Hartz IV: Anrechnung unverheirateter Partner

Lesedauer 3 Minuten

LSG Nordrhein-Westfalen: Anrechnung des Einkommens eines unverheirateten Partners bei Hartz IV ist dann unzulässig, wenn der gegenseitige Einstandswille nicht vorhanden ist. Das Jobcenter hatte unterstellt, dass automatisch eine Bedarfsgemeinschaft besteht, wenn ein Mann mit seiner Freundin zusammen wohnt. 

Landessozialgericht urteilt über Anrechnung von Einkommen

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen erklärte das Anrechnen des Einkommens eines unverheirateten Partners dann als unzulässig, wenn der gegenseitige Einstandswille nicht vorhanden ist (Az.: L 19 AS 70/08). Dieser Einstandswille der Betroffenen ist Voraussetzung, dass aus einem Zusammenleben zweier nicht miteinander verwandten oder verheirateten Personen eine eheähnliche Gemeinschaft wird, die eine Anrechnung des Einkommens des einen Partners bei Bedürftigkeit des anderen Partners zulässt.

Ohne Einstandswille keine Bedarfsgemeinschaft

Obwohl das SGB II diese Regelung eigentlich eindeutig zum Ausdruck bringt, handeln die Argen hier in den meisten Fällen rechtswidrig. Während der § 7 des SGB II klare Kriterien für die Zulässigkeit der Anrechnung von Partnereinkommen erklärt, ersetzen die Argen grundsätzlich die tatsächliche Willensentscheidung der Partner durch die willkürliche Annahme eines Willens, der die Kosten des Leistungsträgers senkt.

Im § 7 des SGB II werden Unterhaltsansprüche analog zum Familiengesetz geregelt. Sie begründen die Bedarfsgemeinschaft. Folgende Konstellationen nicht verwandter Personen sind dabei in § 7 Abs. 3.3 als Bedarfsgemeinschaften genannt:

  • der nicht dauernd getrennte Ehegatte,
  • die Person die mit dem Bedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt,
  • der nicht dauernd getrennte Lebenspartner

Die Unterhaltsansprüche ergeben sich dabei jeweils aus dem freien Willen der Betroffenen, die sich entweder durch die Erklärung der Ehe dem Ehegesetz, oder durch die Erklärung einer Lebenspartnerschaft dem Lebenspartnerschaftsgesetz unterwerfen.

Dauer des Zusammenlebens kann freien Willen der Partner nicht ersetzen

Wer dies nicht möchte, kann dennoch jederzeit und unbefristet mit einem anderen Menschen zusammenleben, ohne für diesen finanziell Sorge tragen zu müssen, ohne also einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Weder ein bestimmtes Verhalten noch die Dauer des Zusammenlebens kann dabei den freien Willen der Partner, nicht gegenseitig füreinander finanziell einzustehen, ersetzen.

Genau dieser Umstand begründet das vorliegende Urteil. Es macht deutlich, dass die Anwendung des SGB II, wie sie heute tägliche Praxis in den Argen ist, rechtswidrig ist.

Wie das Gericht richtig feststellt, ist der Einstandswille Voraussetzung für das Vorhandensein einer Bedarfsgemeinschaft. Aus der Feststellung das dieser Einstandswille bei einem Zusammenleben, das noch nicht einmal ein Jahr andauert, nicht angenommen werden kann folgt jedoch nicht zwingend, dass dieser Wille nach einem Jahr gegeben sein muss.

Absurd: Gerichte entscheiden heute, wer füreinander Verantwortung übernehmen will

Es mutet doch schon fast grotesk an, wenn Gerichte über das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft entscheiden. Ob der gegenseitige Einstandswille vorhanden ist, entscheiden einzig und allein die Betroffenen. Diese Willensentscheidung bedarf auch keiner Begründung. Dies gilt auch noch nach einem oder mehreren Jahren des Zusammenlebens.

Der Arge steht es frei, einen bestimmten Willen bei den Betroffenen zu vermuten, jedoch wird diese Vermutung spätestens dann offensichtlich falsch, wenn die Betroffenen einen gegenteiligen Willen schriftlich bekunden. Dies geschieht spätestens mit der Klage gegen die Anrechnung des Einkommens des Partners.

Grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht zu entscheiden, ob er in einer Partnerschaft mit oder ohne finanzielle Bindung leben möchte. Erst mit der Erklärung vor dem Standesbeamten, für den jeweils anderen einstehen zu wollen, allgemein als Eheschließung bekannt, entstehen rechtlich einklagbare Unterhaltsansprüche. Ansonsten können Unterhaltsansprüche gegenüber nicht verwandten und nicht verheirateten Personen nur im Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft entstehen.

Zusammenleben begründet keinen Unterhaltsanspruch

Jedes andere Zusammenleben zweier nicht verwandten und nicht verheirateten Personen begründet keinen einklagbaren Unterhaltsanspruch. Denn alleine durch die Klage wäre deutlich, dass kein gegenseitiger Einstandswille vorhanden ist.

Die Argen ersetzen die freie Willensentscheidung der Betroffenen durch die grundsätzliche Vermutung einer eheähnlichen Gemeinschaft selbst dann, wenn eine gegenteilige Erklärung der zusammen lebenden Personen vorliegt, um damit die Kosten der Sozialkassen zu schonen.

Rechtlich halte ich dies für sehr bedenklich, zumal seitens der Argen eine Aufklärungspflicht gegenüber den Leistungsempfängern besteht. Aus meiner Sicht wäre zu prüfen, wie weit dieses Verhalten den Tatbestand des § 263 SGB Abs. 1 erfüllt.

 

Anmerkung der Redaktion: Seit wir diesen Text veröffentlicht haben, gab es neue Urteile zur Anrechnung des Einkommens von unverheirateten Paaren. Wir stehen nach wie vor zur Argumentation unseres Autors. Gerichte haben aber in letzter Zeit zum Nachteil von Hartz IV-Beziehern in BGs mit Partnern mit Einkommen entschieden.

Leben Sie in solch einer Konstellation, nehmen die Jobcenter heute nach einem Jahr eine Bedarfsgemeinschaft an und kommen dabei auch regelmäßig vor Gericht durch. Die aktuelle Rechtslage finden Sie in unserem Artikel zur Bedarfsgemeinschaft und im Artikel zu Verheirateten, die mit anderen Partnern in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

 

Quellen:

Sozialgesetzbuch II (SGB II)

Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)

Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...