Teilrenten-Tricks mit Rente bei Schwerbehinderung, die außerhalb von Fachkreisen unbekannt sind

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Wer früher mit einer Schwerbehinderung aus dem Berufsleben aussteigen will, steht in der gesetzlichen Rente oft vor einer scheinbar harten Alternative: Entweder der Rentenbeginn wird vorgezogen und dauerhaft mit Abschlägen „bezahlt“, oder man wartet bis zur abschlagsfreien Altersgrenze.

Wir greifen die Frage auf, die in Beratungen regelmäßig auftaucht: “Lässt sich ein früher Rentenstart aufteilen, sodass nur ein Teil der Rente zunächst mit Abschlag fließt, während der später hinzugekommene Rest ohne Abschlag startet?”

Vorweg: Die Teilrente ermöglicht, eine Altersrente nicht in voller Höhe zu beziehen, sondern nur in einem selbst gewählten Anteil.

Entscheidend ist dabei nicht nur die Höhe der Rente, sondern der Zeitpunkt, zu dem jeweils ein weiterer Rentenanteil „aktiviert“ wird. Genau dort liegt der Hebel, um Abschläge zu begrenzen.

Ausgangslage: Schwerbehinderung, Jahrgang 1963, planbarer Übergang

Johann schildert seinen Fall. Er ist Jahrgang 1963 und hat einen Grad der Behinderung von 80. Er möchte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Für diese Rentenart müssen zum Rentenbeginn eine anerkannte Schwerbehinderung (Grad der Behinderung mindestens 50) und die Wartezeit von 35 Jahren in der Rentenversicherung erfüllt sein.

Für den Jahrgang 1963 sind zwei Altersmarken für die Planung entscheidend. Abschlagsfrei kann diese Rente ab 64 Jahren und 10 Monaten beginnen. Ein vorgezogener Beginn ist ab 61 Jahren und 10 Monaten möglich, dann mit dem maximalen Abschlag, der in dieser Rentenart anfällt.

Johann möchte genau diesen frühen Zeitpunkt nutzen – aber nicht mit 100 Prozent, sondern nur mit einer 50-Prozent-Teilrente. Drei Jahre später will er den übrigen Anteil „dazunehmen“ und hofft, dass dieser spätere Anteil ohne Abschlag startet.

Die Antwort lautet: Ja, das funktioniert – aber nur in der richtigen Logik und mit einem wichtigen Nachsatz, der über die Höhe der Rente entscheidet.

Wie Abschläge in der gesetzlichen Rente tatsächlich wirken

Abschläge entstehen, wenn eine Altersrente vor der für diese Rentenart maßgeblichen Altersgrenze beginnt. Die Kürzung wird pro Monat des vorgezogenen Rentenbeginns berechnet.

Bei vielen Altersrenten beträgt sie 0,3 Prozent je Monat, was rechnerisch schnell deutliche Größenordnungen erreicht. Was dabei oft unterschätzt wird: Ein einmal „festgestellter“ Abschlag bleibt grundsätzlich dauerhaft Bestandteil der Rentenzahlung, auch wenn später das reguläre Rentenalter erreicht wird.

Wer also zu früh startet, kann die Kürzung nicht dadurch rückgängig machen, dass später Zeit vergeht.

Bei der Teilrente kommt nun eine zweite Ebene hinzu. Denn nicht nur der erste Rentenbeginn ist relevant, sondern auch, wann ein zunächst nicht genutzter Rentenanteil später erstmals beansprucht wird.

Genau hier entsteht die Möglichkeit, den Abschlag auf den später hinzukommenden Teil geringer ausfallen zu lassen – bis hin zu null, wenn der spätere Beginn auf einer abschlagsfreien Altersgrenze liegt.

Das Teilrenten-Prinzip: Zwei Startpunkte, zwei Folgen

Überträgt man diese auf Johanns Vorhaben, ergibt sich ein zweistufiges Vorgehen.. Johann beginnt früh mit 50 Prozent seiner Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Dieser erste Rentenanteil startet drei Jahre vor dem abschlagsfreien Beginn dieser Rentenart. Entsprechend wird auf diesen Anteil der Abschlag berechnet, der in dieser Konstellation anfällt.

Erreicht Johann später das Alter von 64 Jahren und 10 Monaten, ist die Altersgrenze für einen abschlagsfreien Beginn der Altersrente für schwerbehinderte Menschen erreicht. Ab diesem Zeitpunkt kann er den bislang nicht genutzten zweiten Rentenanteil zusätzlich in Anspruch nehmen.

Für genau diesen „neu hinzukommenden“ Anteil gilt dann: Er beginnt abschlagsfrei, weil er nicht mehr vorzeitig startet, sondern auf der abschlagsfreien Altersgrenze liegt.

Der entscheidende Nachsatz lautet allerdings: Der zuerst bezogene Rentenanteil bleibt lebenslang mit Abschlägen belastet. Das spätere Hinzunehmen macht aus dem ersten Teil keine abschlagsfreie Rente. Es entsteht also eine Rentenzahlung, in der ein Anteil dauerhaft gekürzt bleibt, während der später gestartete Anteil ohne Kürzung dazukommt.

Was das in Euro bedeuten kann – ohne Schönrechnen

Um die Tragweite greifbar zu machen, hilft ein einfaches Rechenbild. Angenommen, Johanns rechnerische Vollrente läge bei 1.600 Euro brutto. Bei einem Start mit 50 Prozent bekäme er zunächst 800 Euro, auf die der Abschlag angewandt wird.

Bei 10,8 Prozent wären das 86,40 Euro weniger, sodass rund 713,60 Euro ausgezahlt würden.

Drei Jahre später kämen die übrigen 800 Euro ohne Abschlag hinzu. Die gesamte Rente läge dann bei etwa 1.513,60 Euro, also dauerhaft unter der Vollrente, die bei einem späteren Gesamtbeginn erreichbar gewesen wäre.

Damit wird das Modell in seiner Realität sichtbar: Es ist kein Weg, Abschläge „abzuschütteln“, sondern eine Methode, Abschläge auf einen Teil der Rente zu begrenzen und den restlichen Teil zu einem späteren Zeitpunkt günstiger zu starten.

Warum Teilrente nicht nur mit „Abschläge sparen“ zu tun hat

Ein weiterer Punkt, der außerhalb von Fachkreisen erstaunlich wenig bekannt ist: Teilrente kann auch dann interessant sein, wenn jemand weiter arbeitet.

Seit dem Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen Altersrenten zum 1. Januar 2023 wird die Teilrente nicht mehr primär als Möglichkeit genutzt, um Kürzungen wegen Zuverdienst zu vermeiden. Ihre Bedeutung verschiebt sich stärker in Richtung Übergangsplanung und Absicherung von Risiken während einer Weiterbeschäftigung.

Dazu gehört vor allem das Thema Krankengeld. Wer eine Altersvollrente bezieht, verliert unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch auf Krankengeld.

Wer dagegen bewusst keine Vollrente bezieht, sondern eine Teilrente – selbst mit 99,99 Prozent –, kann den Krankengeldanspruch eher erhalten, sofern die übrigen sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen stimmen.

Das ist für diejenigen relevant, die trotz Rentenbezug weiter im Job bleiben und bei längerer Erkrankung nicht allein auf die Rente zurückfallen wollen.

In der Praxis wird damit aus einer scheinbar kleinen Stellschraube eine recht handfeste Risikoentscheidung. Wer die Teilrente ausschließlich als Rechentrick betrachtet, übersieht, dass es oft um Absicherung in einer Lebensphase geht, in der gesundheitliche Ausfälle statistisch wahrscheinlicher werden und Einkommenslücken schnell existenziell wirken können.

Es funktioniert nicht beliebig in jeder Rentenart

Es funktioniert jedoch nicht bei allen Rentenarten, wie bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach 45 Versicherungsjahren. Umgangssprachlich wird sie noch immer mit der „Rente mit 63“ verbunden, obwohl das tatsächliche Zugangsalter je nach Jahrgang stufenweise angehoben wurde.

Hier entsteht der verbreitete Irrtum, man könne sehr früh mit einem kleinen Rentenanteil starten, weiterarbeiten und später in die abschlagsfreie 45-Jahre-Rente „wechseln“, sobald das dafür notwendige Alter erreicht ist.

Genau an dieser Stelle wird es rechtlich eng: Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte kann nicht vorzeitig bezogen werden, also auch nicht mit Abschlägen. Wer früher startet, kann diese Rentenart damit nicht „vorab“ antesten.

Noch wichtiger ist der zweite Punkt: Wer einmal eine bestimmte Altersrente wirksam begonnen hat, kann später grundsätzlich nicht einfach in eine andere Altersrente wechseln, nur weil die Voraussetzungen irgendwann erfüllt wären.

Wer mit 63 startet, landet bei vielen Jahrgängen in der Altersrente für langjährig Versicherte. Und in dieser Rentenart bleibt man, auch wenn man später die 45 Jahre erfüllt hätte.

Warum im 45-Jahre-Beispiel am Ende 7,2 Prozent herauskommen

Es gibt aber auch einen typischen Denkfehler. Nehmen wir an, ein Rentenberechtigter möchte mit 63 beginnen, obwohl die abschlagsfreie Variante der 45-Jahre-Rente bei ihrem Jahrgang erst ab 65 möglich wäre.

Der frühe Beginn mit 63 wäre nur über eine andere Rentenart machbar und würde einen hohen Abschlag bedeuten. Wird dann später mit 65 auf Vollrente erhöht, fällt für den später hinzukommenden Anteil nicht mehr der ganz frühe Abschlag an, sondern nur noch der Abschlag, der sich aus dem dann verbleibenden Abstand bis zur Regelaltersgrenze ergibt.

In der Rechnung sind das 24 Monate, was bei 0,3 Prozent je Monat zu 7,2 Prozent führt.

Das ist der entscheidende Unterschied zu Johanns Fall. Bei Johann liegt die abschlagsfreie Altersgrenze seiner Rentenart bereits bei 64 Jahren und 10 Monaten. Er „holt“ den zweiten Rentenanteil also an einer Stelle nach, an der dieser Anteil tatsächlich abschlagsfrei starten kann.

Im 45-Jahre-Beispiel liegt die abschlagsfreie Grenze dagegen in einer Rentenart, die gar nicht mehr „nachträglich“ gewählt werden kann, wenn man zuvor eine andere Altersrente begonnen hat. Das Ergebnis sind verbleibende Abschläge, selbst wenn man später die 45 Jahre erfüllt.

Planung bedeutet hier: rechtzeitig rechnen, nicht nur Regeln kennen

Wichtig ist sich diese Erkenntnis vor Augen zu halten: Dieselbe Idee kann je nach Rentenart zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Teilrente kann Abschläge begrenzen, sie kann Übergänge glätten und sie kann sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beeinflussen. Sie kann aber nicht die Grundlogik aushebeln, dass ein vorgezogener Rentenbeginn finanzielle Folgen hat und dass einmal gewählte Altersrentenarten nicht beliebig austauschbar sind.

Wer eine solche Gestaltung ernsthaft erwägt, sollte deshalb nicht nur auf Prozentzahlen schauen, sondern die eigene Rentenauskunft, den voraussichtlichen Zahlbetrag, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die steuerliche Situation und die Frage der Weiterbeschäftigung zusammen denken.

Häufig entscheidet nicht ein einzelner Parameter, sondern das Zusammenspiel. In manchen Fällen kann es zudem sinnvoll sein, sich Ausgleichszahlungen für Abschläge ab einem bestimmten Alter berechnen zu lassen, um Alternativen zum Abschlagsmodell zu prüfen.

Quellen: Deutsche Rentenversicherung: Rentenlexikon „Teilrente“ (Definition und Prozentspanne) und Deutsche Rentenversicherung: FAQ „Teilrente“ im Kontext Hinzuverdienst (spätere Zahlung des zunächst nicht genutzten Rentenanteils mit geringerem oder ohne Abschlag). Dr. Utz Anhalt mit fachlicher Beratung und SovD.