Rente: Verjährung bei Beitragsansprüchen und Rückforderungen

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Die Höhe der Rente basiert auf komplexen Berechnungen und bürokratischen Prozessen. Nicht selten schleichen sich dabei Fehler ein. Das kann finanzielle Folgen für Versicherte nach sich ziehen – sowohl zugunsten der Rentnerinnen und Rentner als auch zu deren Lasten. Die Verjährungsfristen im Sozialrecht begrenzen den Zeitraum, in dem Betroffene solche Ansprüche geltend machen können.

In diesem Ratgeber konzentrieren wir uns insbesondere auf die Themen:

  • Verjährung bei überzahlter Rente: Was passiert, wenn Sie als Rentnerin oder Rentner mehr Geld erhalten haben, als Ihnen zusteht oder wenn im Todesfall die Rente weitergezahlt wird? Wie lange hat die Rentenversicherung Zeit, um diese Überzahlungen zurückzufordern, und was können Sie tun, wenn Sie sich in dieser Situation befinden.
  • Verjährung von Beitragsansprüchen: Wie lange haben Sie Zeit, um Ihre Beiträge zur Rentenversicherung geltend zu machen. In welchem Zeitraum können Ansprüche aus fehlerhaften Rentenbescheiden nachträglich zurückgefordert werden?

Verjährung bei der Rente: Das Wichtigste in Kürze

Verjährungsfristen schützen sowohl Rentenempfangende als auch die Rentenversicherungsträger vor alten Ansprüchen. Sie tragen somit für mehr Klarheit und Rechtssicherheit auf beiden Seiten bei. In diesem Zusammenhang sind folgende Aspekte wichtig:

  • Die Verjährungsfristen für die Sozialversicherung basieren größtenteils auf § 25 SGB IV.
  • Demnach verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
  • Wurden die Beiträge vorsätzlich einbehalten, verjährt der Anspruch erst nach 30 Jahren.
  • In bestimmten Situationen, wie beispielsweise bei einem Widerspruch, kann es zu einer Hemmung der Verjährung kommen, wodurch sich die Frist verlängert.
  • Nach Ablauf der Verjährungsfrist können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden.

Das Rentensystem

Das Rentensystem in Deutschland beruht auf dem Generationenvertrag, was bedeutet, dass die aktuell erwerbstätige Bevölkerung die Renten der derzeitigen Rentnerinnen und Rentner finanziert. Die Rentenversicherung ist dabei ein wichtiger Teil der Sozialversicherung und wird hauptsächlich durch Beiträge finanziert, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden.

Das System umfasst verschiedene Rentenarten, darunter die Altersrente, Grundrente, Erwerbsminderungsrente und Hinterbliebenenrente. Die jeweiligen Beitragsansprüche ergeben sich unter anderem aus der Höhe der eingezahlten Beiträge und der Versicherungsdauer.

Bei der Berechnung der Rente kommt es nicht selten zu Fehlern. Die Deutsche Rentenversicherung musste nach eigenen Angaben im Jahr 2018 rund 35.000 Rentenbescheide korrigieren, nachdem Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt wurde.

9 typische Ursachen für fehlerhafte Rentenbescheide

Das Bundesversicherungsamt hat eine Übersicht zu den verbreitetsten Problemen zusammengestellt, die bei der Rentenberechnung auftreten und zu Ungenauigkeiten führen können:

  • Anrechnungszeiten fehlerhaft berücksichtigt: Oft entstehen Ungenauigkeiten bei der Einbeziehung von Zeiten der Ausbildung oder Aufenthalten im Ausland in die Rentenberechnung. Solche Fehler können die Höhe der Rente negativ beeinflussen.
  • Berechnungsfehler bei Hinterbliebenenrenten: Bei der Einkommensanrechnung auf Witwen- und Witwerrenten treten regelmäßig Fehler auf, besonders wenn der hinterbliebene Partner ein eigenes Geschäft führt. Fluktuierende Einkommen können dann zu unrechtmäßig hohen Rentenkürzungen führen.
  • Falsche Teilrenten für Frührentner mit Erwerbstätigkeit: Bei Personen, die vorzeitig in Rente gehen und weiterhin arbeiten, kommt es oft zur Festsetzung zu niedriger Teilrenten. Auch die Fortführung von zeitlich befristeten Erwerbsminderungsrenten wird nicht immer korrekt gehandhabt.
  • Unzutreffende Verrechnung von Unfallrenten: Die Kombination von Unfallrenten mit Altersrenten wird insbesondere bei höheren Unfallrenten oft falsch berechnet, was zu starken Kürzungen der Altersrente führen kann.
  • Inkorrekte Rentenberechnung bei Pflegeverpflichtungen: Die Altersrenten von Personen, die frühzeitig in Rente gehen, um Pflegeaufgaben zu übernehmen, werden oftmals falsch ermittelt. Die Berücksichtigung von Rentenbeiträgen für Pflegezeiten erfolgt nicht immer korrekt.
  • Fehlerhafte Anrechnung von DDR-Renten: Rentenansprüche, die in der DDR erworben wurden, werden nicht immer richtig in die Gesamtrente einbezogen.
  • Versorgungsausgleich nach Scheidung unzureichend berücksichtigt: Nach einer Scheidung wird der Versorgungsausgleich manchmal gar nicht oder fehlerhaft bei der Rentenberechnung einbezogen.
  • Fehler bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente: Die Ermittlung der Erwerbsminderungsrente weist in einigen Fällen Ungenauigkeiten auf.
  • Unvollständige Berücksichtigung freiwilliger Rentenbeiträge: Freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung werden nicht immer oder nur teilweise in der Rentenberechnung anerkannt.

Bei der Feststellung solcher oder ähnlicher Fehler in Ihrem Rentenbescheid ist es wichtig, schnell zu handeln und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen, um eine korrekte Berechnung Ihrer Rente sicherzustellen.

Was sind Verjährungsfristen?

Kommt es zu Fehlern im Rentenbescheid kann dies finanzielle Folgen der Versicherten nach sich ziehen. Berechnet die Rentenversicherung die Beiträge falsch, bekommen die Betroffenen entweder zu viel oder zu wenig Rente.

Zahlt der Leistungsträger zu viel Rente aus, hat er das Recht, die zu viel gezahlten Beiträge zurückzufordern. Umgekehrt können Rentnerinnen und Rentner Beiträge nachfordern, wenn ihnen mehr Leistung zusteht, als ausgezahlt wurde.

Solche Ansprüche müssen allerdings innerhalb eines rechtlich festgelegten Zeitraums geltend gemacht werden. Danach sind die Ansprüche verjährt und können nicht mehr eingefordert werden. Dieser Zeitraum wird als Verjährungsfrist bezeichnet.

Verjährung bei überzahlter Rente

Eine Überzahlung bei der Rente liegt vor, wenn Sie von der Rentenversicherung mehr Geld erhalten haben, als Ihnen rechtlich zusteht. Dies kann verschiedene Ursachen haben, wie etwa Fehler in der Berechnung, verspätete Meldungen über Änderungen Ihrer persönlichen Verhältnisse oder auch Unstimmigkeiten bei den gemeldeten Beitragszeiten.

Die Verjährungsfrist für die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Rentenleistungen beträgt vier Jahre. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Rentenversicherung Kenntnis über den Fehler erlangt hat, bzw. Kenntnis gehabt haben müsste.

Beispiel: Eine Überzahlung der Rente erfolgte im Jahr 2021. Im Jahr 2022 erlangte der Leistungsträger Kenntnis von dieser Überzahlung. Er darf nun die überzahlten Beiträge bis Ende 2026 zurückfordern. Tut er das in diesem Zeitraum nicht, ist der Anspruch verjährt.

Eine Besonderheit gilt jedoch bei arglistiger Täuschung: Wurde die Überzahlung durch falsche Angaben oder das Verschweigen von relevanten Informationen seitens des Rentenempfängers verursacht, erweitert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre.

Fortzahlung der Rente nach dem Tod des Versicherten

Ein spezieller Fall, der häufiger auftritt, ist die Fortzahlung der Rente nach dem Tod des Versicherten. Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) kürzlich ein wichtiges Urteil zur Verjährung überzahlter Renten gefällt (B 5 R 18/21 R)

Der Fall betraf eine Rentnerin, die im Oktober 2009 verstarb. Ihre Tochter übernahm die Pflicht, den Renten Service der Deutschen Post AG über den Tod ihrer Mutter zu informieren.

Sie legte neben der Versicherungsnummer der Altersrente auch die Sterbeurkunde vor. Der Renten Service bestätigte, dass alle erforderlichen Schritte unternommen wurden.

Während die Altersrente der Mutter ordnungsgemäß eingestellt wurde, setzte der Leistungsträger jedoch Auszahlung der Witwenrente fort, ohne dies zu bemerken. Zwischen November 2009 und März 2010 wurden auf diese Weise fälschlicherweise 4.077 Euro zu viel auf das Konto der Verstorbenen überwiesen.

Rentenversicherung reagierte zu spät

Erst im Jahr 2015 forderte die Deutsche Rentenversicherung die Rückzahlung dieser überzahlten Rentensumme ein. Die Bank, die in erster Linie für die Rücküberweisung verantwortlich gewesen wäre, lehnte dies ab.

Ihre Begründung: Die Forderung sei verjährt, da der Renten Service bereits 2009 über den Tod informiert wurde. Die DRV Bund hielt dagegen, dass für die Verjährungsfrist allein ihre eigene Kenntnis der Überzahlung maßgeblich sei, nicht die des Renten Services.

Das BSG stellte sich jedoch gegen diese Ansicht. Es urteilte, dass der Renten Service, der die Auszahlung von etwa 26 Millionen Renten übernimmt, als Vermittler der Rentenversicherung agiert. Entscheidend für den Beginn der Verjährungsfrist ist daher der Zeitpunkt, zu dem der Renten Service von der Überzahlung Kenntnis erlangt.

Besonders hervorgehoben wurde auch, dass die Tochter bei der Meldung des Todes ihrer Mutter keinerlei Schuld trifft. Die alleinige Angabe der Versicherungsnummer der Altersrente und nicht der Witwenrente wurde als „unwesentlich“ eingestuft.

Was tun bei Überzahlung und Rückforderung der Rente?

Falls Sie feststellen, dass Sie möglicherweise zu viel Rente erhalten haben, können Sie folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Beginnen Sie mit einer genauen Überprüfung Ihrer Rentenbescheide und Zahlungen. Notieren Sie sich, wann die Überzahlung begann und wie hoch diese ist. Holen Sie sich im Zweifelsfall fachkundige Hilfe.
  • Nehmen Sie umgehend Kontakt mit Ihrer Rentenversicherung auf, um den Sachverhalt zu klären. Eine offene und ehrliche Kommunikation kann viele Probleme von vornherein vermeiden.
  • Sollten Sie mit der Entscheidung der Rentenversicherung nicht einverstanden sein oder Fehler feststellen, haben Sie das Recht, Widerspruch einzulegen. Informieren Sie sich über das korrekte Vorgehen und halten Sie alle Fristen ein (siehe: Widerspruch gegen den Bürgergeld-Bescheid).
  • Wenn eine Überzahlung korrekt festgestellt wurde, wird in der Regel eine Rückzahlung fällig. Hier können Sie mit der Rentenversicherung eine für beide Seiten tragbare Lösung finden, beispielsweise eine Ratenzahlung, wenn die sofortige Rückzahlung eine finanzielle Härte bedeuten würde.
  • Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten ist es ratsam, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Beratungsstellen, Verbraucherzentralen oder ein Anwalt für Sozialrecht können wertvolle Unterstützung bieten.

Durch proaktives Handeln und die Nutzung Ihrer Rechte können Sie dazu beitragen, dass die Angelegenheit zu Ihrer Zufriedenheit gelöst wird. Wichtig ist, dass Sie bei einer Überzahlung nicht untätig bleiben und die Situation aktiv angehen.

Verjährung von Beitragsansprüchen

Beitragsansprüche beziehen sich auf das Recht der Versicherten, Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Sie basieren auf den geleisteten Beitragszahlungen, die während des Erwerbslebens gezahlt wurden.

Werden Beitragsansprüche aus irgendeinem Grund nicht berücksichtigt, sinkt die Höhe der Rente. Betroffene können die fehlenden Beiträge innerhalb der Verjährungsfrist einfordern.

Grundsätzlich verjähren Ansprüche aus der Sozialversicherung, zu denen auch die Rentenversicherung gehört, nach vier Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Beispiel: Wer im Jahr 2020 zu wenig Rente erhalten hat, kann die fehlenden Beträge bis Ende 2024 geltend machen, bevor die Verjährung greift.

Umgang mit verjährten Beitragsansprüchen

Falls Sie feststellen, dass Sie möglicherweise zu wenig Rente erhalten haben, können Sie folgendes tun:

  • Stellen Sie sicher, dass alle Ihre Arbeitsverhältnisse und Beitragszeiten korrekt bei der Rentenversicherung erfasst sind. Bewahren Sie daher immer alle relevanten Unterlagen, wie Gehaltsabrechnungen und Arbeitsverträge, sorgfältig auf.
  • Informieren Sie sich über die Fristen für die Geltendmachung von Beitragsansprüchen. Sollten Sie Unstimmigkeiten feststellen, handeln Sie schnell, um eine Verjährung zu vermeiden.
  • Melden Sie fehlende Beitragszeiten oder andere Unstimmigkeiten so früh wie möglich bei der Deutschen Rentenversicherung.
  • Bei Unklarheiten oder Problemen mit verjährten Ansprüchen sollten Sie nicht zögern, eine Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung oder bei einem Rentenberater in Anspruch zu nehmen.
  • Falls Sie mit einer Entscheidung der Rentenversicherung nicht einverstanden sind, können Sie Widerspruch einlegen.
  • Informieren Sie sich über das Verfahren und die Fristen, um Ihre Rechte wirksam zu vertreten.

Die Kenntnis über Beitragsansprüche und deren Verjährungsfristen ist essenziell, um sicherzustellen, dass Sie die Rente erhalten, die Ihnen zusteht. Durch aufmerksames Verwalten Ihrer Unterlagen und proaktives Handeln können Sie verhindern, dass Ihnen durch Verjährung Nachteile entstehen.

Verjährung bei Sozialleistungen

Antworten auf Fragen zu Verjährungsfristen im Sozialrecht sowie deren Anwendung auf das Bürgergeld, die Sozialhilfe, das Wohngeld und den Kinderzuschlag finden Sie in unserem Ratgeber „Verjährung: So lange darf das Jobcenter Bürgergeld zurückfordern“.

Quellen

  • Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) § 25 Verjährung (§ 25 SGB IV)
  • Bundessozialgericht: Urteil vom 26.07.2023, B 5 R 18/21