Wenn eine Krankheit bei einem Auszubildenden länger als sechs Monate andauert, besteht kein Anspruch auf Kindergeld. Das urteilte der Bundesfinanzhof am Donnerstag.
Kein Kindergeld bei längerer Erkrankung
Dauert eine Erkrankung eines volljährigen Auszubildenden voraussichtlich länger als sechs Monate an, besteht regelmäßig kein Anspruch auf Kindergeld mehr. Um Kindergeld wegen des Bestehens einer Ausbildung erhalten zu können, darf eine Erkrankung nur „vorübergehend” sein, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, 21. April 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: III R 43/20).
Bei länger andauernden Erkrankungen komme dann bei volljährigen Kindern aber ein Kindergeldanspruch wegen einer Behinderung in Betracht, vorausgesetzt, das Kind kann sich selbst nicht unterhalten.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können Eltern für unter 25-jährige, in Ausbildung oder auf Ausbildungsplatzsuche befindliche Kinder auch nach der Volljährigkeit weiter Kindergeld erhalten.
Auszubildener durch Unfall längere Zeit krank
Im Streitfall ging es um einen heute 23-jährigen jungen Mann, der ab August 2015 eine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker begonnen hatte. Die Ausbildung sollte Ende Januar 2019 beendet werden.
Im September 2018 erlitt der damals 19-jährige Azubi auf der Arbeit aber einen schweren Unfall mit Schädelbasisbruch und Schädel-Hirn-Trauma. Es folgten mehrere Krankenhausaufenthalte und Reha-Maßnahmen, von denen die letzte 17 Monate nach dem Unfall begann.
Als die Familienkasse von dem schweren Unfall erfuhr, lehnte die Behörde die Weiterzahlung des Kindergeldes an die Mutter ab. Zwar bestehe bei Volljährigen in der Ausbildung ein Kindergeldanspruch. Hier sei die Ausbildung wegen der Krankheit aber unterbrochen worden.
Das Finanzgericht Münster sprach der Klägerin Kindergeld für die ersten acht Monate nach dem Unfall zu. Das Ausbildungsverhältnis habe fortbestanden, die Ausbildung habe der Azubi auch beenden wollen.
Kein Kindergeld für Azubi bei voraussichtlich langer Erkrankung
Doch der BFH hob dieses Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht zurück. Eine vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung – etwa wegen einer Erkrankung – sei zwar für den Kindergeldanspruch „unschädlich”.
„Vorübergehend” bedeute dabei, dass die Erkrankung voraussichtlich nicht länger als sechs Monate andauern werde, heißt es in dem Urteil.
Liege die Heilungsprognose über den Sechsmonatszeitraum, könne das Kind für den Anspruch auf Kindergeld wegen einer Ausbildung nicht mehr berücksichtigt werden.
Falls zunächst eine schnellere Genesung möglich erscheint, könne der Kindergeldanspruch „für diesen Zeitraum noch wegen des fortbestehenden Ausbildungsverhältnisses begründet sein”, urteilte der BFH.
Werde dagegen ein über sechs Monate dauernder Heilungsprozess erwartet, komme ein Kindergeldanspruch nur noch wegen des Vorliegens einer Behinderung in Betracht. Voraussetzung hierfür sei, dass das volljährige Kind „behinderungsbedingt außerstande war, sich selbst zu unterhalten”.
Ausbildung darf nicht länger als sechs Monate unterbrochen sein
Im konkreten Fall müsse das Finanzgericht nun prüfen, ob in den ersten Monaten nach dem Unfall mit hoher Wahrscheinlichkeit ein langwieriger, länger als sechs Monate dauernder Heilungsprozess abzusehen war. Wenn ja, soll es zudem klären, ob ein Kindergeldanspruch wegen einer Behinderung bestand.
Ähnlich hatte der BFH auch am 12. November 2020 zu volljährigen, arbeitsuchenden Kindern entschieden (Az.: III R 15/20; JurAgentur-Meldung vom 25. Februar 2021).
Sei das Ende einer Erkrankung bei einem ausbildungsplatzsuchenden volljährigen Kind nicht absehbar, entfalle der Kindergeldanspruch. Allein der Wille des Kindes, nach dem Ende der Erkrankung eine Ausbildung aufnehmen zu wollen, reiche für Kindergeldzahlungen nicht aus. fle/mwo, Bild: playstuff – fotolia
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors