Bürgergeld: Nachzahlung für Nebenkosten und Heizung – Was zahlt das Jobcenter?

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Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld haben einen Anspruch darauf, dass ihre Mietkosten in angemessener Höhe übernommen werden. Das gilt auch für die Nebenkosten.

Doch was passiert, wenn sich die Mietnebenkosten erhöhen oder zu wenig Vorauszahlungen geleistet wurden? Ist das Jobcenter verpflichtet, auch die Nachzahlungen für Nebenkosten und Heizung zu übernehmen? In diesem Ratgeber erfahren Sie alles Wissenswerte über Bürgergeld und Nebenkostennachzahlung.

Nebenkostennachzahlung beim Bürgergeld-Bezug: Das Wichtigste in Kürze

Alles wird teurer – vielerorts auch die Mietnebenkosten und die Heizkosten. In der Regel übernimmt während des Bezugs von Bürgergeld das Jobcenter die Nachzahlungen für Heizung und Nebenkosten. Folgende Aspekte spielen dabei eine Rolle:

  • Die Nebenkostennachzahlung wird den Kosten für Unterkunft und Heizung zugeordnet und muss daher vom Jobcenter übernommen werden, insofern diese „angemessen“ ist.
  • Die rechtliche Grundlage für eine Übernahme der Nachzahlungen stellt § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II dar.
  • Für die Übernahme muss ein Antrag beim zuständigen Jobcenter gestellt werden.
  • Stromkosten-Nachzahlungen werden nicht vom Jobcenter übernommen, da diese Kosten im Regelsatz eingepreist sind.
  • Für unangemessene Nachzahlungen oder für Stromnachzahlungen kann ein Darlehen beantragt werden.

Rechtliche Grundlage für Übernahme der Nebenkostennachzahlung

Solange Sie Bürgergeld beziehen, ist das Jobcenter grundsätzlich für die Zahlung der Nebenkosten einer Wohnung zuständig. Dazu gehören auch Nachzahlungen aus der Betriebs- und/oder Heizkostenabrechnung – vorausgesetzt bestimmte Bedingungen sind erfüllt.

Die gesetzliche Grundlage ist der § 22 des zweiten Sozialgesetzbuches (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Dort heißt es unter anderem: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.“

Die Nebenkosten – und somit auch die Nebenkostennachzahlung – gehören zu den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Somit ist der Leistungsträger in der Regel auch zu einer Übernahme der Nachzahlung verpflichtet, mit der Einschränkung, dass diese „angemessen“ sein muss.

Voraussetzungen für die Übernahme der Nebenkostennachzahlung

Das Adjektiv „angemessen“ wird vom Jobcenter sehr gerne benutzt, da es ein dehnbarer Begriff ist. Was im Zweifelsfall angemessen ist oder nicht, entscheidet der Leistungsträger anhand von vor Ort gängigen Preisen und Verbrauchen. Eine Voraussetzung für die Übernahme der Nebenkostennachzahlung ist daher, dass die Nachzahlung nicht auf einen verschwenderischen Verbrauch zurückzuführen ist.

Darüber hinaus sollten die Bürgergeld-Empfangenden noch in der Wohnung wohnen, für die die Nebenkostennachzahlung fällig ist. Es sei denn, der Umzug wurde vom Jobcenter bewilligt und die Bedürftigen befand sich ununterbrochen im Leistungsbezug.

Kann das Jobcenter die Übernahme der Nachzahlung ablehnen?

Es gibt einige Situationen, in denen das Jobcenter die Nebenkostennachzahlung nicht übernimmt. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Nebenkosten zwar während des Bezuges von Bürgergeld entstanden sind, die Rechnung aber erst nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit fällig wird.

Dieser Fall tritt relativ häufig auf, da Vermieterinnen und Vermieter ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraumes Zeit haben, die Nebenkostenabrechnung an die Mieterinnen und Mieter zu versenden. Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022 erhalten viele Personen also erst Ende 2023 oder Anfang 2024.

Sollten Sie also im Jahr 2022 Bürgergeld, beziehungsweise in dem Fall Hartz IV, bezogen haben, sind aber Ende 2023 nicht mehr im Bezug und bekommen die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022, so ist das Jobcenter nicht mehr verpflichtet, die Kosten zu tragen, da Sie nicht mehr hilfebedürftig sind.

Im Umkehrschluss zahlt das Jobcenter jedoch auch Nebenkostennachzahlungen aus einem Zeitraum, in dem Sie nicht hilfebedürftig waren, wenn Sie bei Erhalt der Rechnung im Bürgergeld-Bezug sind.

Außerdem müssen die entstanden Nebenkosten aus der Nachzahlung „angemessen“ und nachvollziehbar sein. Im Zweifelsfall befragt das Jobcenter die Eigentümer der Wohnung, wie die Nachzahlung zustande gekommen ist.

Was zählt zu den Nebenkosten?

Zu den Nebenkosten zählen alle laufenden Kosten, die Vermieter laut der Betriebskostenverordnung auf die Mieter umlegen können. Dazu zählen beispielsweise die Kosten für:

  • Heizung,
  • Warmwasser,
  • laufende öffentliche Lasten des Grundstücks (zum Beispiel Grundsteuer),
  • Wasserversorgung mit Trinkwasser,
  • Außen- und Flurbeleuchtung,
  • Schornsteinfeger,
  • Straßenreinigung,
  • Müllabfuhr,
  • Gebäudereinigung,
  • Abwasserkosten,
  • Betrieb eines Personenaufzugs,
  • Gebäudeversicherung,
  • Gartenpflege,
  • Kosten für den Hausmeister,
  • gemeinschaftliche Antennenanlage bzw. Satellitenschüssel,
  • Kosten für gemeinschaftliche Wäschepflege,
  • Breitbandnetz oder gebäudeinterne Verteileranlage.

Wenn die Kosten für einen oder mehrere dieser Punkte steigen, kann es zu einer Nachzahlung der Nebenkosten kommen. Der Vermieter muss dies gegenüber dem Vermieter durch eine Nebenkostenabrechnung belegen. Der Vermieter muss die Abrechnung spätestens ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraumes erhalten. Danach hat der Vermieter keinen Anspruch mehr darauf, die entstandenen Zusatzkosten vom Mieter einzufordern.

Jobcenter überprüft die Nachzahlung

Das Jobcenter prüft die Nebenkostenabrechnung detailliert. Falls der Leistungsträger die Nachforderung nicht nachvollziehen kann, könnte es erforderlich sein, dass der Vermieter erklären muss, warum bestimmte Kosten gestiegen sind. Wenn die geforderte Nachzahlung als angemessen bewertet wird, ist das Jobcenter zur Kostenübernahme verpflichtet.

Sollte sich aus der Überprüfung jedoch ergeben, dass die Leistungsbeziehenden die Nebenkosten durch verschwenderisches Verhalten verursacht haben, werden die Kosten nur bis zu einer festgelegten Obergrenze getragen.

Achtung: Nicht selten fordern die Jobcenter nach Erhalt eines Antrags zur Übernahme der Nebenkostennachzahlung die Betroffenen zur Kostensenkung auf. Sie sollten also bestenfalls begründen können, wie es zu der Nachzahlung gekommen ist. Mögliche Ursachen können sein:

  • Gestiegene Energiepreise,
  • schlechte Dämmung der Wohnung,
  • veraltete oder defekte Heizungsanlage,
  • kleine Kinder oder ältere Menschen in der Wohnung,
  • erhöhter Wärmebedarf aufgrund von Krankheiten.

Nachzahlungen für Strom werden nicht übernommen

Eine weitere Ausnahme stellen die Kosten für Strom dar. Denn die Stromkosten sind bereits in dem Regelsatz unter dem Bedarf „Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung“ eingepreist. 8,84 % des Regelsatzes sind dafür vorgesehen. Bei einem Regelsatz von 502 Euro im Jahr 2023 sind das 42,55 Euro.

Die Leistungsempfangenden sind dazu angehalten, mit dieser Summe die monatlichen Stromkosten zu decken. Eine Nachzahlung für Strom wird daher nicht vom Jobcenter übernommen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, für die Begleichung der Stromnachzahlung ein Darlehen vom Jobcenter zu beantragen. Für die Rückzahlung behält der Leistungsträger dann monatlich maximal 5 Prozent der Regelleistung ein bis die Schulden getilgt sind.

Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachzahlung

Bei einer erhaltenen Nebenkostennachzahlung können Sie einen Antrag auf Übernahme beim Jobcenter stellen. Dem Antrag müssen Sie eine Kopie der erhalten Rechnung beilegen. Einige Jobcenter bieten eine Vorlage für den Antrag zum Herunterladen an. Sie können den Antrag aber auch selbst formulieren. Folgende Informationen sollten in dem Antrag enthalten sein:

  • Ort und Datum
  • Nummer der Bedarfsgemeinschaft
  • Vor- und Nachname sowie die Adresse des Antragsstellers
  • Telefonnummer für Rückfragen
  • Zeitraum der Abrechnung
  • Höhe der Kosten
  • Art der Kosten (Heizung/Nebenkosten)
  • Unterschrift

Folgenden Text des Jobcenters Rhein-Neckar-Kreis können Sie als Vorlage für den Antrag verwenden:

„Ich beantrage die Übernahme der Kosten aus der beigefügten Nebenkosten-/ bzw. Heizkostenabrechnung für die Zeit vom _____ bis _____.
für Nebenkosten: _____ Euro
für Heizkosten: _____ Euro
Mir ist bekannt, dass eine Kostenübernahme nur bis zur Höhe der angemessenen Nebenkosten/ Heizkosten erfolgen kann.
Sofern weitere Personen in der Haushaltsgemeinschaft leben, werden die Bedarfe aus der Nebenkosten-/ Heizkostenabrechnung auf die Personen in der Bedarfsgemeinschaft (Leistungsberechtigte nach dem SGB II) begrenzt.
Die Nebenkostenabrechnung füge ich vollständig bei.“

Was passiert bei unangemessenen Nachzahlungen?

Sollte das Jobcenter zu dem Schluss kommen, dass die Nachzahlungen unangemessen hoch sind, darf der Leistungsträger nicht einfach die Gelder für die Nebenkosten senken. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (Az.: B 14 AS 57/19 R) hervor.

Stattdessen muss das Jobcenter zunächst ein Kostensenkungsverfahren einleiten, bei denen die Leistungsbeziehenden aufgefordert werden, die Kosten zu senken. Erst wenn die Nachzahlungen trotz Aufforderung erneut zu hoch sind, darf der Leistungsträger Kürzungen vornehmen.

Karenzzeit gilt nicht für die Nebenkosten

Zusammen mit dem Bürgergeld wurde auch eine sogenannte Karenzzeit eingeführt. Im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges werden dadurch die Kosten für die Miete in tatsächlicher Höhe übernommen, selbst wenn diese nicht angemessen sind und oberhalb der festgelegten Mietobergrenzen liegen.

Die Karenzzeit gilt jedoch ausschließlich für die Mietkosten und nicht für die Nebenkosten und die Heizkosten. Diese müssen auch während der Karenzzeit in einem „angemessen“ Rahmen bleiben und werden nur bis zu einer festgelegten Obergrenze übernommen.

Quelle

  • Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II)