Darf das Jobcenter finanzielle Zweckschenkungen der Kinder für die Tilgung der Bauspardarlehen bei einem Bürgergeld beziehendem Elternteil mit Wohneigentum als Einkommen anrechnen, oder handelt es sich um Zuwendungen, deren Anrechnung grob unbillig wäre im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts? (§ 11a Abs. 5 Nr. 2 oder Nr. 1 SGB 2)
Zweckschenkung durch die Kinder für die Tilgung der Bauspardarlehen sind bei der Bürgergeld beziehenden Mutter anrechenbares Einkommen, denn ihre Anrechnung stellt sich nicht als grob unbillig im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II dar ( so die aktuelle Gerichtsbegründung eines Landessozialgerichts ).
Stellen die Kinder der Mutter, welche Bürgergeld bezieht, monatlich Geldmittel zur Verfügung, damit sie ihre Hypothekendarlehen ( Tilgungsraten ) zahlen kann, sind die finanziellen Zuwendungen der Kinder als Einkommen der Klägerin ( Mutter ) zu berücksichtigen. Es handele sich auch nicht um Zahlungen, die mit einer ernsthaften Rückzahlungsverpflichtung belegt worden sind.
Somit war das Jobcenter berechtigt, die ALG 2 Bescheide teilweise aufzuheben, denn auf Vertrauensschutz konnte sich die Mutter nicht berufen, im Gegenteil, sie wäre verpflichtet gewesen, dem Jobcenter die monatlichen Zuwendungen ihrer Kinder zu melden.
Selbst die Annahme einer Zweckschenkung durch die Kinder stünde einer Berücksichtigung der Zuwendungen als Einkommen nicht entgegen .
Sachverhalt und Begründung des Landessozialgerichts
§ 11a Abs. 3 SGB II lässt erkennen, dass im Hinblick auf zweckgerichtete Einnahmen – unter weiteren Voraussetzungen – eine generelle Freistellung allein für Zweckbestimmungen geregelt werden sollte, die auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruhen.
Leistungen Dritter, die nicht nach solchen Vorschriften erbracht werden – insbesondere solche von Privatpersonen oder privaten Institutionen – können seither nur noch nach § 11a Abs. 4 oder 5 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen sein (BSG, Urteil vom 17.7.2024 – B 7 AS 10/23 R – ).
Es sind auch keine Zuwendungen i.S.v. § 11a Abs. 5 SGB II (hier in der bis zum 31.7.2016 – Fassung)
Danach sind Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre (Nr. 1) oder sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (Nr. 2).
Eine rechtliche oder sittliche Pflicht der Kinder zur Zuwendung ist hier zwar nicht anzunehmen (vgl. zum Maßstab insoweit BSG, Urteil vom 17.7.2024 – B 7 AS 10/23 R)
Es fehlt aber an den weiteren Voraussetzungen von § 11a Abs. 5 Nr. 2 oder Nr. 1 SGB II:
Bei § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II hat der Gesetzgeber Situationen vor Augen gehabt, in denen gelegentliche oder regelmäßige Zuwendungen Anderer, die üblich und auch gesellschaftlich akzeptiert sind, nicht bedarfsmindernd angerechnet werden sollten, wie z.B. ein monatliches Taschengeld der Großeltern (BT-Drs. 17/3404, S. 95).
Gleichwohl ist es weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ausgeschlossen, eine Einnahme nach dieser Vorschrift unberücksichtigt zu lassen, der – hypothetisch – ein durch Leistungen nach dem SGB II zu deckender Bedarf in gleicher Höhe gegenübergestanden hätte.
Die erfolgten Zuwendungen der Kinder können bereits deshalb nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II gefasst werden, wenn und soweit sie der Tilgung der Baudarlehen und damit zur Deckung eines nicht nach dem SGB II anerkannten Teils des Wohnkostenbedarfs der Klägerin dienen sollten.
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Bescheid prüfenEine andere Betrachtung liefe auf die Anerkennung einer gesetzlich gerade nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zweckschenkung hinaus. Sollten die Zuwendungen hingegen allgemein der finanziellen Unterstützung der Klägerin gedient haben, würde es sich um eine Überkompensation handeln.
Auch ein Fall von § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II liegt nicht vor
Die Ausnahmevorschrift soll nur solche Fälle erfassen, in denen der Einsatz der Einnahmen zum Lebensunterhalt anders als im Regelfall durch Hinzutreten atypischer Umstände als übermäßig hart, d.h. als nicht zumutbar oder als in hohem Maße unbillig erscheint.
Keine unbillige Härte des Verbrauchs liegt hingegen darin, dass eine Zuwendung nur zu dem Ziel gewährt wird, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufzubessern bzw. eine Leistung nur unter der Bedingung gewährt wird, dass sie nicht berücksichtigt wird. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Ausnahmevorschrift beabsichtigt hat, den Leistungsberechtigten durch private Zuwendungen allgemein einen über die Grundsicherung hinausgehenden Lebensstandard zu sichern.
Die Anrechnung der von den Kindern der Klägerin zugewendeten Gelder stellt nicht als grob unbillig dar
Denn zwar würde durch eine Anrechnung der von den Kindern verfolgte Zweck der Zuwendungen vereitelt würde, sofern man zugunsten der Klägerin unterstellen möchte, dass er in der Verwendung zur Tilgung der Baudarlehen gelegen hat. Dies ist indes zwingende Folge dessen, dass private Zweckschenkungen nicht mehr anerkannt werden.
Vom Typischen abweichende Umstände bzw. Zwecke der Zuwendung sind hier nicht zu erkennen. Vielmehr befand sich die Klägerin in der typischen Situation einer im Leistungsbezug stehenden Eigentümerin einer selbst bewohnten, noch nicht abbezahlten Immobilie, bei der die Tilgungsraten regelmäßig nicht als Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt werden.
Auch der Einwand, dass die Kinder bei Kenntnis von der Berücksichtigung als Einkommen der Klägerin kein Geld zugewendet hätten, überzeugt nicht. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist allein der tatsächliche Sachverhalt. Ein denkbarer alternativer Geschehensablauf ändert nichts daran, dass der Klägerin die zugewendeten Mittel zum Lebensunterhalt zur Verfügung standen.
Die Konzeption des SGB II sieht nicht vor, dass Zuwendungen – ergänzend – zu den Grundsicherungsleistungen erbracht werden können.
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
1. Der Erstattungsanspruch des Jobcenters war hier berechtigt, denn Zuwendungen der Kinder als Geldgeschenke sind dem Jobcenter zu melden. Auf Vertrauensschutz konnte sich die Mutter nicht berufen.
2. § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II stellt für die Frage, ob die Zuwendung als Einnahme bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, maßgeblich auf die Höhe der Zuwendung ab.
3. Eine Zuwendung beeinflusst die Lage der Leistungsberechtigten so günstig, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht mehr gerechtfertigt wären, wenn sich die Zuwendung und die Leistungen nach dem SGB II gegenseitig – im Sinne einer Überkompensation der bestehenden Notlage – so verstärken, dass nach der Lebenssituation zumindest ein Teil der SGB II-Leistungen nicht mehr benötigt wird, Leistungen nach dem SGB II also neben der Zuwendung zumindest zum Teil „nicht gerechtfertigt sind“ (BSG, Urteil vom 17.7.2024 – B 7 AS 10/23 R).
Zur Nichtanrechnung eines während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB 2 zugewendeten Geldbetrags aufgrund grober Unbilligkeit gemäß § 11a Abs 5 Nr 1 SGB 2, wenn die Zuwendung Aufwendungen für Unterkunft abdeckt, die vom Jobcenter ganz oder teilweise gemäß § 22 Abs 2 SGB 2 als Bedarf zu berücksichtigen sein können.).
4. Das Jobcenter darf Geldzuwendungen in diesem Fall nicht anrechnen
Wann sind Geldzuwendungen Dritter nicht als Einkommen zu berücksichtigen? Ein Beitrag von Detlef Brock



