Trick: 4 Prozent der Hartz IV Klagen erfolgreich?

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Neue BA-Strategie: Erfolgreiche Hartz IV-Klagen verhindern durch Einigungen ohne Richterspruch

13.07.2012

Die Bundesagentur für Arbeit hat eine neue Erfolgsmeldung für die Medien: Nur vier Prozent der eingereichten Hartz IV Klagen seien für den Kläger vor den Sozialgerichten in den ersten drei Monaten des Jahres 2012 erfolgreich gewesen. Doch wer sich die Statistik genau ansieht, erblickt eine neue Strategie: Um die Erfolgsquote öffentlich wahrnehmbar zu senken, einigen sich die Jobcenter mit dem Kläger bereits vor Urteilsfindung und das in 85 Prozent der Fällen.

85 Prozent der Klagen ohne Richterspruch mit Einigung
Laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) gebe es eine „deutliche Trendumkehr“. Konnten Hartz IV Betroffene noch im letzten Jahr in knapp 50 Prozent der verhandelten Fällen einen Erfolg oder mindestens einen Teilerfolg vor Gericht erringen, sei nun die Erfolgsquote in den ersten drei Monaten diesen Jahres auf ganze vier Prozent geschrumpft. Von den insgesamt verhandelten 28.241 Klagen wurden etwa 10 Prozent seitens der Sozialgerichte nicht zugelassen. Aber: In 85 Prozent der Fällen zogen die Betroffenen die Klage zurück, weil eine Einigung mit der beklagten Behörde stattfand. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass nunmehr die Devise heißt: Erst den Antrag ablehnen, dem Widerspruch nicht stattgegeben und wenn der Betroffene dennoch klagt, für eine Einigung ohne Urteilsspruch bereit sein. Eine entsprechende interne Weisung seitens der BA an die Jobcenter liegt der Redaktion vor. So heißt es in der BA-Weisung "Der Rechtsschutz im SGB II Praxishandbuch für das Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz", Seite 47: "Ein Vergleich kann ungeachtet dessen geboten sein, wenn z.B. Bearbeitungsfehler unterlaufen sind, die ein prozessuales Einlenken angezeigt erscheinen lassen. Auch kann von einem Urteil eines Sozialgerichts eine weitergehende Ausstrahlungswirkung als von einem Vergleich ausgehen. Hinsichtlich der Kosten ist § 195 SGG zu beachten." Eine Quotenabsenkung der erfolgreichen Klagen von ehemals 50 Prozent auf 4 Prozent ist demnach mit einer neuen Strategie verbunden.

Das BA- Vorstandsmitglied Heinrich Alt kann es sich dann auch nicht nehmen lassen, nun von einer „Trendumkehr“ in der Springers „Die Welt“ zu sprechen. Schließlich würden Jobcenter nun „effizienter“ arbeiten. Was das unter anderem bedeutet, müssen zehntausende Hartz IV Bezieher am eigenen Leib erfahren: Auf Teufel komm raus wird jedes kleine Mini-Vergehen mit Leistungsentzug bestraft. Die Sanktionsquote ist im vergangenen Jahr um ein vielfaches angestiegen. Zudem finden sich immer mehr Menschen im Niedriglohnsektor wieder, weil sie von den Jobcentern dazu gezwungen werden, jede Tätigkeit anzunehmen, sei sie auch noch so unterbezahlt. Die Folge: Immer mehr Menschen müssen mit Hartz IV aufstocken, obwohl sie einer Vollzeittätigkeit nachgehen.

Warum eine Strategieänderung?
Zu offensichtlich ist, dass das Hartz IV-System an allen Ecken und Kanten nicht nur ungerecht, sondern auch rechtlich auf wackligen Beinen steht. Um weitere Grundsatzurteile zu verhindern, die dann zur Vorlage von weiteren Widersprüchen/Klagen dienen, werden schnell mit den Betroffenen Einigungen erzielt, bevor es zu einem Richterspruch kommt. Zudem war das Hauptargument vieler Hartz IV Kritiker, dass die Erfolgsquote vor den Sozialgerichten eine eigene Sprache spricht. Bei einer Erfolgsrate von 50 Prozent kann etwas am Hartz IV-System nicht stimmen. Der geschickte Schachzug der Einigung ohne Richterspruch in 85 Prozent der Klagen will nun das Argument stehlen. Doch die 85 Prozent zeigen weiterhin deutlich: Klagen sind erfolgreich, um Rechte durchzusetzen. (sb)

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