Wenn die Politiker ehrlich wären, würden sie Hartz IV als gescheitert erklären und das, unstreitbar sowohl billigere als auch wesentlich besser funktionierende, System der Arbeitslosenhilfe wieder einsetzen.
Das würde den Steuerzahler jährlich Milliarden an unnötigen Verwaltungsausgaben sparen und gleichzeitig die Kaufkraft der
Arbeitslosen erhöhen sowie die Mitnahmementalität der Arbeitgeber, also Lohndumping auf Kosten ergänzenden ALG II, beseitigen. Damit wäre auch die Debatte des Mindestlohnes vom Tisch, da es die Hauptursache des gegenwärtigen Lohndumpings, ergänzenden ALG II, nicht mehr gäbe.
Stattdessen hört man Allerorts, den Darstellungen von Politikern und bestimmten "meinungs- Bildenden" Tageszeitungen folgend, Arbeitnehmer kritisieren und anprangern, dass sie mit ihren Steuergeldern die "faulen" ALG II Empfänger in deren "sozialer Hängematte" bezahlen. Warum hört man nicht, dass:
– jährlich ca. 30 Milliarden Euro an Steuergeldern für Nichts ausgegeben werden? (Quelle: Schwarzbuch Bund der Steuerzahler)
– die Bundesregierung jährlich im In- und Ausland Milliarden an Subventionen und zinslosen Krediten vergibt, von denen letztere meist gar nicht zurück gezahlt werden?
– Deutschland allein 2006 einen EU-Mitgliedsbeitrag von 16,3 Milliarden Euro gezahlt hat, der zumeist den neuen EU-Ländern (Stichwort: Osterweiterung) zugeflossen ist?
– im September 2007 von insgesamt 5,199 Millionen ALG II-Empfängern mehr als die Hälfte, nämlich 2,752 Millionen, gar nicht arbeitslos waren, sondern ergänzendes ALG II erhalten haben, weil die Arbeitgeber so auf Kosten der Steuerzahler Lohn einsparen? Bei nur 100 Euro ergänzendes ALG II pro Person sind das über 3,3 Milliarden Euro pro Jahr! (Quelle: Aktueller monatlicher Arbeitsmarktbericht der BA)
– die tatsächlichen Mehrkosten beim ALG II nicht allein darauf beruhen, dass – entgegen der Konjunkturlüge – die Zahl der ALG II-Empfänger (also die ehem. Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfänger) gestiegen ist, sondern auf dem mit dem ALG II bewusst und zielgerichtet im Sinne der Arbeitgeberinteressenvertretung eingerichtete Kombilohn (s.o.), dem Missbrauch der Ein Euro Jobs in der Privatwirtschaft (im August 2007 gab es 301.000 sog. 1 € Jobber!) und darauf, dass sich etliche Firmen und sog. Berater an der Durchführung des SGB II eine "goldene Nase" verdienen, in dem sie Unsummen an Steuergeldern für Eingliederungsmaßnahmen "aufsaugen", bei denen Arbeitslose arbeitslos bleiben (528.700 seit Jahresbeginn; und noch mal so viele beim ALG I)?
Weil die Wahrheit unbequem ist?
Vor Hartz IV gab es das bewährte Modell der Arbeitslosenhilfe. Dazu gab es oft ergänzend Wohngeld und in Zwangssituationen Sozialhilfe. Damit hatte nicht nur jeder Alhi-Empfänger die finanzielle Eigenverantwortung, sondern auch ca. 150 Euro/Monat mehr im Geldbeutel. Diese finanzielle Eigenverantwortung wurde den Arbeitslosen mit Hartz IV zwangsweise abgenommen, in dem der Staat seither vorschreibt, wie viel ALG II jeder Arbeitslose erhält und wofür er es ausgeben darf bzw. muss. Nur das sich die Wirtschaft nicht daran hält, sondern nach wie vor mächtig an der
Preisschraube dreht.
Heute nun jammern die Politiker, welche damals freudig der Zwangsentmündigung der finanziellen Eigenverantwortung aller ehem.
Arbeitslosenhilfeempfänger zugestimmt haben, darüber, dass die ALG II-Empfänger durch ihre "Mitnahmementalität" mangelnde oder fehlende finanzielle Eigenverantwortung zeigen. Mir scheint, hier verwechseln die Damen und Herren Politiker Ursache und Wirkung! Fast alle aus der ehem. Arbeitslosenhilfe stammenden ALG II-Empfänger wurden nachweislich erst durch Hartz IV, also per Gesetz, zwangsweise auf das Niveau von Sozialhilfeempfängern gedrückt und damit hilfebedürftig. Allein deshalb, weil ein Manager, nun ein rechtskräftig verurteilter Betrüger, den Politikern eine gigantische Milchmädchenrechnung aufgemacht hat, wie sie es so in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht nicht gegeben hatte. Statt Einsparungen gab es nur Mehrkosten. Und
falscher Stolz hindert diese Politiker nun daran, dies zuzugeben – aber auch ihre Verpflichtungen als Lobbyisten und damit Interessenvertreter der Arbeitgeber.
Erst kürzlich hat ein Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass es weder rechtswidrig noch moralisch verwerflich sein kann, wenn ein Hilfebedürftiger die Sozialleistungen fordert, die ihm lt. Gesetz zustehen. Das muss erst recht für die Hilfebedürftigen gelten, die erst durch das Hartz IV-Gesetz hilfebedürftig wurden. Aber genau dieses Recht wird den Hilfebedürftigen – mit scheinheiligen, erniedrigenden und menschenverachtenden Angriffen auf ihre Moral,
unterstützt durch die "meinungsBildende" Presse – von unseren Politikern und den ARGEn, als deren Erfüllungsgehilfen, immer wieder verweigert.
ALG II-Empfänger und Lohndumping mit ergänzendem ALG II gibt es erst, seit es ALG II gibt! Und dafür sind die Politiker verantwortlich! Sie haben es so gewollt! Nun müssen sie auch zu den Konsequenzen stehen, statt die Schuld daran auf die ALG II-Empfänger abzuwälzen! Deshalb (m)ein Aufruf an alle ALG II-Empfänger: wehrt euch! Kämpft für euer Recht! Kämpft für die Sozialleistungen, die euch zustehen! Jede 2. Klage eines ALG II-Empfängers vor einem Sozialgericht hat Erfolg! (gegen-hartz.de, 17.10.07)
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