Bundesrat stoppt Hartz IV Reform

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Bundesrat stoppt die geplante Hartz IV Reform der Koalition. Nun muss ein Vermittlungsausschuss einberufen werden. Die SPD signalisiert ihre Zustimmung, wenn die Bundesregierung bereit für Kompromisse ist

17.12.2010

Wie erwartet hat heute der Bundesrat den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf zur Hartz IV Reform vorerst gestoppt. Der Berechnungsgrundlage des Arbeitslosengeld II Regelsatzes sowie dem geplanten Bildungspaket wurde durch die Länderkammer wie erwartet eine Absage erteilt. Die schwarz-gelbe Koalition verfehlte damit eine Mehrheit. Der Grund: Das Regierungslager verfügt derzeit über keine Mehrheit im Bundesrat.

Bereits im Vorfeld wurde deutlich, dass die von der Bundesregierung vorgelegten Hartz-IV Berechnungen nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar diesen Jahres entsprechen. Die Neuberechnung war notwendig, weil die obersten Verfassungsrichter die Berechnungsgrundlagen der ALG II Regelsätze für Kinder und Erwachsene als verfassungswidrig bemängelte und den Gesetzgeber aufforderte bis zum Ende des Jahres eine Grundlage zu schaffen. Daraufhin bediente sich das Bundesarbeitsministerium statistischer Tricks, um die Regelleistungen nach einem politischen Willen zu bemessen. Sozialrichter, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Erwerbslosen-Verbände und Opposition machten daraufhin deutlich, dass die Neuberechnung abermals den tatsächlichen Ansprüchen nicht genügen, um die Betroffenen vor einer akuten Armut zubewahren.

Keine Erhöhung um 5 Euro zum Jahresanfang
Die geplante Erhöhung um fünf Euro für Erwachsene im Hartz IV-Bezug auf 364 Euro wird es zum Jahresbeginn 2011 vorerst nicht geben. So teilte die Bundesagentur für Arbeit bereits einige Tage vor der Abstimmung in der Länderkammer mit, dass eine solche erhöhte Auszahlung nur durch eine abgeschlossene Gesetzgebung möglich sei. Wie der Chef der Bundesagentur Heinrich Alt am Freitag allerdings mitteilte, wird die Erhöhung der derzeit 4,5 Millionen erwachsene Hartz IV Bezieher rückwirkend ausgezahlt, sobald das Gesetzesverfahren abgeschlossen ist. Auch das geplante Bildungspaket wird erst dann in Kraft treten, wenn sich Opposition und Bundesregierung geeinigt werden. Eltern sollten allerdings schon jetzt einen Antrag auf Teilhabe für ihre Kinder stellen, um entsprechende Ansprüche zu sichern. Entsprechende Informationen dazu finden Sie hier:

Bundestag stimmte den Hartz IV Reformen zu
Noch vor zwei Wochen hatte der Deutsche Bundestag den Reformen zugestimmt, da die Koalition über eine Mehrheit im Bundestag verfügt. In der Länderkammer allerdings sind die Mehrheiten nicht eindeutig bestimmt. So war es bis zum Schluss unklar, wie sich die Grünen aus dem Saarland in der Abstimmung verhalten werden. Im Saarland regiert die CDU mit der FDP und den Grünen zusammen. Erst einige Tage vor der Abstimmung im Bundesrat versicherten auch die Grünen im Saarland, gegen den Gesetzesentwurf zu stimmen. Daraus resultierte eine Enthaltung der Stimme aus dem Saarland und machte eine Mehrheit für die Bundesregierung zunichte.

Arbeitsgruppe zur Vermittlung wurde bereits nach der Abstimmung einberufen
Kurz nach der Abstimmung wurde bekannt gegeben, dass die Länderkammer und der Bundestag einen Vermittlungsausschuss anruft. Dieses Gremium wird sich zum Mittag formieren und bereits erste informelle Gespräche führen um eine Arbeitsgruppe einzuberufen.

Mindestlohn als Bedingung zur Zustimmung
Die Opposition ihrerseits kündigte verschiedene Bedingungen an, damit der Gesetzesentwurf vollzogen werden kann. Unter anderem forderten SPD, Grüne und Linke einen gleichzeitig installierten flächendeckenden Mindestlohn für alle Branchen, um Billiglöhne und damit staatlich subventionierte Hungerlöhne einzudämmen. Die SPD machte deutlich, dass es kein Einlenken ihrerseits geben werde, wenn die Koalition aus Union und FDP sich in diesem Punkt nicht bewege. So sagte der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, es werde keine Zustimmung geben, wenn sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nicht bereit erkläre, Zugeständnisse zu machen. Es ginge den Sozialdemokraten darum, bei einer Anhebung der ALG II-Regelsätze auch auf das Lohnabstandsgebot zu achten. „Und das funktioniert nur, wenn wir in Deutschland Mindestlöhne bekommen.“ Das betrifft insbesondere für die Zeitarbeit.

Das kritisierte Bildungspaket
Insbesondere Sozialverbände kritisieren das geplante Bildungspaket als völlig unzureichend, um Bildungschancen für alle Kinder zu ermöglichen. Insgesamt 10 Euro pro Monat soll nach dem Willen der Bundesarbeitsministerin jedes Kind aus sog. „Hartz IV-Familien“ erhalten, um Nachhilfeunterricht, sportliche Aktivitäten und Freizeitangebote. Die SPD stellte für den Vermittlungsausschuss eine große Liste an Änderungswünschen zusammen. Als ersten Punkt fordern die Oppositionsparteien einen nachvollziehbaren und transparent berechneten Hartz IV-Regelsatz. Würden die Regelleistungen tatsächlich nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts berechnet werden, würden sehr wahrscheinlich auch höhere Regelleistungen heraus kommen. Grüne und Linke forderten als „Minimal-Kompromiss“ einen Regelsatz von 420 Euro im Monat pro Person. Die SPD wollte sich in diesem Punkt noch nicht eindeutig festlegen. Die SPD fordert zudem, dass die finanziellen Mittel für das Bildungspaket direkt an die Kommunen weitergeleitet wird – und nicht wie von der Regierung geplant an die Jobcenter weitergeleitet werden. Zudem müssten die Mittel nicht nur für Hartz-IV Familien bereit gestellt werden, sondern auch für Wohngeldempfänger. Das würde bedeuten, dass noch einmal rund 140.000 Kinder Anspruchsberechtigt wären.

Auch für die Schulen sollen Sozialarbeiter eingesetzt werden, um vor allem Kinder aus benachteiligten Familien zu fördern. Zudem fordert die SPD einen Ausbau von Ganztagsangeboten in Schulen und Kindergärten. All diese Vorschläge widersprechen den Vorstellungen der Arbeitsministerin, die im Gegensatz dazu Gutscheine geplant hatte. So sagte Oppermann in einem Zeitungsinterview: „Wir wollen Ganztagsbetreuung statt Gutschein-Bürokratie“.

SPD will Zustimmung geben, wenn die Regierung Zugeständnisse macht
Das alles sind Vorschläge, die völlig konträr dem gegenüber stehen, was die Koalition in dem Hartz-IV Entwurf geplant hatten. Doch die SPD will anscheinend nicht alles umgesetzt sehen, was sie selbst vorschlagen. So betonte der SPD-Politiker: „Wir sind realistisch und erwarten nicht, dass unsere Forderungen zu 100 Prozent umgesetzt werden.“ Allerdings erwarte man „sichtbare Fortschritte“. Sollte die Bundesregierung sich in den genannten Punkten auf Kompromisse einlassen, so könne das Regierungslager mit einer Zustimmung von Seiten der SPD rechnen. Die Stimmen der SPD reichen aus, um die Reform umzusetzen. Auch wenn Grüne und Linke keine Zustimmung bei den Kompromissen signalisieren, ist das für den Bundesrat weniger von Belang. So betonte Oppermann, man können „sehr schnell fertig werden“, wenn die Bundesarbeitsministerin „sich endlich bewegt“. Deutlich wird aber auch, dass Sozialverbände und Erwerbslosen-Gruppen weiterhin außen vor bleiben. (sb)

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Bild: Uschi Dreiucker / pixelio.de

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