Hausbesuch vom Jobcenter – Wie können sich Bürgergeld-Bezieher wehren?

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Wer Bürgergeld bezieht, muss unter bestimmten Umständen damit rechnen, dass das Jobcenter vor der Tür steht. Denn der Leistungsträger hat die Berechtigung, die Angaben der Leistungsempfangenden zu überprüfen.

Hierzu kann in manchen Fällen auch ein Hausbesuch gehören. In diesem Ratgeber erläutern wir, unter welchen Bedingungen das Jobcenter Hausbesuche durchführen darf und wie Sie sich darauf vorbereiten können.

Hausbesuche vom Amt: Das Wichtigste in Kürze

Erstmal vorweg: Hausbesuche vom Amt sind eine Ausnahme. Ohne triftigen Grund kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters in der Regel nicht vorbei und wenn sie es tun, müssen sie sich an bestimmte Richtlinien halten. Im Folgenden haben wir die wichtigsten Faktoren über Hausbesuche in Kürze zusammengefasst:

  • Das Jobcenter braucht einen konkreten Anlass für einen Hausbesuch.
  • Hausbesuche ohne Indizien und ohne Anlass sind nicht zulässig.
  • Ein Anlass kann beispielsweise die Überprüfung der Wohnsituation bei widersprüchlichen Angaben sein.
  • Vor allem bei Unklarheiten, Widersprüchen oder bei fehlenden Angaben tätigt das Jobcenter Hausbesuche als letztes Mittel.
  • Solange kein begründeter Verdacht auf Sozialleistungsbetrug vorliegt, kündigt das Jobcenter die Besuche in der Regel an.
  • Das Jobcenter schickt zu Beweiszwecken immer zwei Personen zu den Hausbesuchen. Sie sollten daher ihrerseits auch einen Zeugen einladen.
  • Die Jobcenter-Angestellten müssen sich bei einem Hausbesuch ausweisen und den Grund des Besuchs erläutern können.
  • Jobcenter-Angestellte dürfen nur mit Ihrer Zustimmung die Wohnung betreten.
  • Verweigern Sie den Zutritt, kann dies jedoch Konsequenzen auf Ihre Leistungsansprüche haben.

Rechtliche Grundlage für Hausbesuche

Im § 21 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 SGB X ist die sogenannte „Inaugenscheinnahme von Beweismitteln“ geregelt. Hausbesuche vom Jobcenter sind demnach „nur in besonders begründeten Fällen zulässig“. Dies kann der Fall sein, wenn sich „die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bezogen auf den einzelnen Sachverhalt nicht anderweitig ermitteln lassen“.

Oder einfach gesagt: Ein Hausbesuch ist erst das letzte Mittel zur Klärung eines Sachverhalts. Wenn Ihre Angaben keine Widersprüche enthalten und wenn Sie auf alle Anfragen des Jobcenters entsprechend reagieren, müssen Sie nicht mit einem Hausbesuch rechnen.

Ohne dringenden Anlass und ohne Ihre Zustimmung hat das Jobcenter sowie jedes andere Amt oder jede andere Behörde nicht das Recht, Ihre Wohnung zu betreten. Dies ist auch im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 13 festgelegt, in dem es heißt:

„Die Wohnung ist unverletzlich.“

In der fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Außendienst werden die Angestellten daher klar und deutlich angewiesen:

„Eine routinemäßige Durchführung von Hausbesuchen zur Feststellung von Leistungsmissbrauch ohne vorherige Indizien ist nicht zulässig. Das Betreten der Wohnung ist nur mit Einverständnis der oder des Betroffenen zulässig.“

Hausbesuch zur Klärung einer Partnerschaft?

Ein häufiger Widerspruch entsteht beispielsweise, wenn mehrere Personen in einer Wohnung leben, aber keine Bedarfsgemeinschaft bilden, also die Bewohnenden nach eigenen Angaben nicht verheiratet und nicht verwandt sind und keine eheähnliche Gemeinschaft bilden.

Für den Bürgergeld-Bezug macht es einen großen Unterschied, ob zwei Menschen, die gemeinsam in einer Wohnung wohnen und nur eine der Personen Bürgergeld bezieht, eine Bedarfsgemeinschaft bilden oder nicht. Denn sollte die andere Person beispielsweise genug Geld verdienen oder genug Vermögen besitzen, so sinken oder entfallen die Ansprüche auf Bürgergeld für die andere Person.

Indizien, die auf eine eheähnliche Gemeinschaft hindeuten, die auch in Notfällen füreinander einsteht, sind beispielsweise ein gemeinsam geführtes Konto, Vollmachten sowie die Dauerhaftigkeit einer Beziehung.

Das Jobcenter führt in dem Fall eine sogenannte „Feststellung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ durch. Hierfür versendet das Amt zunächst die „Anlage VE“, in der die Betroffenen Angaben zu dem Verhältnis zu den in der Wohnung lebenden Personen machen müssen.

In den meisten Fällen kann das Verhältnis durch den Fragebogen im Schriftverkehr geklärt werden. Ein Hausbesuch ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit „allenfalls bei Widerlegung der Vermutung zur Indizienfeststellung erforderlich“, also wenn die gemachten Angaben Widersprüche enthalten oder Indizien auf Sozialbetrug bestehen.

Das Jobcenter kündigt die Hausbesuche meistens an

Unangekündigt stehen die Angestellten des Jobcenters in den allermeisten Fällen nicht vor der Tür. In der fachlichen Weisung zum Außendienst heißt es:

„Hausbesuche sollten grundsätzlich im Vorfeld angekündigt werden, es sei denn, die Ankündigung würde den Zweck des Hausbesuches vereiteln.“

Unangekündigte Hausbesuche sind demnach nur dann zulässig, wenn das Jobcenter vermutet, dass durch die Ankündigung Beweise für einen vorsätzlichen Sozialbetrug beseitigt werden würden. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn das Amt vermutet, dass sich der Empfänger bzw. die Empfängerin von Bürgergeld sich größtenteils nicht an dem Ort aufhält, der in dem Antrag angegeben wurde und stattdessen beispielsweise im Ausland ist.

Dürfen Sie den Zutritt zu Ihrer Wohnung verweigern?

Ja, Sie sind nicht verpflichtet dazu, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters in Ihre Wohnung zu lassen. Die Angestellten sind sogar verpflichtet dazu, Sie über dieses Recht und über mögliche Folgen der Verweigerung aufzuklären. Des Weiteren darf der Zutritt nicht unter Druck erzwungen werden.

Ein klares „Nein“ reicht aus. Gründe für die Verweigerung müssen Sie nicht nennen. Sie entscheiden selbstständig, ob sie dem Jobcenter Zutritt gewähren oder nicht.

Sie können auch während des Hausbesuches den Zutritt nachträglich oder teilweise verweigern, wenn Sie beispielsweise nicht möchten, dass der Außendienst ihr Schlafzimmer betritt.

Darüber hinaus können Sie auch zukünftige Hausbesuche untersagen. Der Außendienst darf jedoch alle Informationen verwenden, die im Rahmen des Besuchs gesammelt wurden, selbst wenn der Zutritt verweigert wurde.

Betritt der Außendienst gegen Ihren Willen ihre Wohnung, begehen die Sachbearbeitenden eine Straftat und Sie sollten die Polizei rufen. Eine Durchsuchung Ihrer Wohnung ohne Ihre Einwilligung darf nur auf richterlichen Durchsuchungsbeschluss bei Verdacht einer Straftat erfolgen und wird in diesem Fall dann auch nicht durch den Außendienst des Jobcenters durchgeführt.

Lassen Sie sich das Prüfprotokoll aushändigen

Der Außendienst des Jobcenters ist dazu angehalten, die betroffene Person während des Hausbesuches über die Verfahrensabläufe zu informieren. Die Eindrücke des Besuchs dokumentieren die Sachbearbeitenden in einem Prüfprotokoll.

Sie haben das Recht, dieses Prüfprotokoll einzusehen und können eine Abschrift des Protokolls einfordern. Sollten Sie die dokumentierten Eindrücke nicht teilen, können Sie beim Jobcenter eine Gegendarstellung einreichen.

Der Außendienst kommt nie allein

Die Bundesagentur für Arbeit schickt immer zwei Leute zu Hausbesuchen. Damit bestärkt das Amt die Aussagekraft des Außendienstes. Diesen Vorteil können Sie auch für sich nutzen, indem Sie eine Person, der Sie vertrauen, als Zeuge des Besuchs beiwohnen lassen.

Darf der Außendienst in die Schränke schauen?

Kurz gesagt: Nein! Laut der fachlichen Weisung zum Außendienst ist eine „routinemäßige Durchsicht der Schränke nicht zulässig“. In manchen Fällen kann eine Sichtung der Schränke und Schubladen für die Klärung eines Sachverhaltes aus Sicht des Jobcenters jedoch erforderlich sein. Die Außerdienst-Mitarbeitenden dürfen jedoch nur Schränke und Schubladen in Ihrer Wohnung öffnen, nachdem Sie es ausdrücklich erlaubt haben.

Hausbesuch muss im Rahmen bleiben

Grundsätzlich darf der Außendienst während des Hausbesuches nur etwas tun, wenn Sie zugestimmt haben. Die Befragung von Nachbarn, Hausmeistern oder Kinder ist ebenso wenig erlaubt, wie Fotos oder Videos von Ihrer Wohnung zu machen. Auch eine verdeckte Überwachung Ihrer Wohnung durch das Jobcenter ist nicht gestattet.

Welche Konsequenzen kann eine Verweigerung des Zutritts haben?

Nach § 60 SGB I sind Beziehende einer Sozialleistung verpflichtet, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Für Hausbesuche besteht jedoch keine konkrete Mitwirkungspflicht. Das heißt, dass das Jobcenter einen Leistungsanspruch nicht versagen darf, nur weil der Zutritt zur Wohnung verweigert wurde. Die Mitteilungspflicht ist dadurch aber nicht aufgehoben.

Der Leistungsträger kann Leistungen ablehnen, die auf ungeklärten oder widersprüchlichen Sachverhalten beruhen. Ein Hausbesuch dient dem Zweck, solche Sachverhalte aufzuklären.

Mit anderen Worten: Lassen Sie den Außendienst des Jobcenters nicht in Ihre Wohnung, kann dies dazu führen, dass bestimmte Leistungen gekürzt oder sogar abgelehnt werden, da Unstimmigkeiten in den Angaben nicht aufgeklärt werden können.

Denn wenn vorhandene Zweifel oder Widersprüche nicht durch einen Hausbesuch, der ja bereits das letzte Mittel zur Wahl darstellt, ausgeräumt werden, ist das Jobcenter laut der fachlichen Weisung „zur Ablehnung der Leistung berechtigt“. Zu einer solchen Ablehnung kann es aber nur kommen, wenn das Jobcenter:

  1. alle Mitwirkungspflichten gegenüber der betroffenen Person zuvor konkret mitgeteilt hat.
  2. ausdrücklich auf die Mitwirkungspflicht hingewiesen und die betroffene Person zur Mitwirkung aufgefordert hat,
  3. alle Möglichkeiten inklusive eines Hausbesuches ausgeschöpft hat, um den Sachverhalt aufzuklären,
  4. die Auswirkungen einer Ablehnung auf die betroffene Person berücksichtigt.

Fazit: Außendienst reinlassen oder nicht?

Das Jobcenter führt Hausbesuche nur als letztes Mittel durch, wenn bereits Widersprüche bestehen und andere Wege der Sachlagen-Klärung gescheitert sind. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, sollten Sie den Hausbesuch daher erdulden, da eine Verweigerung des Zutritts negative Konsequenzen für Ihren Leistungsbezug haben kann.

Aus rechtlicher Sicht können die Sachbearbeitenden den Zutritt jedoch nicht verlangen. Sie bestimmen selbst, was Sie dem Außendienst bei einem Hausbesuch erlauben und was nicht.

Lassen Sie sich auf jeden Fall eine Durchschrift des Protokolls aushändigen, um zu überprüfen, ob Sie mit den Eindrücken übereinstimmen und reichen Sie im Zweifelsfall eine Gegendarstellung ein. Bitten Sie eine Person, der Sie vertrauen, bei dem Besuch anwesend zu sein, damit Sie einen Zeugen haben – das Amt wird ebenfalls zwei Personen schicken.

Quellen

  • Zweites Sozialgesetzbuch – SGB II – Fachliche Weisungen § 6 SGB II – Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende – Außendienst (PDF)
  • Anlage zur Überprüfung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (PDF)
  • Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – § 66 Folgen fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB I)
  • Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – § 60 Angabe von Tatsachen (§ 60 SGB I)
  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 13 (Grundgesetz Art 13)
  • Zehntes Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – § 21 Beweismittel (§ 21 SGB X)