Hartz IV: Unzumutbare Job-Vermittlung zumutbar

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Hartz IV: Eine Tätigkeit als Pflegehelferin in einem Altenheim als Eingliederungsmaßnahme ist für eine gelernte Bürokauffrau nicht als unzumutbar anzusehen

Das Sozialgericht Koblenz (SG Koblenz, Az. S 2 AS 702/07) urteilte: Die Tätigkeit als Pflegehelferin in einem Altenheim ist nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht der früheren beruflichen Tätigkeit entspricht. Gerade bei langfristigen Arbeitslosen ist das Ziel einer Eingliederung in reguläre Beschäftigungsverhältnisse des ersten Arbeitsmarktes nur über Umwege einer befristeten Vermittlung einer Arbeitsgelegenheit möglich. Die der Klägerin angebotene Tätigkeit ist auch nicht unzumutbar im Hinblick auf die Dauer und die vereinbarte Wochenarbeitszeit von 30 Stunden. Grundsätzlich muss die Dauer der Tätigkeit zur Vermeidung eines Verdrängungseffekts beschränkt bleiben, was bedeutet, dass Arbeitsgelegenheiten von vorübergehender Dauer sein müssen und Zeiträume bis 6 Monate nicht überschreiten sollten (Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar 2. Aufl., § 16 Anm. 29) . Unzumutbar war die Arbeitsgelegenheit für die Klägerin auch nicht wegen des vereinbarten Umfangs der Wochenarbeitszeit.

Rechtmäßigkeitsvoraussetzung diesbezüglich ist, dass der Umfang der angebotenen Arbeit hinter dem eines normalen Arbeitsverhältnisses zurückbleiben muss. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu formuliert, die angebotene Arbeit dürfe keine vollschichtige sein (BVerwGE 68, 91ff). In Anbetracht der Tatsache, dass in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland die regelmäßige Wochenarbeitszeit (wieder) 40 Wochenstunden umfasst, ist die Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nicht zu beanstanden. Zwar wird in der Literatur, in Einzelfällen auch in der Rechtsprechung, unter Berufung darauf, dass Teilzeitarbeit in der Bundesrepublik sehr verbreitet sei, argumentiert, ein Richtwert von 15 Wochenstunden solle nicht überschritten werden. Zwischenzeitlich hat das BSG in seiner Entscheidung vom 16 Dezember 2008 (Az B 4 AS 60/07 R) jedoch dargelegt, dass es den für Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigungen geltenden Prinzipien nicht grundsätzlich widerspricht, wenn für die Ausübung einer solchen Tätigkeit ein zeitlicher Umfang von bis zu 30 Stunden angesetzt wird. Die Kammer wertet im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen des BSG die Tatsache als entscheidend, dass die Hilfebedürftigen, die Arbeitsgelegenheiten verrichten, durch diese auf die Eingliederung in den normalen Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Dies umfasst nach Auffassung der Kammer auch, dass derjenige, der im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit tätig wird, lernt, wieder den größten Teil seiner Zeit fremdbestimmt einem Arbeitgeber zu widmen.

Die Klägerin hatte für ihr Verhalten, das Nichtaufnehmen der vereinbarten Arbeitsgelegenheit, auch keinen wichtigen Grund. Wichtiger Grund sind alle Umstände des Einzelfalles, die unter Berücksichtigung der normativ oder tatsächlich berechtigten Interessen des Einzelnen in Abwägung mit etwa entgegenstehenden Belangen der Allgemeinheit das Verhalten des Hilfebedürftigen rechtfertigen (Berlit in: LPK/SGB II, § 31 RdNr. 60, m w. N.). Bei den wichtigen Gründen im Vordergrund stehen persönliche, insbesondere familiäre oder gesundheitliche Gründe, z. B. die Herstellung oder Wahrung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, Familienpflichten, Glaubens- oder Gewissensgründe oder in der Arbeitssituation selbst liegende Umstände (Eintreten einer Mobbingsituation oder Auftreten gesundheitsgefährdender Stoffe).

Die Befürchtung der Klägerin, die Arbeitsgelegenheit werde ihre Eingliederungschancen für ihre erlernten Berufe nicht verbessern, ist nicht als wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II anzusehen. Zum einen umfasst die Arbeitsgelegenheit auch durchaus Aspekte ihrer früheren beruflichen Tätigkeit als Bürokauffrau, z. B. durch Mithilfe in der Verwaltung, zum anderen ist es nach einer so langen Zeit der Arbeitslosigkeit wie die Klägerin sie aufweist, generell von Vorteil, wenn überhaupt irgendeine Art von Arbeit und sei es im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit, verrichtet wurde. Die Tatsache, dass die Klägerin konfessionslos ist, stellt ebenfalls keinen wichtigen Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II, denn sie hat ja gerade nicht argumentiert, dass sie aus Gewissensgründen nicht in einer katholischen Einrichtung arbeiten könne, sondern lediglich die Befürchtung geäußert, dass ihre Konfessionslosigkeit einer Festeinstellung in einer konfessionsgebundenen Einrichtung entgegenstehen könne. Im vorliegenden Fall ging es aber überhaupt noch nicht um eine Festanstellung in einer konfessionsgebundenen Einrichtung. Für die Aufnahme der Arbeitsgelegenheit spielte die Konfessionslosigkeit der Klägerin offensichtlich keine Rolle. Auch die Tatsache, dass der Maßnahmeträger der Klägerin keine Impfungen (gegen welche Krankheiten?) anbot, stellt keinen wichtigen Grund dar. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass und in welchem Umfang alle Mitarbeiter in Altenhilfe- und Pflegeeinrichtungen in besonderem Maße einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind. (10.08.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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