Wenn Sie Bürgergeld beziehen und aus medizinischen Gründen auf eine besondere Ernährung angewiesen sind, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung beim Jobcenter beantragen.
Dieser Mehrbedarf wird zusätzlich zum Bürgergeld gezahlt. Die Höhe des Mehrbedarfs richtet sich nach dem jeweiligen Regelsatz und der vorliegenden Krankheit. Wann Ihnen ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung zusteht, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
Bürgergeld-Zuschuss bei kostenaufwendiger Ernährung
Im Jahr 2023 wurde mit der Einführung des Bürgergeldes der Regelsatz erhöht. Dieser beträgt für eine alleinstehende Person derzeit 502 €. Ab Januar 2024 wird dieser Regelsatz nochmals auf 563 € erhöht. Hiervon müssen Sie alle Kosten, die neben den Mietkosten anfallen, decken – auch die Lebensmittelkosten. Bei hochwertigen oder speziellen Lebensmitteln ist das dafür vorgesehene Geld aus dem Regelsatz schnell aufgebraucht.
Benötigen Bürgergeld-Leistungsberechtigte aufgrund einer Krankheit dann noch eine spezielle Diät, geraten die Betroffenen schnell an ihre finanziellen Grenzen. Ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung kann hier eine Entlastung bringen.
Wer hat Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung?
Für einen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung müssen Bürgergeld-Empfangende gemäß § 21 SGB II zwei wichtige Voraussetzungen erfüllen:
- Sie müssen krankheitsbedingt auf eine Ernährung angewiesen sein, die teurer ist als eine übliche Vollkost. Sind Sie jedoch lediglich krankheitsbedingt in Ihren Essgewohnheiten eingeschränkt, haben aber keine zusätzlichen Kosten, steht Ihnen auch kein Anspruch auf Mehrbedarf zu.
- Sie müssen sich aufgrund einer Krankheit besonders ernähren. Religiöse oder ethische Gründe führen nicht zu einem Anspruch auf Mehrbedarf.
Bei der Beantragung des Mehrbedarfs müssen Sie ein ärztliches Attest beifügen. Aus diesem muss hervorgehen, um welche Erkrankung es sich handelt und welche Ernährungsweise erforderlich ist. Zudem ist es ratsam, den Beginn der Krankheit ebenfalls anzugeben. So kann Ihnen der Mehrbedarf auch rückwirkend gewährt werden.
Für welche chronischen Erkrankungen gibt es einen Mehrbedarf?
Der Bürgergeld-Mehrbedarf für eine kostenaufwendige Ernährung wird bei bestimmten chronischen Erkrankungen gewährt, die aus gesundheitlichen Gründen eine spezielle Kost erforderlich machen.
In Bezug auf die Höhe des Mehrbedarfs gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialen wird bei „Bürgergeldberechtigten, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung benötigen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe berücksichtigt“.
Wie hoch diese „angemessene Höhe“ tatsächlich ist, bleibt offen. Das Jobcenter orientiert sich bei der Bewilligung des Mehrbedarfs an den Empfehlungen des Deutschen Verein für öffentliche und private Vorsorge. Die aktuellen Empfehlungen veröffentlichte der Verein im Jahr 2020 in Form einer Stellungnahme. Der Mehrbedarf sollte sich demnach prozedural von der Regelsatzstufe ableiten. Für Alleinstehende ergibt sich daraus folgender Mehrbedarf:
Krankheit | Mehrbedarf in Prozent | Mehrbedarf in € (Regelsatzstufe 1) |
Krankheitsassoziierte Mangelernährung, gestörte Nährstoffaufnahme bzw. -verwertung | 10 % | 50,20 € |
Mukoviszidose, zystische Fibrose | 30 % | 150,60 € |
Terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie | 5 % | 25,10 € |
Zöliakie oder einheimische Sprue (chronische Durchfallerkrankung wegen Gluten-Überempfindlichkeit) | 20 % | 100,40 € |
krankheitsbedingte Schluckstörungen | – | in Höhe der tatsächlichen Aufwendung |
Mehrbedarf bei Zöliakie
Der Mehrbedarf für eine kostenaufwendige Ernährung wird nur bei bestimmten chronischen Erkrankungen gewährt, die aus gesundheitlichen Gründen eine spezielle Kost erforderlich machen. Beispielsweise sollten Menschen, die an Zöliakie leiden, keine glutenhaltigen Produkte zu sich nehmen und müssen daher auf teurere Ersatzprodukte zurückgreifen.
Mehrbedarf bei Schluckstörungen
Mit Schluckstörungen sind Symptome gemeint, die infolge verschiedener Krankheiten wie Schlaganfälle, Multiple Sklerose oder neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson auftreten können. Zur Behandlung sind in manchen Fällen spezielle Andickungspulver notwendig, um eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung zu gewährleisten. Diese Pulver werden jedoch nicht von den Krankenkassen übernommen.
Mehrbedarf bei chronischer Niereninsuffizienz
Bei chronischer Niereninsuffizienz gewährt das Jobcenter nur ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, wenn die Betroffenen auf eine Dialysetherapie angewiesen sind. Durch die Dialyse haben die Patientinnen und Patienten einen erhöhten Proteinbedarf, der oberhalb der Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt. Tritt eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie gleichzeitig mit einer krankheitsassoziierten Mangelernährung auf, empfiehlt der Deutsche Verein einen kumulierten Mehrbedarf von 15 % der Regelbedarfsstufe.
Mehrbedarf bei Mukoviszidose
Bei der angeborenen Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose oder zystische Fibrose kommt es aufgrund einer genetischen Störung zu einem Ungleichgewicht im Salz-Wasser-Haushalt. Dadurch werden Körperflüssigkeiten wie Speichel und Bronchialschleim zähflüssiger.
Betroffene benötigen daher eine spezielle Ernährung, die für ausreichend Mikronährstoffe, essenzielle Fettsäuren und Proteine sorgt. Empfohlen wird eine fettreiche und hochkalorische Kost, die zusätzlich mit speziellen Nahrungsergänzungsmitteln angereichert wird. Daher empfiehlt der Deutsche Verein einen Mehrbedarf von 30 Prozent der Regelbedarfsstufe.
Mehrbedarf bei krankheitsbedingter Mangelernährung
Bei der krankheitsbedingten Mangelernährung handelt es sich um einen Zustand, der durch ein langanhaltendes Ungleichgewicht zwischen der Nahrungszufuhr und dem Energiebedarf entsteht.
Der Deutsche Verein empfiehlt hier einen Mehrbedarf von 10 Prozent der Regelbedarfsstufe. In vielen Fällen ist ein solcher Mangel auf eine akute oder chronische Erkrankung zurückzuführen. Folgende Erkrankungen führen häufig zu einer krankheitsbedingten Mangelernährung:
- Krebs und Tumorerkrankungen,
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD),
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Collitis Ulcerosa,
- Neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson,
- terminale und präterminale Niereninsuffizienz, insbesondere bei Dialysetherapie,
- Wundheilungsstörungen,
- Lebererkrankungen wie alkoholische Steatohepatitis oder Leberzirrhose.
Die Aufzählung gilt nicht als vollständig. Auch weitere Krankheiten können eine krankheitsbedingte Mangelernährung auslösen. In einem Hinweis für Ärztinnen und Ärzte für die Ausstellung der Bescheinigung zur Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung schreibt die Bundesagentur für Arbeit, dass „mindestens jeweils ein Kriterium phänotypischer (das heißt das Erscheinungsbild des Individiums betreffend) und ätiologischer Natur (das heißt die Ursachen für das Entstehen der Mangelernährung betreffend) erfüllt sein“ müssen, um einen Mehrbedarf aufgrund einer krankheitsbedingten Mangelernährung zu gewährleisten.
Als Beispiele für phänotypische Kriterien nennt die Arbeitsagentur:
- Unbeabsichtigter Gewichtsverlust von mindestens 5 Prozent des Körpergewichtes innerhalb der letzten 6 Monate oder mindestens 10 Prozent in einem Zeitraum über 6 Monate.
- Der Body Mass Index (BMI) einer erwachsenen Person, die unter 70 Jahre alt ist, liegt unter 20 oder bei über 70-Jährigen unter 22.
- Durch eine validierte Messmethode zur Bestimmung der Körperzusammensetzung wird eine reduzierte Muskelmasse festgestellt.
Als Beispiele für ätiologische Kriterien nennt die Arbeitsagentur:
- Betroffene nehmen unter 50 Prozent des für sie benötigten Energiebedarfs auf. Das kann entweder durch geringe Nahrungsaufnahme oder durch eine gestörte Nährstoffaufnahme bedingt sein.
- Die Betroffenen haben hohe Entzündungswerte.
- Der Grad der Krankheit hat eine Schwere erreicht, bei dem eine Mangelernährung ein typisches Symptom ist.
Voraussetzungen für den Anspruch auf Mehrbedarf
Ein Anspruch auf den Mehrbedarf für eine kostenaufwendige Ernährung besteht, wenn eine chronische Krankheit vorliegt, die eine spezielle, teure Kost erforderlich macht, oder eine solche Krankheit droht.
Der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den besonderen Ernährungsanforderungen muss per ärztlichem Attest beim Jobcenter nachgewiesen werden. Daraus muss hervorgehen, um welche Erkrankung es sich handelt und welche Ernährungsweise inklusive der Mehraufwendungen dadurch erforderlich sind. Zudem muss der Beginn der Krankheit aufgeführt sein, so dass der Mehrbedarf ggf. auch rückwirkend gewährt werden kann.
In der Regel gewährt das Jobcenter einen Mehrbedarf nur, wenn die ärztlich empfohlene Ernährung von den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. abweicht.
Das bedeutet: Wer sich aufgrund einer Krankheit „nur“ besonders gesund ernähren will, hat meistens keinen Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung, selbst wenn es für die Gesundheit förderlich wäre.
Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren die Liste der Krankheiten, bei denen ein Anspruch auf Mehrbedarf besteht, deutlich gekürzt. Mittlerweile erhalten nur noch Menschen die zusätzliche Leistung, die an verzehrenden Krankheiten mit gravierenden gesundheitlichen Folgen für den Körper und den Organismus leiden.
Diese Liste der hier erwähnten chronischen Erkrankungen, für die ein Mehrbedarf für eine kostenaufwendige Ernährung gewährt wird, ist nicht abschließend. Sie sollten daher mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen, ob eine kostenaufwendige Diät beim jeweiligen Krankheitsbild erforderlich ist und ggf. ein Mehrbedarf beim Jobcenter geltend gemacht werden kann.
Für diese Erkrankungen gibt es keinen Mehrbedarf
Die Krankheiten, die einen Mehrbedarf für aufwändige Ernährung begründen, beeinträchtigen in der Regel den Stoffwechsel. Bei einer Stoffwechselerkrankung ist es so gut wie unmöglich, sich preiswert in einer angemessenen Form zu ernähren. Doch nicht jede Stoffwechselerkrankung führt automatisch zu einer Bewilligung des Mehrbedarfs.
Wenn keine Umstellung der Ernährung erforderlich ist, wird ein Antrag auf Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung abgelehnt.
Auch bei Diabetes mellitus wird ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung abgelehnt, da hier eine gesunde Ernährung wie Vollkost oder Mischkost ausreichend ist. Weitere Krankheiten, die nach Ansicht des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge keinen Mehrbedarf rechtfertigen, sind zum Beispiel:
- Gicht
- Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette)
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut)
- Kardiale oder renale Ödeme (Gewebswasseransammlung bei Herz- oder Nierenkrankheiten)
- Neurodermitis (Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhäuten auf genetischer Basis)
- Ulcus duodeni (Geschwür im Zwölffingerdarm)
- Ulcus ventriculi (Magengeschwür)
- Laktoseintoleranz
- Fruktosemalabsoption
- Histaminunverträglichkeit
- Weizen-Sensitivität (erst bei Zöliakie wird ein Mehrbedarf gewährt)
Auch hier ist die Liste nicht abschließend. Es sind aber die häufigsten Beispiele für Krankheiten bei denen in den meisten Fällen kein Mehrbedarf gewährt wird.
Hintergrund: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. ist im Rahmen eines Gutachtens zu dem Schluss gekommen, dass bei den oben genannten Krankheiten eine Vollkosternährung empfohlen wird und keine spezielle Sonderernährung erforderlich ist. Eine Vollkosternährung ist aus Sicht des Jobcenters bereits durch den normalen Regelsatz abgedeckt.
Kein Mehrbedarf bei Laktoseintoleranz
Die Laktoseintoleranz stellt eine solche Stoffwechselerkrankung da. In der Vergangenheit wurde für dies Erkrankung ein Mehrbedarf bewilligt. Nunmehr entscheiden die Gerichte jedoch in den meisten Fällen zu Lasten der Bürgergeld-Leistungsberechtigten (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Az.: L 6 AS 403/14).
Grund hierfür ist, dass heutzutage vielfältige laktosefreie Produkte die Milch, Joghurt und Käse in den Supermärkten erhältlich sind. Finanzielle Mehrkosten entstehen daher nicht mehr.
Wie wird der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung beantragt?
Der Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung muss separat gestellt werden. Hierzu stellt das Jobcenter ein entsprechendes Formular zur Verfügung. Dieses Formular müssen Sie ausfüllen und das ärztliche Attest beifügen.
Auch für das ärztliche Attest gibt es einen besonderen Vordruck beim Jobcenter. Diesen Vordruck müssen Sie von Ihrem behandelnden Arzt ausfüllen und unterzeichnen lassen.
Bei diesem Mehrbedarf müssen Sie beachten, dass dieser vorerst für ein Jahr bewilligt wird. Wenn der Bewilligungszeitraum abläuft, müssen Sie erneut einen Antrag auf Mehrbedarf stellen.
Quelle:
Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II)
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