Buchvorstellung: Hartz IV- und der Tag gehört Dir?

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"Hartz IV – und der Tag gehört dir"

(23.07.2010) Im Juni 2010 hat Autor Björn Lange unter dem Arbeitstitel „Hartz IV – und der Tag gehört dir“ im "Books on Demand Verlag" ein sehr fachkundiges und interessantes Sachbuch veröffentlicht. Das 176-seitige Paperback trägt den Untertitel „Über das Schicksal Langzeitarbeitsloser, den Zerfall unseres Sozialsystems und das Milliardengrab ARGEn/Jobcenter“.

Bei seinem ersten Sachbuch handelt es sich um eine umfangreiche und vielschichtige Aufarbeitung der größten Sozialreform der Bundesrepublik Deutschland. Als ehemaliger und langjähriger Sachbearbeiter in den Bereichen Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II (Hartz IV) kennt der Autor Probleme, Folgen sowie Missstände des Systems – hat sie teilweise hautnah miterlebt – und bringt nun seine Thesen und Analysen zu Papier. Neben seinen eigenen beruflichen Erfahrungen blickt er in seinen Ausführungen aber auch weit über den Tellerrand hinaus und beobachtet neben den Milliardenkosten für die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe „ohne wirklichen Nutzen“ einen zunehmenden Zerfall der sozialen Werte unserer Gesellschaft, ohne dabei die Schicksale der Betroffenen aus den Augen zu verlieren.

Darüber hinaus leistet der Autor wichtige Aufklärungsarbeit. Viele kennen den Begriff Hartz IV, der sich längst eingebürgert hat, aber Rechtsgrundlagen, Regelbedarfe, Berechnungs- und Anspruchsgrundlagen bleiben den meisten Menschen, die nicht unmittelbar betroffen sind, verborgen. Lange gelingt es, diese Grundlagen der Arbeitslosengeld II-Thematik trotz der schweren Thematik anschaulich zu beleuchten, um sich anschließend voll und ganz der kritischen Aufarbeitung von Organisationsstruktur, den Kosten sowie den Grenzen des Systems zu widmen.

Das Kapitel „Hartz IV und seine Folgen“ schildert detailliert und fundiert die Kostenentwicklung der Reform, die Probleme der Kommunen, die Überlastung der Gerichte, temporäre Amtswillkür sowie den Sinn und Unsinn von Bildungsmaßnahmen. Schnell wird klar, dass das neue System mitunter sehr schnell an seine Grenzen stößt. Diese Themen und Entwicklungen haben zwangsläufig ein großes öffentliches Interesse zur Folge, und diesem widmet sich der Autor in seinem folgenden Kapitel. Wie bereits eingangs erwähnt, hat sich der Name Hartz IV längst eingebürgert und gleichzeitig für viel Diskussionsstoff gesorgt. Äußerst kritisch setzt sich Lange in diesem Zusammenhang mit den Rollen der Medien sowie der Politik auseinander, die sich gleichermaßen durch ihre unangemessene und sehr subjektive Sichtweise der Dinge disqualifizieren.

Im zweiten Teil des Buches geht der Autor vorrangig auf die Personen im Hartz-IV-Bezug ein, auf ihr Leben, aber auch auf die Probleme der Sachbearbeiter. Nach der Vorstellung der einzelnen Personengruppen mit all ihren individuellen Problemen und Facetten, folgte das sehr interessante Kapitel „Machtlosigkeit der Mitarbeiter“, in dem folgende Fragen erläutert werden: Was macht ein Sachbearbeiter eigentlich den ganzen Tag? Welche Rolle spielt die Zeitarbeit? Wie gehe ich mit Schulden, Selbstständigen oder Schwarzarbeitern um? Wie gerecht ist das System und wie reagiere ich auf die zunehmende Kapitulation der Leute?

Hartz-IV-Empfänger führen oft kein „normales Leben“. So viel steht fest, aber wie leben sie wirklich? Wie verbringen sie ihre Zeit, wo leben sie und vor allem, welche sozialen Nachteile haben sie? In diesem Zusammenhang geht der Autor sehr detailliert auf die gesellschaftlichen Missstände ein, die einen echten Teufelskreis der Chancenlosigkeit entstehen lassen. Abgerundet wird das Buch durch zwei authentische Fallgeschichten einer alleinstehenden Person und einer Familie im Hartz-IV-Bezug sowie Langes Abschlussworten, die Auswege aufzeigen, wie es in unserem Land wieder sozial gerechter zugehen könnte.

Resümierend kann man festhalten, dass es sich bei „Hartz IV – und der Tag gehört dir“ um einen gelungenen Rundumschlag handelt, den es in dieser Form noch nicht gibt. Neben seiner Fachkenntnis ist Lange in der Lage, sich in die Personen hineinzuversetzen und ihre Schicksale treffend, einfühlsam und interessant zu schildern. Neben seinen eigenen beruflichen Erfahrungen, zeichnet sich Lange durch seinen Weitblick aus. Der 34jährige Oberberger nennt die Probleme unseres Sozialstaates beim Namen, kritisiert die Klasseneinteilung und regt einen sozialen Umdenkprozess an.

Beim Schreiben verfällt der erfahrene und etablierte Journalist teilweise in einen dosierten Zynismus, der bewusst das Interesse des Lesers anhebt und diesen trotz der ernsten Thematik an der einen oder anderen Stelle schmunzeln lässt. Das Buch hebt sich eindeutig von den bisherigen Büchern und Ratgebern über das Hartz-IV-System ab und ist sowohl für direkt als auch für indirekt betroffene Personen eine absolut lohnenswerte Lektüre. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.bjoern-lange-bestseller.de. (pm)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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