Bürgergeld-Experiment zeigt nicht die Realität

29. September 2023
Beim Bürgergeld und zuvor bei Hartz IV kommen regelmäßig Sozialexperimente in die Medien, in denen Journalisten und andere regulär nicht von Sozialleistungen Betroffenen, eine Zeit vom Regelsatz leben und darüber berichten, wie es ihnen damit erging. Ein Interview mit Monika Gründel (30), ihrem Mann (33) und ihren beiden Kindern im Grundschulalter wurde im Fokus Magazin veröffentlicht und zeigt exemplarisch die Lücken solcher Experimente. „Wir hatten kein schlechtes Leben“ Gründel kam nach fünf Monaten zu dem Fazit: „Aber wir hatten kein schlechtes Leben deswegen. Gar nicht. Nehmen wir den Faktor Lebensmittel. Interessanterweise ist das ein Posten, bei dem wir unterm Strich gar nicht so viel weniger ausgegeben haben als sonst. (…) Regional und saisonal, das hat Prio eins. Ich bin zum Beispiel Stammkundin bei einem Kartoffelhäuschen. (…) Ich habe den Eindruck, viele Leute wissen das gar nicht, denen fehlt dieses grundlegende Wann, Wie, Wo, das man für ein gutes Wirtschaften braucht. Gerade Spontankäufe gehen unheimlich ins Geld.“ Wo sind die Lücken? Ein Kernproblem dieser subjektiven Darstellung ist, dass Gründels Erfahrung die Lebensrealität unzähliger Menschen, die Bürgergeld erhalten, nicht spiegelt, sondern im Gegenteil die Verantwortung auf das „richtige Kaufverhalten“ der Betroffenen verlagert. Dass ein „grundlegendes Wann, Wie, Wo“ durchgehend möglich wäre, hat mit der Wirklichkeit vieler vom Regelbedarf Abhängiger nur sehr wenig zu tun. Um zum Beispiel gesundes Nahrung zuzubereiten, muss das entsprechende Equipment in der Küche erst einmal vorhanden sein, was es bei denjenigen, die das Experiment durchführen, auch ist, da sie nicht bereits vorher am Existenzminimum lebten. Sasa Zatata schreibt: "Der Mensch oder die Familie, die ein solches Sozialexperiment macht, haben in der Regel ein sonst deutlich monatliches höheres Einkommen zur Verfügung als Menschen im Sozialleistungsbezug. (…) Daraus folgt, dass zu Beginn des Experiments zumeist auf einen vollen und funktionstüchtigen Haushalt und Vorräte (auch Putz- und Hygieneprodukte) zurückgegriffen werden kann. Eine Grundausstattung an Lebensmitteln ist vorhanden, wie z.B. Gewürze und Öle." Wenige Monate haben kaum Aussagekraft Zatata erörtert zudem, dass die Dauer dieser Sozialexperimente von wenigen Monaten zu kurz ist. Wer, so Zatata, seit Jahren von Sozialleistungen lebt und „und nicht mehr aus besseren Zeiten zehren“ könne, habe eine andere Realität als im Sozialexperiment. Was passiert, so Zatata, zum Beispiel, wenn Kühlschrank oder Waschmaschine kaputt gehen, die Stromrechnung mit massiv gestiegenen Preisen kommt oder medizinische Leistungen anstehen, die die Krankenkasse nicht übernimmt. Auch Steuern und Versicherungen würden (meist) nicht gerade in den Monaten des Experimentes anfallen. Falsche Kalkulationen Monika Gründel und ihr Ehemann sind Anfang 30, und, offensichtlich, wie ihre Kinder, im Vollbesitz der körperlichen Kräfte. Sehr viele Menschen, die von Sozialleistungen leben müssen, sind dies jedoch nicht. Wer auf Dauer, so Zatata, vom Bürgergeld eine besondere Ernährung bestreiten müsse, weil er oder sie krank sei, Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien habe, der oder die müsse anderes kalkullieren. Auch die Kosten für die Mobilität bei gehbehinderten Menschen würden in solchen Sozialexperimenten nicht mitgedacht, und bei Pflegebedürftigen sähen die Probleme noch ganz anders aus.
Aktuelles
29. September 2023
Bei Abgabe der Steuererklärung gibt es einige Möglichkeiten, Geld zu sparen, indem Sie Kosten, die Sie hatten, bestimmte Lebensumstände oder Tätigkeiten, von der Steuer abziehen lassen können. Hier stellen wir Ihnen Beispiele vor. Diese 12 Gründe helfen dabei, um Steuern zu sparen. Das Ehegattensplitting Wenn Sie heiraten oder eine Lebenspartnerschaft eingeht, kann das Ehegattensplitting nutzen. Wenn Sie eine gemeinsame Steuererklärung abgeben und Zusammenveranlagung wählen, dann lohnt sich dies besonders, wenn der Unterschied im Einkommen zwischen beiden Partnern groß ist. Verdienen beide gleich viel, ändert sich wenig. Das Finanzamt rechnet die Einkommen beider Partner zusammen und teilt dann durch zwei. Die Steuerlast wird nach dem halben Gesamteinkommen bemessen, und das wird danach verdoppelt. Einen Steuervorteil kann dies insofern bringen, weil niedrigere Einkommen geringer besteuert werden als höhere. Durch die gleiche Aufteilung wird das höhere Einkommen eines Partners, das eine höhere Steuerlast bedeutet, dann nichtmehr als solches gewertet. Beginn einer neuen Tätigkeit Eine Steuererklärung bezieht sich auf ein ganzes Jahr. Wer im Laufe eines Jahres einen Job beginnt, zuvor arbeitslos war, ein Sabbatical einlegte oder studierte, der oder die muss deutlich weniger Steuern zahlen als jemand, der die ganzen zwölf Monate Lohn erhielt. Fahrtkosten absetzen Fahrtkosten lassen sich zum Teil von der Steuer abziehen. Dies lohnt sich umso mehr, je länger der Weg zur Arbeit ist. Die ersten 20 Kilometer werden pauschal mit 30 Cent pro Kilometer berechnet, jeder Kilometer darüber hinaus sogar mit 38 Cent. Dies ist unabhängig davon, wie Sie zur Arbeit kommen. Besonders lohnen sich Arbeitswege über 20 Kilometer für Geringverdiener, deren Gesamteinkommen unter dem Grundfreibetrag von 10.908 Euro liegt. Diese haben mit Abgabe der Steuererklärung einen Anspruch auf die sogenannte Mobilitätsprämie. Fortbildungen als Werbungskosten Wenn Sie für ihren Job in Anschaffungen investieren oder Fort- und Weiterbildungen absolvieren, die ihr Arbeitgeber nicht bezahlt, dann können Sie diese als Werbungskosten notieren. Hinzu kommt ein Zuschlag für Arbeit im Homeoffice. Ein solcher beträgt sechs Euro pro Tag. Berufsbedingter Umzug Wenn Sie wegen ihres Berufs umziehen müssten, dann kann dies unter Werbungskosten bei der Steuer abgezogen werden. Das gilt zum Beispiel, wenn Sie durch den Umzug mindestens eine Stunde Fahrzeit pro Tag zur Arbeitsstelle sparen, wenn Sie aus dem Ausland zurückkehrten, oder wenn Sie eine neue Stelle in einer anderen Stadt antreten. Fahrtwege zu Wohnungsbesichtigungen, Maklergebühren, doppelte Mietzahlungen, Möbeltransport – dies alles können Sie unter Werbungskosten verbuchen. Hier gilt allerdings keine Pauschale. Diese Kosten müssen Sie belegen. Zudem gibt es eine Umzugspauschale, die Sie nicht im Detail belegen müssen. Diese liegt derzeit bei 886 Euro und für jede weitere Person der Kernfamilie (Partner, Kinder, Stief- und Pflegekinder) bei 590 Euro pro Kopf. Kirchensteuer absetzen Wenn Sie getauft und nicht aus der Kirche ausgetreten sind, dann bezahlen Sie bis zu neun Prozent Kirchensteuer. Diese wird in der Steuererklärung wie eine Spende gehandhabt und kann unter Sonderausgaben eingetragen werden. Kinderbetreuung von der Steuer absetzen Wenn Sie Kinder haben, können Sie die Kosten für die Betreuung während der Arbeitszeit von der Steuer absetzen, also Kita-Gebühren ooder Schulgeld. Sie geben die Kosten unter Sonderausgaben ein. Bis zu zwei Drittel der Kosten spoaren Sie auf diese Art, indessen nicht mehr als 4000 Euro pro Kind. Ausgewöhnliche Belastungen durch Krankheit Belastungen durch Krankheit können von der Steuer abgezogen werden. Das gilt, wenn diese die zumutbare Belastungsgrenze überschreiten. Diese wird nach dem Einkommen, dem Familienstand und der Zahl der Kinder berechnet. Unter diese Kosten fallen zum Beispiel rezeptpflichtige Medikamente, Arztkosten oder Geräte, deren Anschaffung wegen der Krankheit nötig ist. Keine Energiepreispauschale erhalten? 2022 gab es eine Energiepreispauschale von 300 Euro- Wer diese nicht erhielt, kann das Geld bei der Steuererklärung einfordern. Die Pauschale wird dann vom Finanzamt automatisch berücksichtigt. Sonderzahlungen wie Abfindungen Extrazahlungen wie Boni und Abfindungen führen bisweilen dazu, dass der Arbeitgeber ungewöhnlich viel Lohnsteuer abführt. Wenn dies der Fall ist, lassen sich solche im Voraus zu viel gezahlten Steuern über die Steuererklärung zurückbekommen. Abgeltungssteuer prüfen Zu viel geleistete Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge lassen sich bei der Steuererklärung geltend machen. Wenn jemand 25 Prozent Abgeltungssteuer bezahlte, während sein oder ihr Grenzssteuersatz unter 23 Prozent lag, dann erstattet das Finanzamt die Differenz. Das gilt besonders für Geringsverdiener:innen, Rentner:innen mit kleiner Rente und Studierende. Haussanierung absetzen Bis zu 1200 Euro und generell 20 Prozent der Arbeitskosten für Haussanierungen lassen sich unter „Haushaltsnahe Dienstleistrungen“ von der Steuer abziehen. Bei einer selbst bewohnten Immobilie lassen sich sogar bis zu 40.000 Euro absetzen. Hier müssen die Kosten unter dem Punkt „Energetische Maßnahmen“ eingetragen werden. Dies gilt indessen nur, wenn für diese Arbeit nicht zugleich eine staatliche Förderung bezogen wurde. Steuerklärung und Bürgergeld-Bezug? Lohnt sich auch eine Steuererklärung bei gleichzeitigem Bezug von Bürgergeld? Dazu lesen Sie mehr hier.
29. September 2023
Lebt ein auf Bürgergeld angewiesenes Kind für einige Tage pro Woche bei dem getrennt lebenden Vater, muss deshalb die Mutter nicht automatisch mit weniger Jobcenter-Leistungen auskommen. Bezieht der Vater kein Bürgergeld, liegt nur eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Mutter und Kind vor, so dass die Mutter das volle Sozialgeld für das Kind beanspruchen kann, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Donnerstag, 28. September 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 7 AS 13/22 R). Wenn beide Elternteile Bürgergeld beziehen gelten andere Regeln Anderes gelte allerdings, wenn beide Elternteile Jobcenterleistungen erhalten. Dann lägen zwei sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaften vor, so dass der Vater für Tage mit seinem Kind anteilig mehr Leistungen vom Jobcenter beanspruchen kann, die Mutter dafür weniger. Im konkreten Fall ging es um einen zum Streitzeitpunkt neunjährigen Jungen, der vom Jobcenter Flensburg Sozialgeld erhielt. Er lebte im Haushalt seiner damals Arbeitslosengeld II beziehenden und getrennt lebenden Mutter. Mehrere Tage pro Woche verbrachte das Kind auch bei dem Vater. Das Jobcenter rechnete die Kinderbetreuung taggenau ab. Für Tage, an denen sich der Junge bei seinem Vater aufhielt, zahlte es der Mutter anteilig weniger Bürgergeld aus. Die Mutter meinte, dass damit eine Unterdeckung ihres Existenzminimums vorliege. Die Kürzung führe dazu, dass sie im Sozialgeld enthaltene dauerhafte Bedarfe schlechter ansparen könne. Dazu zählten etwa Bedarfe für den Ersatz von Haushaltsgeräten, Kleidung oder auch für Energie-Grundkosten und Wohnungsinstandhaltung. BSG: Bei nur einer Bedarfsgemeinschaft erhält Mutter volle Leistung Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein zurück. Weder sei festgestellt, ob der Vater ebenfalls Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, noch ob die Eltern sich das Umgangsrecht gleichermaßen aufgeteilt haben. Befänden sich beide Elternteile im Hilfebezug, liege mit dem Umgang des Kindes bei dem Vater eine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft vor. An den Tagen, an denen das Kind sich beim Vater länger als zwölf Stunden aufhalte, könne dieser hierfür höhere Hilfeleistungen vom Jobcenter verlangen. Der Mutter dürften dann tagesanteilig die Leistungen gekürzt werden. Befinde sich aber nur die Mutter im Leistungsbezug, liege nur eine einzelne Bedarfsgemeinschaft mit dem Kind vor. In diesem Fall dürfe das Jobcenter wegen des Umgangs des Kindes mit dem Vater das an die Mutter gezahlte Sozialgeld nicht kürzen, sofern sie den Sohn überwiegend betreut, urteilte hierzu erstmals das BSG. Ob dies auch bei einem sogenannten paritätischen Wechselmodell gilt, bei dem Eltern sich den Umgang mit dem Kind genau teilen, ließ das BSG offen. fle/mwo
29. September 2023
Das Leibniz-Institut für Wirtschafsforschung an der Universität München e.V. (ifo Institut) will ausgerechnet haben, dass durch die Änderungen in der Grundsicherung 172.000 Menschen mehr in Arbeit gebracht werden könnten - zu Lasten jedoch vor allem der alleinstehenden und kinderlosen Bürgergeldbezieher. Grenzen des Hinzuverdienstes neu berechnen Die Vertreter dieser Forderung, Dr. Maximilian Blömer, Lily Fischer und Professor Dr. Andreas Peichl behaupten, die Transferentzugsraten in der Grundsicherung würden die Betroffenen davon abhalten, mehr zu arbeiten. Dabei beziehen sie sich auf die Grenzen des Hinzuverdienstes beim Bürgergeld. In der jetzigen Regelung bleiben 100 Euro, die Bürgergeld-Bezieher/innen hinzuverdienen, als Grundfreibetrag erhalten. Bei Zuverdienst ab 100 bis 520 Euro bleiben nur zu 20 Prozent anrechnungsfrei, Zuverdienste über 520 bis zu 1.000 Euro sind dann zu 30 Prozent anrechnungsfrei. Von 1.000 bis zu 1.200 Euro werden nur zehn Prozent nicht eingezogen. Was schlägt das ifo Institut vor? Das ifo Institut schlägt vor, geringen Zuverdienst voll anzurechnen und höheren Zuverdienst dafür weniger anzurechnen als bisher. So sollten Einnahmen von bis zu 360 Euro voll einbehalten werden. Dafür würden bei Einnahmen ab 361 Euro 40 Prozent anrechnungsfrei. Das trifft vor allem Minijobber. Haushalte mit Kindern sollten 100 Euro anrechnungsfrei verdienen dürfen, bei ihnen sollten zwischen 101 und 360 Euro 80 Prozent angerechnet werden und über 360 Euro 60 Prozent. Letzteres wäre dasselbe wie bei Haushalten ohne Kinder. Kein Wohngeld und kein Kinderzuschlag Das ifo Institut schlägt außerdem vor, das Wohngeld und den Kinderzuschlag für Geringverdiener völlig abzuschaffen und in das Bürgergeld aufzunehmen, um das Gesamtsystem zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Änderungen der Besteuerung Bei der Besteuerung von Beziehern entsprechender Sozialleistungen möchte das Institut das Ehegattensplitting in ein realitätsgerechtes Splitting umwandeln. Kinderfreibetrag, Grundfreibetrag und Werbungskostenpauschale sollten deutlich angehoben werden, der Grundfreibetrag um 500 Euro und die Werbungskostenpauschale um 200 Euro. Laut ifo Institut würden durch diese Maßnahmen die geleisteten Arbeitsstunden ohne Kosten für den Staat um 184.000 Vollzeitstellen steigen und 172.000 Menschen eine Beschäftigung aufnehmen. Laut den Berechnungen des ifo Instituts würden die neuen Regelungen den meisten Bezieher von Bürgergeld mehr Geld bringen als ihnen derzeit zur Verfügung steht. So hätten Alleinstehende 100 Euro mehr, Alleinerziehende 251 Euro mehr und Paare mit Kindern sogar 634 Euro mehr. Paare ohne Kinder hätten dagegen Einbußen, nämlich 190 Euro. Ohne Kinder bekämen die Betroffenen 22 Euro weniger als heute, mit einem Kind 336 Euro mehr, mit zwei Kindern 752 Euro mehr und mit drei Kindern sogar 1.100 Euro mehr. Minijobs – Hemmnis oder Einstieg in den Arbeitsmarkt Kritisch zu sehen ist der volle Einzug des Verdienstes bei Minijobs unter 360 Euro. Gerade solche Kleinjobs sind für viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, eine Möglichkeit, wieder in den Arbeitsmarkt zu gelangen - und allzuoft die einzige Perspektive noch „mit einem Bein“ im Beruf zu bleiben. Faktisch werden gerade diese Menschen mit der vollen Anrechnung ihres Verdienstes sanktioniert.
29. September 2023
Verfahren vor Sozialgerichten dauern zu lange, zumindest in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Im Durchschnitt endet ein, oft einfach zu entscheidendes, Verfahren erst nach bis zu drei Jahren. Dabei handelt es sich bei Konflikten über Sozialleistungen oft um Menschen, die am Existenzminimum leben. Für diese Betroffenen ist es existentiell, auch Konflikte über kleine Geldbeträge zu klären. Selbst wenn nämlich Beträge Jahre später nachbezahlt werden, lindert das für die Betroffenen nicht ihre Not im Hier und Heute. Warum dauern die Verfahren so lange? Die Gründe, warum die Verfahren so lange dauern, sind zum einen Klagewellen der letzten Jahre, die heute nur langsam abgearbeitet werden können. Zuglich gehen bald eine Menge an Richtern und Richterinnen in Pension. So können die Berge an unbearbeiteten Klagen wegen Personalmangels noch schlechter abgetragen werden. Eine Umfrage zeigte, dass mehr als 80 Prozent der befragten Bürger/innen die Länge der Verfahren kritisieren. Drei von vier der Befragten sehen die Gerichte als überlastet an. Klagewelle durch Hartz IV Die Einführung von Hartz IV führte seit 2005 zu einer großen Menge an Klagen, und diese konnten bis heute nicht vollständig behandelt werden. In Chemnitz und Leipzig liegt die durchschnittliche Wartezeit bis zum Urteil bei drei Jahren, in Dresden und Halle bei zwei Jahren, und in Chemnitz bei etwas über einem Jahr. Sozialgericht statt Jobcenter? Doch nicht nur der Stapel an Klagen selbst verzögert, dass Verfahren zügig beendet werden. In manchen Fällen werden die Sozialgerichte auch unnötig beschäftigt, weil sie faktisch erledigen sollen, was Kernaufgabe des Jobcenters ist - Menschen, die Bürgergeld beziehen (oder zuvor Hartz IV) dazu beraten, wie deren Ansprüche berechnet werden. Richter müssen Bescheide der Jobcenter erklären So berichtet der Mitteldeutsche Rundfunk über den Fall eines Selbstständigen, der während des Corona-Lockdowns Arbeitslosengeld bezog. Von diesem forderte das Jobcenter einen Teil des Geldes zurück, und er legte Widerspruch ein. Der Mann selbst sagte, dass es ihm im Prinzip nur um ein aufklärendes Gespräch gegangen sei. Eine solche Beratung / Aufklärung hätte er aber vom Jobcenter nie bekommen. Dabei handelt es sich hier um wesentliche Aufgaben dieser Behörde und keinesfalls um die Aufgaben eines Beschwerdegerichtes. Die in diesem Fall zuständige Richterin erklärte, laut MDR, dass sie in vielen Verhandlungen die Bescheide der Jobcenter erklären müsste. Das aber wäre wiederum die Aufgabe der Jobcenter. Sozialgerichte müssen selbst ermitteln Ein weiterer Faktor, der Verfahren in die Länge zieht, betrifft speziell Sozialgerichte. Deren Richter:innen müssen nämlich, im Unterschied zu anderen Gerichten, die Fakten und Beweise im Verfahren selbst ermitteln. Dazu müssen ihnen andere Behörden, vor allem die Jobcenter, die Quellen liefern. Derlei Unterlagen anzufordern und zu erhalten, kostet schnell Monate. Auch bis Gutachten erstellt sind, dauert es meist lange. Je komplexer ein Verfahren ist, je mehr Unterlagen gesichtet werden müssen, und je mehr Behörden in die zu behandelnden Fragen involviert sind, umso zähflüssiger wird das Verfahren. Eine vom MDR vorgestellte Richterin am Sozialgericht hat noch Fälle von 2016, die bisher nicht bearbeitet werden konnten. Probleme mit der Personalpolitik Es ist nicht zu erwarten, dass sich das Problem durch ein zusätzliches Einstellen vieler Jurist:innen lösen würde. Denn die bundesweit vereinheitlichte Berechnung für den Personalbedarf der Gerichte bezieht sich nur auf die eingegangenen Verfahren des Vorjahrs. Das wesentliche Problem der Sozialgerichte ist aber der Stapel an Klagen vieler vergangener Jahre und dieser wird von der Personalpolitik nicht erfasst.
28. September 2023
Läuft die elektrische Heizung über den gleichen Zähler wie der Haushaltsstrom, führt dies beim Jobcenter und bei der Grundsicherung/Bürgergeld zur teilweisen Übernahme der Stromabschläge und Nachzahlungen. Wenn die Wohnung mangels anderer Möglichkeiten zumindest teilweise elektrisch mit Nachtspeicheröfen, elektrischen Radiatoren oder anderen elektrischen Heizgeräten beheizt wird, dieser Strom aber nicht über einen separaten Zähler läuft, kommt es häufig zu Problemen mit dem Amt. Denn dann steht das Jobcenter/Sozialamt vor dem Problem, dass Heizkosten zu übernehmen sind, diese aber nicht separat erfasst werden. Ich habe schon oft die Haltung gehört, dann gibt es nichts zu übernehmen. Das ist aber falsch. Ermittlung der Heizkosten Das Jobcenter/Sozialamt muss aufgrund des Amtsermittlungsprinzips die Kosten für die Beheizung bestimmen, nicht der Leistungsberechtigte. Es kann entweder anhand von Wattzahl und der Betriebsstunden von einem qualifizierten Profi den Verbrauch schätzen lassen oder: Den Stromabschlag abzüglich des im Regelbedarf enthaltenen Stromanteils (und ggf. dem Mehrbedarf Warmwasser) als Heizkosten übernehmen. Logischerweise dann auch die anfallende Nachzahlungen. Die Denkweise dahinter: Der Abschlag ist klar und es gibt keinen Anhaltspunkt für einen überdurchschnittlichen Haushaltsstromverbrauch der Berechtigten. Der durchschnittliche Verbrauch ist im Regelbedarf erfasst, daher Abschlag - Regelbedarfsanteil(e) = Heizstrom. Regelbedarfsanteile für Strom Im Regelbedarf sind aktuell für Strom enthalten: Alleinstehende: 40,73€ Mit Partner: 36,63€ 18-24 im Haushalt der Eltern: 32,60€ 14-17J: 21,32€ 6-13J: 15,43€ 0-5J: 8,99€ Quelle: Aufteilung des Regelbedarfs von Rüdiger Böker Stromheizung - ein Joker... Da diese Summen aber unrealistisch niedrig sind, führt dies dazu, dass ein Teil real als Haushaltsstrom verbrauchten Stroms als Heizstrom vom Jobcenter übernommen wird. Daher ist die Stromheizung eigentlich ein Joker. Formulierungsvorschlag Sehr geehrte Damen und Herren, Hiermit beantrage ich die Übernahme meiner Heizkosten für die (teilweise) elektrische Beheizung meiner Wohnung mit Strom. (Beschreibung der Heizsituation, zB mein Schlafzimmer wird mit einem Elektroradiator beheizt) Leider gibt es für die genannten Räume keine andere Heizmöglichkeit. Problematischerweise wird der Strom für die elektrischen Heizgeräte nicht separat erfasst, sondern läuft mit über den Zähler für den Haushaltsstrom. Daher ist es nicht möglich, den Verbrauch konkret zu erfassen und zu beziffern. Das BayLSG hat mit dem Urteil vom 7.10.2013 - 7 AS 644/13 B ER die inzwischen übliche Lösung entwickelt, in solchen Fällen den Abschlag abzüglich des Regelbedarfsanteils für Strom (und ggf. des Mehrbedarfs Warmwasser) als Heizkosten zu übernehmen. Da unser Abschlag xx€ beträgt und im Regelbedarf yy€ für Strom enthalten sind, betragen unsere Stromheizkosten... €. (xx€-yy€=... €) Daher beantrage ich die Übernahme dieser Summe und der Nachzahlungen als Heizkosten und die diesbezügliche Überprüfung der Bescheide seit 01/2022 (oder wenn später: Beginn Leistungsbezug/Einzug). Anbei die Jahresrechnungen der letzten zwei Jahre. Sollten Sie zur Bearbeitung noch Unterlagen benötigen oder Fragen offen bleiben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Mit freundlichen Grüßen Als Anlage dazu noch das verlinkte Dokument: Aufteilung des Regelbedarfs von Rüdiger Böker Rechtsgrundlagen - §22 Abs 1 SGB II - Heizkosten - BayLSG vom 7.10.2013 - 7 AS 644/13 B ER - Berechnung des Heizstromanteils bei gemischter Erfassung von Haushalts- und Heizstrom Twitter Meine hier veröffentlichten Artikel findet ihr (ähnlich) auch bei Twitter. Zum Abschluss noch der Link zum Twitter-Thread für Rückfragen, Ergänzungen oder alles was ihr sonst dazu sagen wollt – natürlich auch gerne zum Retweeten: hier
28. September 2023
"Kann ich mich einfach bei der GEZ abmelden?" Diese und ähnliche Fragen zum Rundfunkbeitrag erreichen unsere Redaktion immer wieder. Tatsächlich können sich Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe und Bürgergeld sowie Geringverdienerinnen und Geringverdiener vom Rundfunkbeitrag befreien lassen. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder die Abschaffung des Rundfunkbeitrags gefordert. Das ist in bestimmten Fällen möglich. Allerdings: Seit der Abschaffung der GEZ sind jedoch alle volljährigen Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, den Rundfunkbeitrag für eine Wohnung zu entrichten. Gründe warum der Rundfunkbeitrag nicht abgemeldet werden kann Zunächst einmal die Gründe, die keine Abmeldung möglich machen: Kein Abmeldegrund ist, wer nur private Sender schaut oder nur Radio hört. Auf die wirkliche Nutzung kommt es beim Rundfunkbeitrag nicht an. Kein Grund für eine Abmeldung ist, wer in eine bisher unbewohnte Wohnung zieht und dort niemand anderes angemeldet werden soll. Denn dann zahlt bislang noch niemand für die Wohnung den Rundfunkbeitrag. In diesem Fall muss der Beitragsservice von ARD und ZDF informiert werden. Kein Abmeldegrund besteht, wer den Rundfunkbeitrag im Grundsatz ablehnt. Allerdings bestehen sehr wohl Abmeldegründe. Der Rundfunkstaatsvertrag regelt, wann und von wem ein Rundfunkbeitrag verlangt werden darf. Laut diesem Vertrag darf ein Beitragskonto nur dann abgemeldet werden, wenn ein Gewerbe aufgegeben wird oder die Person umzieht. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zwischen allen 16 Bundesländern regelt, welche Rundfunkbeiträge wann und von wem erhoben werden. Danach kann ein Beitragskonto nur abgemeldet werden, wenn Sie eine gewerbliche Tätigkeit aufgeben oder umziehen: Gründe wann der Rundfunkbeitrag abgemeldet werden kann Wer seine Wohnung aufgibt und in die Wohnung eines anderes dazu zieht, in der schon eine andere Person den Rundfunkbeitrag entrichtet. Wer seinen Wohnsitz in Deutschland aufgibt und ins Ausland zieht. Dann darf man allerdings keinen Wohnsitz mehr in Deutschland haben Wer sein Gewerbe aufgibt für eine Zweitwohnung muss ebenfalls nicht gezahlt werden, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. Dies muss allerdings dem Beitragsservice "pro aktiv" selbst mitgeteilt werden! Vom Rundfunkbeitrag befreien lassen Wer Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II (Hartz IV), BAföG, Grundsicherung oder auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezieht, kann sich vom Rundfunkbeitrag für die Dauer des Bezugs befreien lassen. Wie das funktioniert, haben wir hier beschrieben. Wer zu wenig verdient Wer zu wenig verdient und nur ganz knapp über den sozialrechtlichen Regelsätzen mit seinem Verdienst liegt, kann sich ebenfalls befreien lassen. Wann dies gilt, haben wir hier genau beschrieben. Wie melde ich mich vom Rundfunkbeitrag ab Wer sich abmelden kann, sollte dieses Formular ausfüllen. Achtung: Die Abmeldung ist nicht gleichzusetzen mit einer Befreiung. Hierfür existieren gesonderte Formulare. Wer sein Gewerbe abgemeldet hat und deshalb keinen Rundfunkbeitrag mehr zahlt, muss den Beitragsservice selbst anschreiben. Die Anschrift lautet: "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, 50656 Köln". Es ist davon auszugehen, dass die Abmeldebescheinigung vom Gewerbeamt angefordert wird. Immer nachfragen! Die Zahlungspflicht erlischt erst mit der Bestätigung, dass das Beitragskonto tatsächlich abgemeldet wurde. Deshalb sollte man immer am Ball bleiben und nachfragen. Nicht selten werden Anträge nur schleppend bearbeitet oder gehen sogar verloren.
28. September 2023
Wurden die Sanktionen in Hartz IV noch vor einiger Zeit gesellschaftlich angeprangert, wird der Ruf nach Strafen und geringeren Regelleistungen im Bürgergeld wieder lauter. Auch vielen Jobcentern wünscht man sich offenbar wieder "hartes Durchgreifen". Dabei haben eine Reihe von Auswertungen gezeigt, dass Sanktionen nicht zu einer höheren Vermittlungsquote führen. Bürgergeld-Anpassung werden zum Ziel von Angriffen Bereits vor der der Einführung des Bürgergeldes gab es reichlich Kritik, die bis heute nicht verstummt ist. Im Gegenteil: Mit der geplanten Anpassung der Regelleistungen um etwa 12,2 Prozent im kommenden Jahr werden Bürgergeld-Beziehende zum Angriffsziel der Politik, obwohl es sich bei der Anpassung eben nicht um eine Erhöhung im eigentlichen Sinne handelt, sondern um eine Inflationsanpassung. Das bedeutet, dass die Regelleistungen eben nicht eine höhere Kaufkraft für Leistungsbeziehende erzeugt, sondern lediglich die momentane Unterdeckung etwas ausgleicht. Nicht nur politische Parteien wie die Union, FDP und AfD ziehen gegen die Erhöhung des Bürgergeldes zu Felde, sondern auch eine Jobcenter-Leiterin hat sich nun öffentlich zu den neuen Regelsätzen beim Bürgergeld geäußert. Bürgergeld vs. Arbeit: Der finanzielle Anreiz fehlt? Trotz Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die einen klaren finanziellen Vorteil bei der Arbeit aufzeigen – etwa 532 Euro mehr für einen Single im Vergleich zum Bürgergeld – behaupten viele weiterhin, dass sich Arbeit nicht mehr lohne. Eine von ihnen ist Steffi Ebert, die Leiterin des Jobcenters Schmalkalden-Meiningen. Sie hat in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe die Bürgergeld-Anpassung dennoch kritisiert. Besonders betonte die Jobcenter-Chefin die Bedenken hinsichtlich des sogenannten Lohnabstandsgebots. Ihrer Ansicht nach würde die Erhöhung dazu führen, dass immer mehr Menschen Bürgergeld beantragen, da der finanzielle Anreiz zur Arbeit in Haushalten mit geringem oder keinem Einkommen fehle. Dieser Umstand werde selbst durch eine Erhöhung des Mindestlohns nicht verändert. Hinsichtlich der Fortschreibung der Regelleistungen sagte Ebert: „Nicht nur ich, auch andere Akteure in der Jobcenter-Welt sehen sie kritisch – gerade auch mit Blick auf das Lohnabstandsgebot.“ Nach Ansicht der Jobcenter-Leiterin würden künftig immer mehr Menschen das Bürgergeld beantragen, weil angeblich der Anreiz zur Arbeit fehle. Wie eine aktuelle Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, gibt es aber sehr wohl ein Lohnabstand zum Bürgergeld, wie die folgende Tabelle beispielhaft verdeutlicht. Einkommen mit und ohne Erwerbstätigkeit ab 2024 Haushaltseinkommen bei Bürgergeld Haushaltseinkommen bei Mindestlohn Differenz Single 966 € 1.498 € 532 € Alleinerziehend, 1 Kind (14-17 J.) 1.701 € 2.465 € 764 € Familie, 3 Kinder (14 -17 J.) 3.514 € 3.960 € 446 € Quelle: WSI/Böckler, September 2023 Mehr SGB II-Anträge durch das Bürgergeld? Zwar hätten in den letzten Jahren immer weniger Menschen einen Antrag auf SGB II Leistungen gestellt, neue Rahmenbedingungen würden jedoch dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen einen Bürgergeld-Antrag stellen würden. Was die Jobcenter-Mitarbeiterin jedoch vergisst zu erwähnen, ist die Tatsache, dass aufgrund der Ukraine Krise die Zahl der Berechtigten durch die Kriegsflüchtlinge gestiegen ist. Das hat nichts mit den veränderten Rahmenbedingungen des Bürgergeldes zu tun. Wieder mehr Sanktionen gewünscht Neben der Kritik an der Bürgergeld-Erhöhung äußerte Steffi Ebert auch Bedenken hinsichtlich der Möglichkeiten zur Leistungsminderung, früher als Sanktionen bekannt. Sie betonte, dass seit der Corona-Pandemie Leistungen nur noch bedingt gekürzt werden könnten, da dies mit erheblichen verwaltungsrechtlichen und technischen Hürden verbunden sei. Dadurch werde mehr Zeit in Anspruch genommen, bevor entsprechende Maßnahmen ergriffen werden könnten. Die Jobcenter-Leiterin verglich das Bürgergeld mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, da das Einfordern von Leistungen nur mit erheblichem Aufwand möglich sei. Dies führe zu hohen Ausfallquoten. Fakt ist aber: Zahlreiche Studien legen jedoch nahe, dass Sanktionen kontraproduktiv sind und nicht dazu beitragen, Menschen schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Zudem werden Sanktionen häufig eher willkürlich ausgesprochen, wie eine weitere Studie belegte. Auch andere Stimmen Es sei aber auch erwähnt, dass es aus den Jobcenter aber auch andere kritische Stimmen gibt, die hier und hier nachzulesen sind.
28. September 2023
Im Jahr 2024 können Rentnerinnen und Rentner mit einer höheren Rentenerhöhung rechnen als in vielen Jahren zuvor. Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen sagt: „Ab Mitte 2024 bekommen die Rentner mindestens 5,5 bis sechs Prozent mehr. (...) Wenn es in diesem Jahr weitere Lohnerhöhungen gibt, könnten die Renten sogar deutlich über sechs Prozent steigen.“ Sechs Prozent Plus oder mehr Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hält eine Rentenerhöhung von sechs Prozent oder mehr im Jahr 2024 für möglich. Seiner Ansicht nach könnte die Rentenanpassung im kommenden Jahr höher ausfallen als 2023. Zu ähnlichen Zahlen wie Jens Boysen-Hogrefe kommt der Rentenberater und Rechtsanwalt Peter Knöppel. Unter der Annahme, dass die nominalen Steigerungen im dritten Quartal 2023 ähnlich hoch ausfallen wie in den ersten beiden Quartalen des Jahres, könnte die Rentenerhöhung 2024 zwischen sechs und neun Prozent liegen, so Knöppel. Auch der Rentenforscher Martin Werding rechnet für 2024 mit einem kräftigen Rentenplus, das deutlich über dem Niveau von 2023 liegt. Wie kommt die Rentenerhöhung 2024 zustande? Die Rentenerhöhung 2024 ist auf steigende Löhne zurückzuführen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Nominallöhne im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,6 Prozent gestiegen. Im zweiten Quartal waren es sogar 6,6 Prozent. Das ist der höchste Anstieg der Nominallöhne seit 15 Jahren. Da in vielen Branchen Tariferhöhungen anstehen, dürfte sich dieser Trend bis zum Jahresende fortsetzen. Lesen Sie auch: - Rente: 6 Wichtige Änderungen im Oktober 2023: Das sollten Rentner wissen Renten folgen den Löhnen Die Renten und Rentenerhöhungen sind gesetzlich an die Lohnentwicklung gekoppelt. In der Regel steigen die Renten jährlich zum 1. Juli. Sie orientieren sich an der Lohnentwicklung. Umgekehrt sinken die Renten nicht, wenn die Löhne sinken. Dafür sorgt die Rentengarantie, die verhindert, dass die Rente sinkt. Im schlimmsten Fall sinken die Renten also nicht, sondern bleiben auf dem Niveau des Vorjahres. Auch Erwerbsminderungsrente steigt ab 2024 Für die Erwerbsminderungsrente müssen die Expert:innen keine Mutmaßungen anstellen: Hier steht die Erhöhung bereits fest. So kommt am 1. Juli 2024 ein Zuschlag von bis zu 7,5 Prozent für Bestandsrentner:innen mit Erwerbsminderung, wenn deren Erwerbsminderung zwischen Januar 2001 und 31. Dezember 2008 definiert wurde. Was ist der Rentenwert? Der Rentenwert gibt an, was ein Entgeltpunkt wert ist. Solche Entgeltpunkte sammeln Rentenversicherte in all den Jahren, in denen sie in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Die Rente errechnet sich aus den Entgeltpunkten multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert. Der Rentenwert liegt derzeit in Ost und West bei 37,60 Euro. Steigen die Renten weiter? Seit 2012 sind die Renten im Westen um 26 Prozent und im Osten um 40 Prozent gestiegen. Nach 2025 könnte es mit den Rentenerhöhungen erst einmal vorbei sein. Grund dafür ist der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor. Wenn nämlich die Zahl der Rentenbezieher:innen schneller steigt als die der Beitragszahler:innen, dann steigen die Renten weniger als die Löhne. Massive Steigerungen von fünf Prozent und mehr wird es dann wohl nicht mehr geben.
27. September 2023
In einer E-Mail hat das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf Unstimmigkeiten bei den Verwaltungsausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld) aufmerksam gemacht. Dabei ging es auch um die geplante Budgetkürzungen für 2024. Die Verwaltungsausgaben für die Jobcenter sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Weil die Budgets hierfür nicht ausreichen, werden die Kosten umgeschichtet. Das hat zur Folge, dass weniger Geld für die Förderungen von Bürgergeld-Beziehenden zur Verfügung steht. Statt diese Ausgabe zu erhöhen, sollen diese nun gekürzt werden. Verwirrende Zahlen im Sozialbudget 2022 Das Sozialbudget 2022 des BMAS enthält Angaben zu den Verwaltungsausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hierbei wurden für 2021 rund 5,857 Milliarden Euro und für 2022 etwa 6,007 Milliarden Euro angegeben. Doch hier liegt ein Fehler vor: Diese Zahlen repräsentieren nicht die Gesamtverwaltungskosten, sondern lediglich den Bundesanteil an diesen Kosten. Die Rolle des kommunalen Finanzierungsanteils Das Sozialbudget 2022 verschweigt den kommunalen Finanzierungsanteil (KFA) an den Gesamtverwaltungskosten der Jobcenter. Nach Berechnungen des Instituts belief sich der KFA auf etwa 1,016 Milliarden Euro im Jahr 2021 und 1,046 Milliarden Euro im Jahr 2022. Somit ergaben sich Verwaltungsausgaben für Hartz IV von 6,872 Milliarden Euro in 2021 und 7,053 Milliarden Euro in 2022. Diese Informationen sind wichtig, um die Gesamtkosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende korrekt zu verstehen. Ein gestörtes Verhältnis zur Haushaltswahrheit? Ein weiterer Punkt, der in der E-Mail an das BMAS angesprochen wurde, ist die Veranschlagung der Bundesanteile an den Verwaltungskosten im Bundeshaushalt 2024. Trotz der im Sozialbudget 2022 genannten Verwaltungsausgaben von 6,007 Milliarden Euro für 2022, plant der Haushaltsentwurf für 2024 lediglich 5,050 Milliarden Euro für den Bundesanteil an den Verwaltungskosten. Das bedeutet eine Kürzung von 957 Millionen Euro, obwohl Kostensteigerungen erwartet werden. Warum ist das wichtig? Das BIAJ hat in seiner E-Mail an das BMAS auf Unstimmigkeiten bei den Angaben zu den Verwaltungskosten für Hartz IV hingewiesen. Die tatsächlichen Verwaltungskosten der Jobcenter sollten korrekt und transparent veröffentlicht werden. Die Veranschlagung im Bundeshaushalt 2024 wirft zusätzliche Fragen auf und bedarf einer eingehenden Prüfung, damit die Haushaltswahrheit gewahrt bleibt. Dies ist nicht nur für Experten, sondern auch für die Öffentlichkeit von Interesse. Denn die Ausgaben für die Verwaltung sind in den letzten Jahren massiv gestiegen. Trotzdem "spart" das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei den Verwaltungskosten. Das wird zur Folge haben, dass noch mehr Gelder umgeschichtet werden, die dann z.B. bei der Förderung von Bürgergeldempfängern fehlen.
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Von der Arbeitsmarktreform sind Millionen von Menschen betroffen. Vieles ist im SGB II unklar und auf die individuellen Bedarfe des Einzelnen zu pauschal ausgelegt. Laut einiger Erhebungen, sollen nur rund 50 Prozent aller Bescheide der Jobcenter mindestens teilweise falsch und rechtswidrig sein. Das bedeutet für die Menschen oft tatsächliche Beschneidungen in Grundrechten und Ansprüchen.
Diese Plattform will daher denen eine Stimme
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dass Leistungsberechtigte mit den täglichen Einschränkungen zu
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Sie bekommen dadurch Druck.
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Hilfe. Sie können weiterhelfen und eine Art "Nachbarschaftliche
Hife" bieten. Der Erfahrungsausstausch ist wichtig. Denn nur wer
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