Zahl der Hartz IV Zwangsumzüge wird kleingerechnet

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Statistische Tricks bei Hartz IV Zwangsumzügen

03.07.2012

Die Zahl der Zwangsumzüge von Hartz IV-Beziehern in Berlin wird laut Informationen der Fraktion "Piratenpartei" mit statistischen Tricks kleingerechnet. Das ergab eine kleine Anfrage der Partei an den Berliner Senat.

Nach offizieller Lesart wurden im vergangenen Jahr 2011 insgesamt 1313 Haushalte zum zwangsweisen Umzug durch das Jobcenter aufgefordert. Im Jahre 2010 waren es 1195 und ein Jahr davor, gerade einmal 428. Nach Ansicht der Piratenpartei zeigen die Zahlen nur einen Teil der vorgegebenen Umzüge. Eine kleine Anfrage seitens der Piraten an den Berliner Senat hatte ergeben, dass der „Senat diejenigen Umzüge von Hartz-IV-Haushalten nicht dazu zählt, die stattfinden, nachdem das Jobcenter ihnen nur noch den möglichen Höchstbetrag der Wohnkosten erstattet.“ Demnach muss den offiziellen Zahlen eine bislang unbekannte Zahl an erzwungenen Umzügen hinzu gerechnet werden: 2011 gab es somit viel mehr Zwangsumzüge als bisher vom rot-schwarzen Senat zugegeben. "Niemand kann bislang sagen, wie viele der 22.348 von Mietfestsetzungen betroffenen Haushalte in der Folge umgezogen sind. Mit einer derartigen Verschleierungstaktik werden soziale Probleme zur Schönrechnung der eigenen Regierungsbilanz unter den Teppich gekehrt."

Zwangsumzüge werden bewusst statistisch kleingerechnet
Der sozialpolitische Sprecher der Partei, Alexander Spies, zeigte sich angesichts der statistischen Tricks entrüstet, da der Berliner Senat seit Jahren behauptet, die Anzahl der Zwangsumzüge wären im Vergleich zum restlichen Bundesgebiet in Berlin sehr gering. „Der Berliner Senat hat immer behauptet, diese Zahl bewege sich in Berlin auf sehr niedrigem Niveau. In Wirklichkeit aber wird diese Zahl, wie sich durch die Kleine Anfrage der Piratenfraktion herausstellt, bewusst kleingerechnet; das ist ein Skandal!“, sagt Spies.

Nach Ansicht der Piraten werden die neuen Richtwerte, die Sozialsenator Mario Czaja (CDU) einführt, nichts an der Situation ändern. „Kritik an den Mietrichtwerten durch Sozialverbände, Gewerkschaften, Mieterorganisationen, Erwerbsloseninitiativen und der Opposition hielt der Senat bislang immer die vermeintlich niedrige Zahl erzwungener Umzüge entgegen.“ Das sei aber ein Argument, dass nunmehr nicht melden könne, da die Zahlen nicht die Wirklichkeit widerspiegeln.

Zum Hintergrund: Liegen die Mieten von Hartz-IV-Beziehern über den „angemessenen“ Wohnrichtwerten, werden die Betroffenen vom Jobcenter aufgefordert ihre Miete zu senken – durch Untervermietung, Verhandlungen mit dem Vermieter, Zuzahlung aus nichtanrechenbarem Einkommen und Vermögen oder durch Umzug. Gelingt ihnen das nach sechs Monaten nicht, nimmt das Jobcenter eine „Mietfestsetzung“ vor – das heißt, ihre Miete wird nur noch bis zum Richtwert übernommen und sie müssen die Differenz zwischen angemessener und tatsächlicher Miete aus dem Regelsatz der ihnen zustehenden Mittel zahlen. 2011 waren dies 22.348 Hartz-IV-Haushalte. Ende 2011 zahlten rund 100.000 Hartz-IV-Haushalte eine Miete oberhalb der Mietrichtwerte des Berliner Senats, 65.000 von ihnen wurden im vergangenen Jahr aufgefordert, ihre Miete zu senken. Alle Erwerbslosen, die nach einer solchen „Mietfestsetzung“ umziehen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können, werden statistisch nicht mehr als Umzug erfasst. Statistische Daten zu den Kosten der Unterkunft im Rahmen des Controllings werden nur für den zahlenmäßig weit höheren Anteil der Hartz-IV-Empfänger erfasst – von Sozialhilfe-Bezieher und Asylsuchenden nicht. (sb, pm)

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