Hartz-IV-Rückforderung darf nicht Zukunft verbauen

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Die Rückforderung von Grundsicherungsleistungen soll jungen Menschen nicht die Zukunft verbauen. Eine Rückforderung von über 51.000 Euro wegen eines schon mehrere Jahre zurückliegenden „sozialwidrigen Verhaltens“ verstößt gegen das Übermaßverbot, wie das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem am Montag, 20. Februar 2023, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: L 11 AS 346/22).

Fristlose Kündigung durch Ausbildungsstätte

Der heute 30-jährige Kläger hatte nach der Schule eine Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik begonnen. Im Februar 2012 verließ er unerlaubt seinen Arbeitsplatz, wenig später fehlte er zwei Wochen lang unentschuldigt, bis der Arbeitgeber am 16. März 2012 fristlos kündigte.

Nach einer Sperrzeit erhielt er zunächst Arbeitslosengeld I und danach Hartz-IV-Leistungen. Diese kürzte das Jobcenter wegen des Ausbildungsabbruchs um 30 Prozent.

Jobcenter stellte zehn Bescheide zu

Doch damit nicht genug: Im Mai 2013 stellte das Jobcenter fest, wegen seines„sozialwidrigen Verhaltens“ müsse er die Hartz-IV-Leistungen zurückzahlen. Das Jobcenter zahlte zwar weiter, forderte aber in zehn Bescheiden für einzelne Zeitabschnitte bis Ende November 2019 das Geld dann wieder zurück – insgesamt über 51.000 Euro.

Der Arbeitslose wehrte sich zunächst nicht, stellte später mithilfe eines Anwalts aber einen Überprüfungsantrag.

Mit seinem auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil vom 26. Januar 2023 gab das LSG Celle dem nun statt. Es sei völlig unklar, ob der Mann mit abgeschlossener Berufsausbildung tatsächlich durchgehend gearbeitet hätte.

Hartz-IV-Rückforderung soll jungen Menschen nicht Zukunft verbauen

Vor allem aber liege hier ein Härtefall vor. Das Verhalten, das zum Ende der Ausbildung führte, sei „eine typische ‚Jugendsünde‘ eines damals 20-Jährigen“ gewesen.

Zudem habe er als Gründe auf Mobbing und depressive Schübe verwiesen. Jedenfalls dürfte ihm damals „die Einsichtsfähigkeit zur Einschätzung etwaiger Spätfolgen seines Tuns oder Unterlassens gefehlt haben“.

LSG Celle: Rückforderung von 51.000 Euro ist übermäßig

Damit fehle der für die Rückforderung notwendige Zusammenhang mit seiner weiteren Hilfebedürftigkeit bis zu siebeneinhalb Jahre später, befand das LSG.

Durch die hohen Rückforderungen werde „jegliche Erwerbsperspektive des langzeitarbeitslosen, ungelernten und selbst am Ende des streitbefangenen Zeitraums erst 28-jährigen Klägers zerstört“. mwo/fle

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