Bürgergeld: Jobcenter fordern vollständige Verwertung von Lebensversicherungen

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Seit dem 1. Januar 2023 sind laut § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II alle für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsverträge nicht als Vermögen beim Bürgergeld zu berücksichtigen und müssen in der Anlage VM auch nicht mehr angegeben werden. Welche Versicherungsverträge das sind, bestimmt grundsätzlich der Versicherungsnehmer.

Zeitgleich wurde § 168 VVG geändert und der bis dahin existierende Verwertungsausschluss von Kapitallebensversicherungen vor dem Eintritt in den Ruhestand ersatzlos gestrichen, diese sind somit seit dem 1. Januar 2023 nicht mehr nach § 168 VVG vor Verwertung geschützt. Nach § 168 VVG geschützt sind nur noch Rentenversicherungen mit monatlicher Leistungsauszahlung.

Dies führt zu dem Problem, dass bis zum 31. Dezember 2023 durch den Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. die lt. § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geschützten Kapitallebensversicherungen seit 01.01.2023 scheinbar nicht mehr geschützt sind und zum normalen Vermögen zählen.

Immer mehr Jobcenter fordern Verwertung von Kapitallebensversicherungen

Immer mehr Jobcenter fordern nun die vorrangige Verwertung solcher Kapitallebensversicherungen, insbesondere unter Berufung auf die Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 12 SGB II, welche darauf abstellt, dass der Schutz von für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungen nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nur für Versicherungsverträge gilt, die nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifiziert sind.

Die Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II ergibt jedoch nichts Derartiges und es ist ernsthaft zu bezweifeln, dass diese willkürliche Gesetzesauslegung der BA dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

Es spricht im Gegenteil einiges dafür, dass der Gesetzgeber hier regeln wollte, dass alle für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungen vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden, auch die bislang nach § 168 VVG a.F. geschützten Kapitallebensversicherungen. Dazu schreibt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zur Änderung des VVG (Bt-Drs. 20/3873, Seite 123), Zitat:

Was aber hat der Gesetzgeber gewollt?

“Da für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge künftig gemäß § 12 Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 SGB II in unbegrenzter Höhe und unabhängig von der Frage eines Verwertungsausschlusses nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind, entfällt der Grund für die bisherige Regelung in § 168 Absatz 3 Satz 1 VVG a. F., die daher gestrichen wird. Diese Änderung der Interessenlage gilt auch für bereits abgeschlossene Verträge. Von der Schaffung einer Übergangsregelung wird daher abgesehen.” (gemeint ist offensichtlich “§ 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB II”)

Der Gesetzgeber will mit der neuen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II somit nicht den bisherigen in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geregelten Schutz von Kapitallebensversicherungen mit Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. abschaffen, sondern sieht diesen Schutz durch den neuen § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II weiterhin und nunmehr sogar in unbegrenzter Höhe fortbestehen, was die Regelung in § 168 VVG a.F. auch für bereits bestehende Verträge entbehrlich macht.

Das der Gesetzgeber mit der neuen Regelung in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nicht den bisherigen in § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. geregelten Schutz von Kapitallebensversicherungen mit Verwertungsausschluss nach § 168 VVG a.F. abschaffen will, sondern dieser durch § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II weiterhin und nunmehr sogar in unbegrenzter Höhe fortbestehen soll, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 12 SGB II (Bt-Drs. 20/3873, Seite 78/79).

Danach wollte der Gesetzgeber nicht nur den bisherigen Schutz fortbestehen lassen, sondern ihn verallgemeinern. Zitat:

“Sofern Bürgergeldberechtigte für ihre Altersvorsorge Versicherungsverträge abgeschlossen haben, ist es nicht zweckmäßig, dass diese wegen einer möglicherweise nur vorübergehenden Phase des Leistungsbezugs aufgelöst werden.

Zudem kann ihre Verwertung in Einzelfällen unwirtschaftlich sein. Deshalb wird neu geregelt, dass für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge künftig vollständig von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen werden.

Dazu gehören auch alle Versicherungsverträge in der nach Bundesrecht ausdrücklich geförderten Altersvorsorge (,,Riester”). In dieser kann es zudem auch andere Formen als Versicherungsverträge geben (zum Beispiel Banksparpläne). Auch diese sind – wie bisher – vollständig geschützt.”

Es spricht vieles dafür: Kapitallebensversicherungen gehören zur Altersvorsorge

Es spricht somit alles dafür, dass auch Kapitallebensversicherungen lt. § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II zu den für die Altersvorsorge bestimmten Versicherungsverträgen gehören und nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind, demnach auch nicht in der Anlage VM angegeben werden müssen.

Widerspuch einlegen

Gegen anderslautende Entscheidungen von Jobcentern sollten Betroffene energisch mit einem Widerspruch und gegebenfalls Klage vorgehen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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