Observationen von Bürgergeld-Beziehern durch Jobcenter rechtswidrig

Hausbesuche bei Bürgergeld-Beziehern finden nach wie vor statt. Der Ermittlungsdienst der Jobcenter prüft dabei, ob beispielsweise die gemachten Angaben des Leistungsbeziehenden zu einer Wohngemeinschaft statt einer Bedarfsgemeinschaft richtig waren. Immer wieder überschreiten die Jobcenter dabei ihre gesetzlichen Befugnisse.

Erfolgreiche Kampagne gegen Oberservationen durch Jobcenter

Wir erinnern uns: Eine fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) wies vor einigen Jahren die Außendienstmitarbeiter der Jobcenter dazu an, Hartz IV Beziehende mit nachrichtendienstlichen Mitteln regelrecht auszuspähen.

Damals machten “Gegen-Hartz.de” und das “Erwerbslosen Forum Deutschland” auf diese verfassungswidrige und höchst rechtswidrige Weisung aufmerksam.

Es war ein Skandal, der bundesweit auch in den großen Medien kritisiert wurde. Das Bundesarbeitsministerium musste dann die BA dazu auffordern, diese Weisung umgehend zurückzunehmen.

Bundesagentur für Arbeit musste Weisung ändern

Die BA änderte entsprechend ihre Weisung, wies aber dennoch an, “Inaugenscheinnahme von Beweismitteln” bei Hausbesuchen durchzuführen. So steht in den fachlichen Weisungen zum SGB II unter 6.11:

“Die Durchführung von Observationen ist unzulässig. Observationen sind zielgerichtete Überwachungen von Personen oder Immobilien unabhängig von der Dauer der Überwachung. Die Sachverhaltsaufklärung hat vielmehr durch Inaugenscheinnahme von Beweismitteln zu erfolgen, zum Beispiel durch Hausbesuche,…, Prüfung von Versicherungsunterlagen (gegenseitige Begünstigung in einer Lebensversicherung), Prüfung von Kontoauszügen, Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen u.ä.”

Trotzdem werden immer wieder Befugnisse überschritten

Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Jobcenter ihre Befugnisse immer wieder überschreiten.

So musste das Oberverwaltungsbericht in Thüringen urteilen, dass “verdeckte Beobachtungen durch Außendienstmitarbeiter generell unzulässig” sind (AZ: 1 KO 527/08).

Die Richter bestätigten, dass es an einer “gesetzlichen Grundlage fehlt”, und ein Verfassungsverstoß vorliegt. Denn durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wird das Persönlichkeitsrecht geschützt.

Es gewährleistet “die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen”.

Dieses Recht auf “informationelle Selbstbestimmung” befähigt jeden Menschen darüber selbst zu entscheiden, wann und wie persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Auch ein Bezug von Sozialleistungen ändert daran nichts.

Sozialgericht: Ermittlungen befremdlich und rechtswidrig

In einigen Fällen hielten sich allerdings die Jobcenter-Außendienstmitarbeiter nicht an die laufenden Rechtsprechung. So musste das Sozialgericht Hildesheim in seinem Urteil (AZ: S 31 AS 4306/19) einschreiten:

„Das Gericht merkt an dieser Stelle an, dass es die Art und Weise der im häuslichen Umfeld des Antragstellers durchgeführten Ermittlungen jedenfalls als befremdlich empfindet. Die Träger von Leistungen nach dem SGB II sind nach hiesigem Verständnis nicht dazu aufgerufen, heimliche Ermittlungen, noch dazu ohne Kenntlichmachung, wer diese Ermittlungsergebnisse in der Akte festhält, anzustellen.”

Heimlich gewonnene Erkenntnisse

Das Sozialgericht sah wie das Obererwaltungsgericht keine “Errmächtigungsgrundlage für dieses Handeln”. In dem Verfahren wurde “verdeckt erlangtes Wissen” zur Beweislage seitens des Jobcenters aufgeführt. Das Gericht ließ allerdings diese “gewonnen Erkenntnisse” nicht gelten und urteilte:

“Die Kammer sieht sich daher nicht in der Lage, die heimlich gewonnenen Erkenntnisse bzw. jene, die auf privatem Wissen der Mitarbeitenden beruhen, jedenfalls ohne dass erkennbar ist, um wen es sich dabei konkret handelt, bei einer Entscheidung zugrunde zu legen.”

Das Gericht wies ausdrücklich das Jobcenter an, künftig bei einer Durchführung eines Hausbesuches bei Leistungsbeziehenden gewonnene Erkenntnisse transparent zu gestalten. Wörtlich hieß es in dem Urteil:

“An dieser Stelle wird dem Antragsgegner nochmals ausdrücklich die Durchführung eines – transparenten – Hausbesuches, wie er in diesen Fällen normalerweise stattfindet, dringend angeraten.”

Heimliche Ermittlungserkenntnisse noch immer in der Jobcenter-Akte

In dem verhandelten Fall vertrat Rechtsanwalt Carsten Paulini aus Göttingen den Betroffenen. Der Fall ist damit aber noch immer nicht abgeschlossen, wie Paulini berichtet:

“Nachdem nun auch das Jobcenter in dem inzwischen beendeten Verfahren eingesehen hat, dass die Herstellung und die Speicherung der Bildaufnahmen unzulässig waren, erhielt ich die Mitteilung, dass über den Betroffenen SGB II-Bezieher eine elektronische Akte geführt werden müsse und ein endgültiges Löschen von Dateien aus dieser Akte technisch nicht möglich sei. Es bleibt weiterhin spannend.”

Rechte bei Hausbesuchen

Welche Rechte Bürgergeld-Beziehende bei sog. Hausbesuchen durch Jobcenter-Mitarbeiter haben, haben wir hier ausführlich beschrieben.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...