Hartz IV-Empfรคnger haben Anspruch auf Fernseher. ALG II Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung umfasst gebrauchten Fernseher
Das Sozialgericht Frankurt (SG Frankfurt AZ: S 17 AS 87/08) urteilte: Nach ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II sind Leistungen fรผr Erstausstattungen fรผr die Wohnung einschlieรlich Haushaltsgerรคten nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden nach ยง 23 Abs. 3 S. 2 SGB II gesondert erbracht. Diese Leistungen kรถnnen nach ยง 23 Abs. 3 S. 5 SGB II als Sachleistungen oder Geldleistungen, auch in Form von Pauschalbetrรคgen, erbracht werden. Anders als im Falle des ยง 23 Abs. 1 S. 1 SGB II, der bei einem von der Regelleistung umfassten und nach den Umstรคnden unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes Leistungen als Darlehen vorsieht, besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen des ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II ein Anspruch auf Gewรคhrung der Leistungen in Form eines Zuschusses.
Zur Erstausstattung fรผr die Wohnung im Sinne des ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II gehรถren sรคmtliche Einrichtungsgerรคte und -gegenstรคnde, die fรผr eine geordnete Haushaltsfรผhrung erforderlich sind und dem Hilfeempfรคnger ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermรถglichen (etwa Mรผnder, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, ยง 23 Rnr. 29; Lang/Blรผggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl. 2008, ยง 23 Rnr. 99). Dies umfasst alle Gegenstรคnde, die in einem vergleichbaren Haushalt unterer Einkommensgruppen รผblicherweise vorhanden sind (Hessisches Landessozialgericht, B. v. 23 November 2006, L 9 AS 239/06 ER, juris Rnr. 22 m.w.N.). Das Merkmal der Erstausstattung ist dabei erfรผllt, wenn der Hilfebedรผrftige bisher nicht oder jetzt nicht mehr รผber die notwendige Wohnungsausstattung verfรผgt, wobei dies von einem Erhaltungs- bzw. Ergรคnzungsbedarf abzugrenzen ist (Hessisches Landessozialgericht, a.a.O., Rnr. 18, 21; Mรผnder, a.a.O., 23 Rnr. 26).
Erstausstattungen in diesem Sinne kommen unteren anderem in dem vorliegenden Fall der Anmietung einer Wohnung nach Trennung vom bisherigen Lebenspartner in Betracht (Mรผnder, a.a.O., ยง 23 Rnr. 27). Dementsprechend hat die Beklagte auch Leistungen fรผr die Erstausstattung gewรคhrt, allerdings nicht in Bezug auf das beantragte Fernsehgerรคt, das die Klรคgerin unstreitig zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht besessen hat.
Auch ein Fernsehgerรคt zรคhlt jedoch zur Erstausstattung; es stellt ein Einrichtungsgerรคt dar, das รผblicherweise in Haushalten unterer Einkommensgruppen vorhanden und im Sinne des ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II zur geordneten Haushaltsfรผhrung erforderlich ist (so im Ergebnis auch SG Magdeburg, B. v. 15 Juni 2005, S 27 AS 196/05 ER; Mรผnder, a.a.O., ยง 23 Rnr. 31; vgl. auch โ jedoch nicht eindeutig โ Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 18 Dezember 2008, L 2 B 449/08 AS ER, juris Rnr. 19; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 02.03.2009, L 19 AS 78/08, juris 24 und SG Oldenburg, B. v. 12.01.2006, S 47 AS 1027/05 ER, juris Rnr. 58; a.A. โ ohne nรคhere Begrรผndung โ in Bezug auf ยง 31 Abs. 1 SGB XII SG Hamburg, Gerichtsbescheid v. 14 November 2006, S 56 SO 187/06, juris Rnr. 32 โ siehe aber demgegenรผber zum Erstausstattungsanspruch nach dem SGB XII Landesozialgericht Berlin-Brandenburg, B. v. 13 Juli 2006, L 15 B 143/06 SO ER, juris Rnr. 6 ff. und Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urt. v. 08 August 2007, L 9 B 426/07 NZB, juris Rnr. 9).
Bei der Bestimmung des Begriffs der Erstausstattung kann auf die vormalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu ยง 21 Abs. 1a Nr. 6 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zurรผckgegriffen werden (dazu allgemein Mรผnder, a.a.O., ยง 23 Rnr. 29).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in Bezug auf diese Vorschrift angenommen, dass ein Anspruch auf einmalige Sozialhilfeleistungen fรผr die Beschaffung eines gebrauchten Fernsehgerรคtes bestehen kann. Ein Fernsehgerรคt stelle ein Gebrauchsgut zur Erfรผllung persรถnlicher Bedรผrfnisse des tรคglichen Lebens dar und gehรถre zum Bedarf fรผr den notwendigen Lebensunterhalt, wenn es in vertretbarem Umfang den Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben dient (BVerwG, Urt. v. 18 Dezmber 1997, 5 C 7/95, juris Rnr. 11 ff.). Es sei sozialhilferechtlich nicht gerechtfertigt, dem Hilfeempfรคnger das Medium vorzuschreiben oder ihn auf ein bestimmtes Medium, z.B. Zeitungen, zu verweisen. Orientiere man sich am Verbraucherverhalten unterer Einkommensgruppen, gehรถre Fernsehen zum tรคglichen Leben. Dem entspreche die hohe Ausstattungsdichte auch in Haushalten mit geringen Einkommen (BVerwG, a.a.O., Rnr. 17).
Diese Erwรคgungen des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Anspruch nach dem BSHG sind auf die Frage des Erstausstattungsanspruchs nach ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II รผbertragbar. Dementsprechend wird auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bereits in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung Bezug genommen (SG Magdeburg, Urt. v. 15.06.2005, S 27 AS 196/05 ER).
Insbesondere korrespondiert auch das Argument des Verbraucherverhaltens unterer Einkommensgruppen mit dem fรผr die Erstausstattung geltenden Kriterium, ob in einem vergleichbaren Haushalt unterer Einkommensgruppen die betreffenden Gegenstรคnde รผblicherweise vorhanden sind. Insofern ist festzustellen, dass die Quote mit zumindest einem Fernsehgerรคt ausgestatteten bundesdeutschen Haushalte seit 1998 nahezu gleichbleibend bei etwa 95 % liegt und auch in den Haushalten unterer Einkommensgruppen fast dieser Wert erreicht wird. Auch 92,8 % der Haushalte von Arbeitslosen sind mit Fernsehern ausgestattet (Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 1, EVS 2008, www.destatis.de).
Demnach sind Fernsehgerรคte in Haushalten unterer Einkommensgruppen als den maรgeblichen Vergleichshaushalten รผblicherweise vorhanden. Ein Fernseher als Haushaltsgegenstand stellt damit den sozial รผblichen Standard auch in unteren Einkommensgruppen dar. Damit umfasst ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten unterer Einkommensgruppen orientiertes Wohnen das Vorhandensein eines Fernsehers. Insofern ist er auch fรผr eine geordnete Haushaltsfรผhrung erforderlich. Fรผr eine geordnete Haushaltsfรผhrung in diesem Sinn ist nicht nur โ wovon jedoch offenbar die Beklagte ausgeht โ die Ausstattung mit dem absolut Notwendigsten zu verstehen, sondern das Vorhandensein derjenigen Gegenstรคnde, die in Haushalten unterer Einkommensgruppen รผblicherweise vorhanden sind und insofern den maรgeblichen soziokulturellen Standard darstellen, der auch von Leistungsbeziehern nach dem SGB II beansprucht werden kann. Anderenfalls kรคme es insofern zu einer (unzulรคssigen) Ausgrenzung der Leistungsempfรคnger (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 14 Feb 2007, L 2 B 261/06 AS ER, juris Rnr. 31) Auf Fernsehabende bei Nachbarn mรผssen sie sich nicht verweisen lassen.
Allerdings besteht im Rahmen des ยง 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II grundsรคtzlich nur ein Anspruch auf Leistungen fรผr die Anschaffung gebrauchter Gegenstรคnde, da der Kauf gebrauchter Haushaltsgegenstรคnde einem รผblichen, sparsamen Verhalten entspricht (vgl. etwa Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 03.04.2008, L 19 AS 1116/06, juris Rnr. 26; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, B. v. 14 Feb 2007, L 2 B 261/06 AS ER, juris Rnr. 31, jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Verweis auf einen gebrauchten Gegenstand wegen dessen Eigenart unzumutbar ist (so bei einer Matratze, vgl. Mรผnder, a.a.O., ยง 23 Rnr. 29). Hinsichtlich eines Fernsehgerรคtes besteht indes kein Zweifel an der Zumutbarkeit der Anschaffung nur eines gebrauchten Gerรคtes.
Nach alledem besteht ein Anspruch der Klรคgerin auf Gewรคhrung von Leistungen fรผr die Anschaffung eines gebrauchten Fernsehgerรคtes. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die Klรคgerin zwischenzeitlich bereits ein Fernsehgerรคt gekauft hat. Denn dies ist erst nach Stellung des Erstausstattungsantrags nach ยง 37 SGB II erfolgt. Dies fรผhrt dazu, dass sich der vorliegende Anspruch der Klรคgerin nicht auf die erstmalige Gewรคhrung, sondern auf die Erstattung des fรผr die Bedarfsdeckung erforderlichen Betrages bezieht.
Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Hรถhe. Der Kaufpreis von 90 EUR, der erstattet werden soll, bewegt sich noch im unteren preislichen Bereich einschlรคgiger Angebotsquellen fรผr gebrauchte Fernsehgerรคte, etwa auf entsprechenden Internetseiten (local24.de, quoka.de, ebay.de u.a.). Er erscheint dem Gericht daher gerade noch angemessen. Dabei ist auch zu berรผcksichtigen, dass sich der Hilfeempfรคnger nicht stets auf das allerbilligste Produkt verweisen lassen muss (siehe Mรผnder, a.a.O., ยง 23 Rnr. 30). (10.08.2009)