Ein Jobcenter darf eine laufende Bürgergeld-Bewilligung aufheben, wenn andere Sozialleistungen den Bedarf vollständig decken. Das hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. (AZ: L 18 AS 947/22)
Für Betroffene klärt das Urteil zwei Punkte: Die Aufhebung stützt sich auf § 48 SGB X. Und: Erhaltene Zahlungen anderer Träger gelten als bedarfsdeckend. Rückforderungen laufen dann zwischen den Behörden, nicht gegen Sie.
Inhaltsverzeichnis
Der Fall in Kürze: EM-Rente und SGB XII statt Bürgergeld
Ein langjähriger Leistungsbezieher erhielt eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rentenversicherung zahlte die Rente. Das Sozialamt ergänzte den Lebensunterhalt. Das Jobcenter hob die Bürgergeld-Bewilligung zum Folgemonat auf.
Der Kläger verlangte weiter Bürgergeld und einen Bildungsgutschein. Das LSG wies die Berufung zurück. Die Hilfebedürftigkeit war entfallen. Die Zuständigkeit lag ab Rentenbeginn nicht mehr beim Jobcenter.
Rechtlicher Kern: § 48 SGB X regelt die Aufhebung
Laufende Bewilligungen dürfen für die Zukunft aufgehoben werden, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Eine solche Änderung liegt vor, wenn andere Leistungen den gesamten Bedarf tragen.
Dann besteht keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II mehr. Die Aufhebung wirkt ab dem Zeitpunkt der Änderung. Das Gericht sah die Voraussetzungen als erfüllt an.
Wichtiges Korrektiv: Darlehen erhält Hilfebedürftigkeit aufrecht
Nicht jede Zahlung deckt den Bedarf endgültig. Leistungen, die Sie später zurückzahlen müssen, sind anders zu bewerten. Handelt es sich nur um ein Darlehen, bleibt Hilfebedürftigkeit oft bestehen. Das betrifft typische Überbrückungsdarlehen.
In solchen Fällen kann eine Aufhebung rechtswidrig sein. Prüfen Sie deshalb, ob Geldleistungen endgültig bewilligt oder nur geliehen sind.
Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X: Schutz vor Doppelbelastung
Zahlen andere Träger den Lebensunterhalt, gilt Ihr Anspruch gegenüber dem zuständigen Träger als erfüllt. Dieses Prinzip heißt Erfüllungsfiktion. Der Ausgleich erfolgt zwischen den Behörden. Forderungen richten sich nicht gegen Sie. Damit wird das Risiko behördeninterner Fehlzuordnungen nicht auf Betroffene verlagert. Das Urteil stellt dies klar heraus.
Zuständigkeitswechsel: Weiterbildungsgutscheine entfallen beim Jobcenter
Mit der Feststellung voller Erwerbsminderung wechselt die Zuständigkeit. Das Jobcenter ist für Integration in Arbeit nicht mehr zuständig. Ansprüche auf Bildungsgutscheine aus dem SGB II scheiden dann aus.
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Bescheid prüfenWer eine Umschulung anstrebt, muss das im passenden Rechtskreis klären. Dazu gehören SGB XII oder Reha-Träger, abhängig vom Einzelfall.
Übergangsmonate: So vermeiden Sie Leistungslücken
Wechsel zwischen Rechtskreisen führen oft zu zeitlichen Lücken. Das Gericht zeigt einen praktikablen Weg: Überbrückungsleistungen können den Zeitraum bis zur ersten Rentenzahlung schließen.
Beantragen Sie diese rechtzeitig. Stimmen Sie Termine mit allen Stellen ab. So verhindern Sie Unterbrechungen bei Miete und Lebensunterhalt.
Praxis-Check: Ist Ihre Aufhebung rechtmäßig?
Fragen Sie zuerst: Wurde die Hilfebedürftigkeit tatsächlich beendet? Prüfen Sie Renten- oder Sozialhilfezahlungen. Sind diese endgültig oder nur darlehensweise gewährt?
Liegt die volle Bedarfsdeckung vor, ist eine Aufhebung zulässig. Fehlt eine volle Deckung, bleibt der Anspruch auf Bürgergeld bestehen. Dokumentieren Sie Zahlungen und Bescheide.
Rückforderungen: Nicht Ihre Baustelle – sondern die der Träger
Kommt es zu Überschneidungen, gleichen die Träger das untereinander aus. Der Gesetzgeber verlangt eine einfache, verwaltungsökonomische Lösung. Das schützt Sie vor Doppelforderungen. Weist ein Träger auf eine vermeintliche „Doppelzahlung“ hin, verweisen Sie auf den behördeninternen Ausgleich. Lassen Sie Bescheide prüfen, wenn dennoch Forderungen an Sie gerichtet werden.
Was Betroffene jetzt konkret tun können
Legen Sie Bescheide nebeneinander. Vergleichen Sie Zeiträume, Beträge und Rechtsgrundlagen. Sichern Sie Kontoauszüge und Bewilligungen. Fragen Sie beim Sozialamt nach, ob Leistungen als Zuschuss oder als Darlehen gewährt wurden.
Widersprechen Sie einer Aufhebung, wenn nur Darlehen geflossen sind. Verweisen Sie auf den fehlenden Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Suchen Sie Beratung, wenn Fristen laufen.
Einordnung für die Praxis von gegen-hartz.de
Das Urteil schafft Klarheit im Dreieck aus Jobcenter, Rentenversicherung und Sozialamt. Es stärkt Betroffene in Übergangssituationen. Die Kernaussage lautet: Endgültige Leistungen beenden Hilfebedürftigkeit. Darlehen nicht.
Und: Der Kostenausgleich erfolgt zwischen den Behörden. Betroffene werden nicht doppelt belastet. Diese Leitlinien helfen, Aufhebungen und Rückforderungen sauber zu prüfen.