Der Schwerbehindertenausweis ist nicht nur ein Ausweis, sondern vielmehr eine Berechtigung zu einer Vielzahl von zusätzlichen Rechten und Vergünstigungen für Menschen mit einem Grad der Behinderung ab 50.
Die Vorteile für Menschen mit einer Schwerbehinderung erstrecken sich über verschiedene Lebensbereiche, einschließlich Arbeit, Mobilität und Finanzen. In diesem Artikel werden die Bedeutung des Ausweises, der Antragsprozess, die Vorteile sowie die damit verbundenen Rechte und Vergünstigungen dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Wozu dient der Schwerbehindertenausweis?
Der Schwerbehindertenausweis dient nicht nur als Identifikationsmittel, sondern vor allem als offizieller Nachweis für die Inanspruchnahme von speziellen Rechten und Nachteilsausgleichen, die schwerbehinderten Menschen in Deutschland zustehen.
Wichtig: Die Gültigkeit des Ausweises ist auf Deutschland beschränkt und wird im Allgemeinen im Ausland nicht anerkannt.
In der Vergangenheit gab es jedoch Diskussionen über die Einführung eines einheitlichen Europäischen Behindertenausweises in der Europäischen Union.
Dies kann jedoch nur erfolgen, wenn die Regelungen und Sozialleistungen für behinderte Menschen in den EU-Mitgliedstaaten annähernd gleich wären, was gegenwärtig jedoch nicht der Fall ist.
Schwerbehindertenausweises beantragen
Die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises erfordert einen strukturierten Prozess. Hierbei sind mehrere Schritte zu beachten:
1. Beratung durch den Hausarzt
Der erste Schritt besteht in der Beratung durch den Hausarzt. Dieser gibt nicht nur erste Hinweise darüber, ob ein Schwerbehindertenausweis in Frage kommt, sondern unterstützt auch bei der Beschaffung der benötigten Nachweise und Atteste.
Auf Wunsch kann der Arzt auch eine Stellungnahme zum Gesundheitszustand verfassen, die dem Antrag beigefügt wird.
2. Befreiung von der Schweigepflicht des Arztes
Um über den Antrag entscheiden zu können, benötigt das Versorgungsamt Informationen von behandelnden Ärzten.
Hierfür ist die schriftliche Befreiung von der Schweigepflicht erforderlich. Das Versorgungsamt kann entsprechende Vordrucke zur Verfügung stellen.
3. Sammeln wichtiger Dokumente
Das Versorgungsamt benötigt verschiedene Dokumente und Nachweise, um den Grad der Behinderung zu bewerten. Da in der Regel keine Vor-Ort-Untersuchung stattfindet, hängt die Zustimmung des Amtes von den eingereichten Nachweisen, Attesten und Dokumenten ab. Hier eine mögliche Liste relevanter Dokumente:
- Befunde/Gutachten der behandelnden Ärzte
- Dokumente über Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte
- EKG-/Laborberichte oder ähnliche Nachweise
- Bestehende amtliche Gutachten von verschiedenen Behörden
- Anerkennungsbescheide von Arbeitsunfällen/Berufskrankheiten
- Informationen über bereits gestellte Anträge bei sozialen Leistungsträgern
- Name und Anschrift von Schulen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen
4. Vertretung durch Dritte
Der Antrag kann auch von anderen Personen eingereicht werden. Für Jugendliche unter 15 Jahren müssen beide Erziehungsberechtigten den Antrag unterschreiben.
Andere bevollmächtigte Personen benötigen eine schriftliche Vollmacht mit Adresse und Telefonnummer. Offizielle Betreuer können den Antrag ebenfalls einreichen, wenn sie eine Kopie ihrer Betreuungsurkunde beilegen.
5. Verlängerung des Ausweises
Der Schwerbehindertenausweis ist in der Regel höchstens fünf Jahre gültig. Daher ist es wichtig, ihn rechtzeitig zu verlängern.
Etwa drei Monate vor Ablauf sollte eine formlose Verlängerung beantragt werden. Hierfür werden ein Lichtbild, der Name mit Geburtsdatum sowie das Geschäftszeichen an die zuständige Behörde geschickt.
6. Meldung bei Gesundheitsänderungen
Bei Veränderungen im Gesundheitszustand sollte das Versorgungsamt informiert werden. In solchen Fällen wird der Grad der Behinderung neu bewertet, und die Angaben im Ausweis werden angepasst.
Grad der Behinderung
Der “Grad der Behinderung” (GdB) ist eine Kennzahl, die die Auswirkungen einer Behinderung auf einen Menschen quantifiziert. Der GdB gibt an, in welchem Maße Menschen durch ihre Behinderung beeinträchtigt sind.
Der GdB wird in 10er-Schritten gemessen und reicht von einem Mindestwert von 20 bis zu einem Höchstwert von 100. Es handelt sich dabei nicht um prozentuale Angaben. Ein höherer GdB-Wert deutet aber auf eine stärkere Beeinträchtigung hin.
Der GdB wird nicht durch das einfache Zusammenzählen von einzelnen Behinderungen oder Erkrankungen berechnet. Stattdessen erfolgt eine Gesamtbewertung.
Zum Beispiel kann eine Person zwei Behinderungen haben: Behinderung A mit einem GdB von 30 und Behinderung B mit einem GdB von 50.
Die Gesamtbewertung könnte jedoch nicht zwangsläufig 80 sein, sondern stattdessen nur 60.
Entscheidend für die Festlegung des GdB ist nicht nur die Art der Behinderung oder chronischen Krankheit, sondern auch die Frage, inwieweit die Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten durch die Behinderung beeinträchtigt wird.
Wie wird der Grad der Behinderung festgelegt?
Der Grad der Behinderung wird von spezialisierten Ärzten oder Gutachtern festgelegt. Betroffene müssen mehrere Untersuchungen durchführen lassen. Die Gutachter bewerten die individuellen Einschränkungen einer Person aufgrund ihrer Behinderung(en).
Bei der Festlegung des Behinderungsgrades sind verschiedene Faktoren zu beachten:
Medizinische Befunde: Die medizinischen Unterlagen der Person, einschließlich Diagnosen, ärztlicher Berichte, Untersuchungsergebnisse und Behandlungshistorie, werden sorgfältig geprüft.
Funktionsbeeinträchtigungen: Die Auswirkungen der Behinderung auf die körperlichen, geistigen, psychischen und sensorischen Funktionen der Person werden bewertet. Dies umfasst Aspekte wie Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, kognitive Fähigkeiten usw.
Teilhabebeeinträchtigung: Es wird berücksichtigt, inwieweit die Behinderung die Teilnahme der Person am gesellschaftlichen Leben, am Arbeitsmarkt und an anderen Aktivitäten des täglichen Lebens beeinträchtigt.
Rechtliche Kriterien: Die Bewertung erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und Kriterien des jeweiligen Landes oder der jeweiligen Rechtsordnung. Diese können je nach Region unterschiedlich sein.
Ganzheitliche Betrachtung: Der Behinderungsgrad wird nicht nur anhand der medizinischen Diagnosen festgelegt, sondern berücksichtigt auch die individuellen Lebensumstände und Bedürfnisse der betroffenen Person.
In einigen Fällen kann auch eine Begutachtung durch mehrere Fachleute erforderlich sein, um eine objektive und umfassende Bewertung sicherzustellen. Wird ein anderer Behinderungsgrad festgestellt, als erwartet, kann ein Widerspruch eingelegt werden.
Vorteile des Schwerbehindertenausweises
Der Schwerbehindertenausweis bringt eine Vielzahl von Vorteilen und Vergünstigungen mit sich. An dieser Stelle zeigen wir einige Vorteile auf:
1. Frühere Altersrente
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 können unter bestimmten Bedingungen zwei Jahre früher in Rente gehen. Voraussetzungen hierfür sind 35 Jahre Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung, ein Alter von 65 Jahren und ein GdB von 50 oder mehr.
2. Besonderer Kündigungsschutz
Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Arbeitgeber müssen einen Antrag beim Integrationsamt stellen, das prüft, ob die Behinderung der Grund für die Kündigung ist. In vielen Fällen wird versucht, eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erzielen.
3. Zusatzurlaub für Schwerbehinderte
Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben Anspruch auf fünf zusätzliche Tage bezahlten Urlaub im Jahr. Dies gilt bei einer 5-Tage-Woche und erfordert den Nachweis der Schwerbehinderung, beispielsweise durch den Schwerbehindertenausweis.
4. Ermäßigungen mit dem Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis ermöglicht oft Ermäßigungen auf Eintrittspreise für verschiedene Veranstaltungen und Einrichtungen wie:
- Rundfunkbeitrag:
- Personen mit dem Merkzeichen “RF” im Schwerbehindertenausweis können eine Ermäßigung beim Rundfunkbeitrag beantragen und zahlen dann nur einen reduzierten Beitrag.
- Soziale Entschädigung:
- Menschen, die einen gesundheitlichen Schaden erlitten haben, können Soziale Entschädigung gemäß dem Sozialgesetzbuch 14 erhalten. Dies umfasst verschiedene Hilfen und Leistungen, einschließlich finanzieller Entschädigungen.
- Mehrbedarf bei Sozialhilfe:
- Schwerbehinderte Menschen, die Sozialleistungen wie Grundsicherung erhalten, können unter bestimmten Bedingungen einen Mehrbedarf geltend machen.
- Bausparverträge:
- Schwerbehinderte Personen mit einem GdB von 95 oder mehr können früher auf ihr Geld in Bausparverträgen zugreifen, ohne zusätzliche Kosten.
- Telefontarife:
- Einige Telefon-Gesellschaften bieten besondere Tarife für Menschen mit Behinderung an, abhängig vom Grad der Behinderung.
- Blindensendungen:
- Die Deutsche Post versendet Schriftstücke in Brailleschrift (Blindenschrift) kostenlos im In- und Ausland für Menschen mit Sehbehinderung.
5. Kindergeld für erwachsene Kinder mit Schwerbehinderung
Eltern erhalten auch nach dem 25. Lebensjahr Kindergeld für ihre Kinder mit Schwerbehinderung, sofern die Behinderung vor dem 25.
Schwerbehindertenausweis eine alltägliche Hilfe
Der Schwerbehindertenausweis bietet demnach nicht nur einen rechtlichen Nachweis für die Schwerbehinderung, sondern ermöglicht auch praktische Vorteile und Vergünstigungen, die das Leben mit einer Schwerbehinderung erleichtern können.
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.