Bürgergeld: Keine Zurückwirkung des Antrags auf ALG II bei Leistungsausschluss und fehlendem Kausalzusammenhang

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Keine Zurückwirkung des Antrags auf ALG 2 bei Leistungsausschluss und fehlendem Kausalzusammenhang

Kann ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB 2 gemäß § 28 SGB 10 zurückwirken, wenn der Betroffene rückwirkend vom Studium beurlaubt worden ist und deswegen die Bewilligung der Leistungen nach dem BAföG aufgehoben und deren Erstattung verlangt worden ist?

Das BSG urteilte wie folgt:

Dazu hat das BSG 1. BSG, Urt. v. 11.07.2024 – Az: B 4 AS 11/23 R wie folgt geurteilt:

Zurückweisung der Revision des Klägers. Der Antragsteller hatte für April 2012 bis März 2013 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Der 4. Senat des BSG lies offen, ob der Kläger in diesem Zeitraum gemäß § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen war.

Mit seinem Antrag auf ALG 2 lag kein rechtzeitiger Leistungsantrag für diesen Zeitraum vor, denn er Antrag wirkte nicht gemäß § 28 Satz 1 SGB X auf den hier streitbefangenen Zeitraum zurück.

Wortlaut des § 28 SGB X

Nach dessen Wortlaut muss der Leistungsempfänger deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt zunächst einen Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung voraus. Darüber hinaus muss dieser Zusammenhang auf einer bewussten Nichtbeantragung beruhen.

Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung

An dieser bewussten Entscheidung, die im Zeitpunkt der Beantragung der – anderen Sozialleistung vorliegen muss, fehlt es hier, so ausdrücklich die Richter des BSG. Denn der Antragsteller hat nicht von der Beantragung der ALG 2 Leistungen abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat.

Insofern unterscheidet sich der Fall in tatsächlicher Hinsicht von demjenigen, über den der Senat im Urteil vom 6. Juni 2023 (B 4 AS 86/21 R) zu befinden hatte.

Weiter betont das BSG:

Der Anwendbarkeit des § 28 SGB X steht grundsätzlich nicht entgegen, wenn ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausgeschlossen ist, weil die Voraussetzungen des § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II erfüllt sind ( Leistungsausschluss bei Bafög ).

§ 28 SGB X dient umgekehrt aber auch nicht dazu, stets – Nachteile – auszugleichen, die dadurch entstehen, dass aufgrund veränderter Umstände die zunächst vorliegenden Voraussetzungen für eine Leistung rückwirkend wegfallen. Terminbericht 4. Senat BSG vom 12.07.2024

Anmerkung Detlef Brock

Nach dem Wortlaut des § 28 SGB X (“weil”) muss der Leistungsempfänger deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt voraus, dass er bewusst von einer Antragstellung abgesehen hat und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 16/09 R – )

Daran mangelt es hier bei der aktuellen Entscheidung des BSG, denn der Antragsteller hat nicht von der Beantragung der ALG 2 Leistungen abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat.

Somit war ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung nicht gegeben.

Rechtstipp vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock – BSG, Urteil vom 06.06.2023 – B 4 AS 86/21 R –

1. Genau bei dieser Entscheidung hatte das BSG fest gestellt, dass auf Grund des § 28 SGB X eine Nachholung des Antrags auf ALG 2 möglich war.

Leitsatz BSG 4. Senat

BSG, Urteil vom 06.06.2023, B 4 AS 86/21 R –
1. Ein Ausschluss von Grundsicherungsleistungen wegen einer förderungsfähigen Ausbildung besteht nicht mehr, wenn der Auszubildende wegen Krankheit länger als drei Kalendermonate an der Ausbildung gehindert ist.

2. Der Antrag auf Arbeitslosengeld II wirkt auf einen Zeitraum zurück, für den als andere Sozialleistung zunächst Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezogen wurden, wenn diese nach Aufhebung der Bewilligung später zu erstatten sind.