Jobcenter verklagt Hartz IV-Bezieher zu Unrecht

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Vermeintlicher Leistungsbetrug stellt sich als Jobcenter-Panne heraus

05.08.2014

Ein ehemaliger Erwerbsloser aus Stendal, der sein Arbeitslosengeld I (ALG I) mit Hartz IV aufstocken musste, wurde vom Jobcenter wegen Leistungsbetrugs verklagt. Der Behörde zufolge habe der Mann Leistungen kassiert, obwohl er eine Arbeitsstelle angetreten habe. Das Amtsgericht stellte jedoch am vergangenen Freitag klar, dass sich der frühere Erwerbslose nichts zuschulden kommen lassen habe. Eine Verwaltungspanne des Jobcenters sei der Grund für die Überzahlung.

Wenn Jobcenter-Mitarbeiter telefonisch erreichbar wären, könnten zahlreiche Klagen vermieden werden werden
Ein 33-jähriger ehemaliger Leistungsbezieher musste sich wegen vermeintlichem Leistungsbetrugs vor dem Amtsgericht verantworten. Das Jobcenter warf dem Mann vor, im Juni 2013 versäumt zu haben, die Agentur für Arbeit und das Jobcenter über den Antritt einer neuen Arbeitsstelle zu informieren und somit unberechtigt bis zum September Leistungen in Höhe von 1754,09 Euro kassiert zu haben. Die Anklage lautete deshalb auf „Leistungsbetrug durch Unterlassung“.

Das Amtsgericht kam jedoch zu dem Urteil, dass der 33-Jährige alles richtig gemacht habe. Das Jobangebot sei sehr kurzfristig beim Angeklagten eingegangen – der Arbeitsbeginn fiel bereits auf den Folgetag – und er habe daraufhin entsprechend seiner Pflicht versucht, seinen Arbeitsvermittler telefonisch zu erreichen. Da dieser aber für Klienten nicht per Telefon erreichbar sei, habe der ehemalige Erwerbslose das Service Center der Behörde in Halle angerufen. Dort sei er informiert worden, dass er die falsche Stelle erreicht habe. Unter einer anderen Nummer, die man ihm mitgeteilt habe, sei dann versprochen worden, seine Abmeldung vom Leistungsbezug weiterzuleiten.

In der Gerichtsverhandlung erklärte eine Arbeitsvermittlerin, dass die Informationsweiterleitung vermutlich irgendwo steckengeblieben ist. So sei die Arbeitsagentur rechtzeitig informiert worden, das Jobcenter aber erst wesentlich später, so dass der Behörde nicht bekannt gewesen sei, dass der Angeklagte seinen Arbeitsantritt fristgerecht mitgeteilt habe. Deshalb habe das unwissende Jobcenter Strafanzeige gestellt.

Solche Pannen sind der Arbeitsvermittlerin zufolge keine Seltenheit bei Leistungsbeziehern, die ihr ALG I mit Hartz IV aufstocken. So musste sich das Gericht am selben Tag noch mit einem zweiten ähnlich gelagerten Fall beschäftigen, der ebenfalls zugunsten des Angeklagten entschieden wurde.

Jobcenter schotten sich ab
Wenn die Jobcenter-Mitarbeiter für ihre Klienten telefonisch erreichbar wären, könnten solche Klagen vermieden werden. Seit einigen Jahren schotten sich die Ämter aber zunehmend ab, so dass Hartz IV-Beziehern nur die Möglichkeit bleibt, über das Service Callcenter ihr Anliegen telefonisch vorzubringen. Häufig sind die Hotlines zudem kostenpflichtig. Rechtsanwalt Dirk Feiertag hatte im Januar 2013 vor dem Verwaltungsgericht Leipzig auf Offenlegung der Durchwahlnummern der Sachbearbeiter geklagt und Recht bekommen. Da das Jobcenter Leipzig daraufhin in Berufung ging, ist der Fall derzeit noch nicht abschließend entschieden.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil hatte der Arbeits- und Sozialrechtler Harald Thomé Durchwahlnummern der Jobcenter-Mitarbeiter gesammelt und diese auf seiner Internetseite veröffentlicht. Nach Androhungen kostenintensiver Gerichtsverfahren seitens einiger Jobcenter gab er das Projekt jedoch Anfang dieses Jahres wieder auf. Die Piraten-Partei setzt die Arbeit Thomés seitdem fort und listet Telefonnummern von 134 Jobcenter auf ihrer Internetseite auf.

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