Kindergrundsicherung – Anspruch und Höhe

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Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als arm. 5,6 Millionen Kinder sind hierzulande von Armut bedroht. Mit der Kindergrundsicherung will die derzeitige Regierung laut Koalitionsvertrag „mehr Kinder aus der Armut holen“ sowie „bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen“. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt bereits vor. Der Start der Auszahlung ist für das Jahr 2025 vorgesehen.

Kindergrundsicherung: Das Wichtigste in Kürze

Hier sind die wichtigsten Fakten zur geplanten Kindergrundsicherung in Kürze zusammengefasst. Die Kindergrundsicherung

  • soll mehr Kinder vor Armut schützen und für bessere Chancengleichheit sorgen.
  • wird die zentrale Leistung für alle Kinder in Deutschland und ersetzt das Kindergeld.
  • führt folgende fünf Leistungen zusammen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderregelbedarf aus Bürgergeld und Sozialhilfe sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes.
  • setzt sich aus einem Kindergarantiebetrag, der für alle Kinder gleich ist, und aus einem einkommensabhängigen Kinderzusatzbetrag zusammen.
  • soll erstmals im Jahr 2025 ausgezahlt werden.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Die Kindergrundsicherung ist eine geplante Leistung für Kinder in Deutschland, die von der Ampel-Koalition im Koalitionsvertrag festgelegt wurde.

Dort heißt es: „Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben. Diese Chancengleichheit ist aber noch lange nicht Realität. Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen, werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.“

Um die Chancengleichheit zu gewährleisten, bzw. anzunähern, will das Bundesfamilienministerium das Kindergeld durch die Kindergrundsicherung ersetzen. Bei der Kindergrundsicherung sollen alle Kinder genau wie beim Kindergeld einen Pauschalbetrag, den sogenannten Kindergarantiebetrag, erhalten. Dieser Betrag wird durch einen Kinderzusatzbetrag ergänzt. Der Zusatzbetrag ist abhängig von dem Einkommen der Eltern.

Welche Ziele verfolgt die Kindergrundsicherung?

Rund jedes fünfte Kind lebt hierzulande in Armut. Kinder, die in Armut aufwachsen, sind im Vergleich zu Kindern aus reicheren Familien im Durchschnitt schlechter gebildet, haben ein höheres Risiko für Krankheiten, z.B. aufgrund einer schlechteren Ernährung, werden häufiger straffällig und haben schlechtere Chancen auf eine gut bezahlte Arbeit.

Die Ampel-Koalition versucht mit der Kindergrundsicherung dieses Defizit auszugleichen, um die Kinder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.

Die Leistung soll alle Kinder in Deutschland vor Armut schützen und bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. Außerdem sollen mehr Familien und Kinder durch die Kindergrundsicherung erreicht werden. Etwa 5,6 Millionen Kinder könnten davon profitieren. Zusätzlich soll die Kindergrundsicherung das System der Familienförderung vereinfachen, indem es folgende fünf Leistungen bündelt:

  • Kindergeld,
  • Kinderzuschlag,
  • Kinderregelbedarf aus dem Bürgergeld,
  • Kinderregelbedarf aus der Sozialhilfe,
  • Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes.

Wie setzt sich die Kindergrundsicherung zusammen?

Genau wie beim Kindergeld erhält jedes Kind in Deutschland einen pauschalen monatlichen Betrag, der als Kindergarantiebetrag bezeichnet wird. Dieser Betrag entspricht dem derzeitigen Kindergeld, also aktuell 250 Euro pro Kind und ist für alle Kinder gleich, unabhängig von der finanziellen Situation der Familie.

Der Kindergarantiebetrag kann durch einen einkommensabhängigen Kinderzusatzbetrag aufgestockt werden. Wie hoch dieser Zusatzbetrag ausfällt, steht derzeit noch nicht fest. Er beinhaltet unter anderem einen Teilhabebetrag für Vereine und eine Kinderwohnkostenpauschale. Zudem sollen ältere Kinder einen höheren Kinderzusatzbetrag bekommen als jüngere.

Höhe der Kindergrundsicherung ab 2025

Die genaue Höhe der Leistung steht derzeit noch nicht abschließend fest. Der Kindergarantiebetrag wird im Jahr 2025 vorrausichtlich bei rund 255 Euro pro Kind liegen.

Medienberichten zufolge soll die gesamte Spanne der Kindergrundsicherung, also Kindergarantiebetrag plus Kinderzusatzbetrag, von mindestens 255 Euro bis maximal 530 Euro für junge Kinder und 636 Euro für ältere Kinder reichen.

Bürgergeld-Regelsätze im Vergleich zur Kindergrundsicherung

Alter der Kinder Regelsatz 2023 Regelsatz 2024 Kindergrundsicherung
Kinder von 14 bis 17 Jahren 420 EUR 471 EUR 636 EUR
Kinder von sechs bis 13 Jahren 348 EUR 390 EUR 557 EUR
Kinder bis 6 Jahre 318 EUR 357 EUR 530 EUR

Anrechnung bei der Kindergrundsicherung

Das Einkommen der Eltern, welches deren Bedarfe nach dem SGB II übersteigt, wird zu 45% berücksichtigt wenn es aus Erwerbstätigkeit stammt, ansonsten wird es zu 100% berücksichtigt.

Auch Vermögen des Kindes und der Eltern soll berücksichtigt werden, im Referentenentwurf ist dazu für Kinder jedoch noch nichts geregelt und die dortige Regelung zum Vermögenseinsatz der Eltern hätte zur Folge, dass diese zunächst ihr gesamtes Vermögen einsetzen müssten, bevor Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag bestände. Hier wird es sicher noch Änderungen geben, die sich vermutlich am SGB II orientieren werden.

Im Vergleich dazu sind für Kinder und Jugendliche aktuell beim Bürgergeld Einnahmen aus Erwerbstätigkeiten bis 100 Euro monatlich anrechenfrei, Einnahmen aus Schüler- und Ferienjobs sind sogar komplett anrechenfrei. Ebenfalls anrechenfrei sind steuerfreie Aufwandsentschädigungen in Höhe von 3.000 Euro pro Jahr.

Bei Einnahmen aus Ausbildungsvergütungen sind monatlich 520 Euro nicht anzurechnen, bei Freiwilligendiensten 250 Euro. Davon findet sich im Bundeskindergrundsicherungsgesetz derzeit nichts.

Kindergrundsicherung muss alle 6 Monate neu beantragt werden

Der Kinderzusatzbetrag ist bis auf die pauschalierten Kosten für Unterkunft und Heizung mit dem jetzigen Bürgergeld für Kinder identisch und muss alle 6 Monate neu beantragt werden, was nur Online möglich sein soll und aufgrund der Vielzahl an erforderlichen Informationen höchst komplex und weitaus komplizierter sein wird als z.B. beim Bürgergeld. Der Kinderzusatzbetrag hat zudem Vorrang vor Leistungen des SGB II und XII.

Zuschüsse zur Krankenversicherung

Beim Kinderzusatzbetrag können zusätzlich noch Zuschüsse zu Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung des Kindes bewilligt werden.

Schlechterstellung der Kinder und Eltern

Nach dem aktuellen Stand werden mit dem Bundeskindergrundsicherungsgesetz sowohl Kinder als auch Eltern gegenüber den aktuellen Regelungen deutlich schlechter gestellt, insbesondere durch den Wegfall von Freibeträgen und anrechenfreien Ferienjobs, sowie der für Leistungsträger des SGB XII geschaffenen Möglichkeit der vollständigen Anrechnung des Kindergeldes bei der Grundsicherung.

Der Sozialhilfeverein Tacheles e.V. kritisierte in einer umfangreichen Stellungnahme die Leistungen. Nach derzeitigen Informationen hätte eine in Armut lebende Familie mit 2 Kindern, die über ein Haushaltseinkommen von weniger als 1.700 Euro brutto monatlich verfügt, keine finanziellen Vorteile durch die Kindergrundsicherung gegenüber derzeit zur Verfügung stehenden Leistungen. „Ein Leistungsanspruch besteht also in derselben Höhe, als würde es die Reform nicht geben“, unterstreicht der Verein.

Demnach profitiere eine Familie erst von der Kindergrundsicherung, wenn ihre Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II überwunden wurde und statt Bürgergeld Wohngeld bezogen wird. „Das bedeutet, für Erwerbseinkommen unter 1.700 € wird mit der Kindergrundsicherung kein wirtschaftlicher Anreiz gegeben oder eine finanzielle Besserstellung für Familien erreicht“, betont der Verein.

Familienministerin Lisa Paus versicherte hingegen gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass die Reform mehr Geld in die Taschen der Familien bringen wird. Erst der genaue Gesetzesentwurf für die Kindergrundsicherung, der in den kommenden Wochen beschlossen werden soll, wird klären, ob Familien in Armut tatsächlich von der Kindergrundsicherung profitieren werden.

Wo liegt die Armutsgrenze in Deutschland?

Wer monatlich weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettogehalts hierzulande zur Verfügung hat, gilt als arm. Bei alleinstehenden Personen lag die Armutsgrenze im Jahr 2022 laut dem Statistischem Bundesamt bei einem Netto-Gehalt von 1.250 Euro pro Monat. Eine Familie mit zwei Kindern gilt als arm, wenn die Eltern zusammen weniger als 2.625 Euro Netto-Gehalt pro Monat erwirtschaften.

Wo kann die Kindergrundsicherung beantragt werden?

Eltern können die Kindergrundsicherung zukünftig einfach über ein digitales Antragsportal beantragen. Ein Gang zum Amt wird in den meisten Fällen dazu nicht nötig sein. Eine Beantragung vor Ort soll aber ebenfalls möglich sein.

Der Familienservice prüft darüber hinaus mittels einem Kindergrundsicherungscheck proaktiv, ob Familien einen Anspruch auf den Zusatzbetrag haben. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass von Armut bedrohte Familien auch tatsächlich die volle Unterstützung erhalten. Der Start der Kindergrundsicherung ist für das Jahr 2025 geplant. Bis dahin werden die entsprechenden Antragsportale ausgearbeitet.

Monatelanger Streit um die Kindergrundsicherung

Die Durchsetzung der Kindergrundsicherung führte zu einem Streit in der Ampel-Koalition, begleitet von großem medialem Interesse. Familienministerin Lisa Paus von den Grünen setzte zwölf Milliarden Euro Haushaltsgeld für die Umsetzung an.

Finanzminister Christian Lindner hielt diese Summe für nicht realisierbar und blockierte die Entwürfe. Paus blockierte daraufhin die Pläne des Finanzministers zur Umsetzung von Steuerentlastungen. Ein monatelanger Streit entbrannte.

Letztendlich einigte sich die Regierung Ende August 2023 auf Mehrausgaben von zunächst rund 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung ab dem Jahr 2025 – also wesentlich weniger als gefordert. Vor diesem Hintergrund bleibt fraglich, ob die Kindergrundsicherung die Kinderarmut tatsächlich reduzieren kann und ob eine Umsetzung bis zum Jahr 2025 zu schaffen ist.