Bürgergeld: Jobcenter darf Geldzuwendungen in diesem Fall nicht anrechnen – Urteil

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Die Zeiten für Menschen mit Bürgergeld-Bezug sind schwieriger geworden: Das Bürgergeld steht politisch unter Druck, Nullrunden prägen den Alltag. In der Praxis kommt es zudem immer wieder vor, dass Jobcenter Geldzuwendungen von Verwandten oder anderen Dritten als Einkommen anrechnen.

Wann sind Geldzuwendungen Dritter nicht als Einkommen zu berücksichtigen?

Nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt grundsätzlich: Zuwendungen Dritter, die der Bedarfsdeckung im Sinne einer Kompensation bzw. eines Ausgleichs dienen, sind kein zu berücksichtigendes Einkommen.

In der Beratungspraxis fällt derartige Unterstützung spätestens bei der Vorlage von Kontoauszügen auf. Dann entsteht häufig die Diskussion, ob der Betrag anzurechnen ist oder ob eine Ausnahme nach § 11a SGB II greift.

Rechtsprechung des BSG im Überblick

2022 – „Trinkgeld-Entscheidung“:
Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass eine sittliche Verpflichtung im Sinne des § 11a Abs. 5 SGB II nur dann bejaht werden kann, wenn in der Beziehung zwischen Zuwendendem und Empfänger besondere Umstände vorliegen, die die Unterstützung als zwingend geboten erscheinen lassen. Im Verhältnis Gast – Servicekraft sei dies typisierend ausgeschlossen (BSG, Urt. v. 13.07.2022 – B 7/14 AS 75/20 R).

2024 – „Dachreparatur-Entscheidung“:
Aktuell hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts (Urt. v. 17.07.2024 – B 7 AS 10/23 R) entschieden, dass die Geldzuwendung einer Mutter für eine Dachreparatur die Voraussetzungen des § 11a SGB II erfüllt. Das BSG betont, von besonderer Bedeutung sei, dass die Zuwendung nur als Kompensation für die ausgebliebene Bedarfsdeckung durch das Jobcenter anzusehen ist.

Was bedeutet das für Bürgergeld-Beziehende?

Diese Entscheidungen schaffen Klarheit, wann Geldzuwendungen nach § 11a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Streit lässt sich oft einfach vermeiden, wenn keine Überweisung an den Leistungsbeziehenden erfolgt:

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Hätte im Fall der Dachreparatur die Mutter die Rechnung direkt bezahlt, wäre kein Zufluss auf dem Konto der Klägerin entstanden – eine Anrechnung als Einkommen hätte sich damit erübrigt.

Stellen Jobcenter entsprechende Geldeingänge fest, müssen sie anhand des Vorbringens der leistungsberechtigten Person die Voraussetzungen des § 11a SGB II sorgfältig prüfen.

Zweckbindung & Nachweise

Um Anrechnungen zu vermeiden, sollten Unterstützungen Dritter stets eindeutig zweckgebunden und dokumentiert sein. Praktisch heißt das: nach Möglichkeit Direktzahlung an den Rechnungssteller (Handwerksbetrieb, Vermieter, Energieversorger) statt Überweisung an die leistungsberechtigte Person.

Ist ein Zufluss unvermeidlich, den Verwendungszweck präzise angeben („Kompensation ungedeckter Bedarf – Dachreparatur, RG-Nr. …“), Belege (Rechnungen, Mahnungen, Schriftwechsel mit dem Jobcenter) beifügen und eine kurze Bestätigung der zuwendenden Person beilegen, dass es keine allgemeine Schenkung, sondern Ausgleich einer ungedeckten Bedarfsposition ist. Alternativ kann eine schriftliche Darlehensvereinbarung mit realer Rückzahlungspflicht die Einordnung als Einkommen verhindern.

Praxistipp

Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die Inanspruchnahme von Expertinnen und Experten im Sozialrecht. Eine laufende Orientierung bietet zudem die tägliche, aktuelle Rechtsprechung zum Bürgergeld auf gegen-hartz.de.
In 2025 gab es bislang keine Seite mit Entscheidungen zum Bürgergeld, die aktueller und umfassender berichtet hätte als gegen-hartz.