haben einige dieser Frage für Sie zusammen gestellt und veröffentlichen hiermit unsere Antworten. Wichtige Fragen & Antworten
Forum zum ALG II
Sie sind nicht allein!
"Ratschläge & Meinungen" austauschen ist das Motto unseres Forums. Sie haben die Möglichkeit sich kostenlos anzumelden und mit über 7000 Forenteilnehmer zu diskutieren sowie wichtige Fragen zum Arbeitslosengeld zu erörtern. Treffen Sie zahlreiche Menschen, denen es ähnlich ergeht, wie Ihnen selbst. Durch einen regen Austausch können die eigenen Rechte gestärkt werden! Durch eine Vernetzung können sich Betroffene gegenseitig stärken. Die Teilnahme im Forum ist unverbindlich und selbstverständlich jetzt und auch in Zukunft OHNE Kosten verbunden.
Selbstverständnis
Von der Arbeitsmarktreform sind Millionen von Menschen betroffen. Vieles ist im SGB II unklar und auf die individuellen Bedarfe des Einzelnen zu pauschal ausgelegt. Laut einiger Erhebungen, sollen nur rund 50 Prozent aller Bescheide der Jobcenter mindestens teilweise falsch und rechtswidrig sein. Das bedeutet für die Menschen oft tatsächliche Beschneidungen in Grundrechten und Ansprüchen.
Diese Plattform will daher denen eine Stimme
geben, die kein Gehör finden, weil sie keine gesellschaftliche
Lobby besitzen. Bezieher von Arbeitslosengeld II Leistungen werden
nicht selten als "dumm" oder "faul" abgestempelt. Es reicht nicht,
dass Leistungsberechtigte mit den täglichen Einschränkungen zu
kämpfen haben- nein es sind auch die täglichen Anfeindungen in
den Jobcentern, in der Schule, in der Familie oder auf der Straße.
Neben aktuellen Informationen zur Rechtssprechung konzentrieren
wir uns auch auf Einzelfälle, die zum Teil skandalös sind. Wir
decken auf und helfen damit automatisch den Betroffenen. Denn wenn
eine Öffentlichkeit hergestellt wurde, müssen die Ämter agieren.
Sie bekommen dadurch Druck.
In unserem
Forum leisten viele Freiwillige ehrenamtliche
Hilfe. Sie können weiterhelfen und eine Art "Nachbarschaftliche
Hife" bieten. Der Erfahrungsausstausch ist wichtig. Denn nur wer
seine Rechte kennt, kann sich auch durchsetzen!