Nach §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I könne der Rentenversicherungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten wegen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen oder wegen nicht gezahlter Beiträge mit einer ihm obliegenden laufenden Geldleistung bis zu deren Hälfte verrechnen.
Eine Verrechnung ist aber ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch (Bürgergeld) werde.
Die Aufrechnung nach § 51 SGB II sei bei privilegierten Forderungen (hier: Beitragsansprüche der Berufsgenossenschaft) also bis zur Hälfte der laufenden Geldleistung möglich, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfebedürftig werde.
Auf die Pfändungsschutzvorschriften gemäß §§ 850 ff. ZPO komme es hingegen bei privilegierten Forderungen nach § 51 Abs. 2 SGB II nicht an.
Gemäß § 39 Abs. 1 SGB I sind Leistungsträger aber ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem – Ermessen – zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Einen Nachweis dafür, dass der Kläger durch die Verrechnung in Höhe von 524,36 EUR hilfebedürftig im Sinne des SGB II oder des SGB XII werden würde, habe er bisher nicht erbracht.
Auch seinen erhobenen Widerspruch hat er trotz entsprechender Bitten auch nicht näher begründet, obwohl er dazu mehrfach aufgefordert und auf die möglichen Folgen hingewiesen worden ist.
Nun hat das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil wie folgt entschieden
Eine Verrechnung der Altersrente darf nicht dazu führen, dass der Antragsteller hilfebedürftig nach dem Bürgergeld/Sozialhilfe wird.
Einer Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Leistungsträgers ( Jobcenter/Sozialamt bedarf es nicht zwingend.
Der Leistungsträger muss bei der Aufrechnung bzw. Verrechnung sein ihm zustehendes Ermessen beachten.
Der Antragsteller muss, wenn er durch die Verrechnung der Beiträge Hilfebedürftig nach dem SGB II/SGB XII wird, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht seine behauptete Sozial- Hilfebedürftigkeit aber nachweisen.
Begründung Gericht
§ 51 Abs. 2 SGB I, wonach der Nachweis der Hilfebedürftigkeit dem Leistungsberechtigten obliegt, beseitigt nicht den Untersuchungsgrundsatz, sondern begründet eine verstärkte Mitwirkungsobliegenheit.
Einer Bedarfsbescheinigung des örtlich zuständigen Leistungsträgers bedarf es nicht zwingend, solange das Gericht durch Vorlage sämtlicher zur Ermittlung von Hilfebedürftigkeit notwendigen Angaben zu einer eigenen Berechnung in die Lage versetzt wird.
Soweit jedoch die zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit vorliegenden Angaben lückenhaft bzw. unvollständig bleiben und auch durch naheliegende ergänzende Ermittlungen des Gerichts nicht vervollständigt werden können, geht dies zu Lasten des Leistungsberechtigten ( so auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. April 2014 – L 2 R 526/11 – ).
Praxistipp vom Experten für Sozialrecht Detlef Brock – Zur Aufrechnung von Krankenkassenbeiträgen – Nachweis der Hilfsbedürftigkeit bei Aufrechnungen
Versicherten sind – nicht verpflichtet, zum Nachweis ihrer Hilfebedürftigkeit Bescheide des Jobcenters oder des Sozialamtes vorzulegen!
Die Nachweisobliegenheit des § 51 Abs. 2 SGB I beseitigt den Untersuchungsgrundsatz nicht, so dass von Amtswegen zu ermitteln ist, ob Hilfebedürftigkeit bei noch andauernder bzw. erst noch zu vollziehender Verrechnung eintritt.
Allerdings kann sich die Ermittlungspflicht durch die Mitwirkungsobliegenheit verringern (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Beschluss vom 31. Januar 2017- B 13 R 33/16 BH -).
Ähnliches gilt bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Entscheidungen über das Ruhen von Leistungsansprüche nach § 16 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (BSG, Urteil vom 8. März 2016- B 1 KR 31/15 R; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom .4 März 2020 – L 16 R 476/19 – ).
Denn Steht der Versicherte mithin nicht im Bezug von Existenzsicherungsleistungen kann der Eintritt der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensnachweise, Mietvertrag, eine Vermögensaufstellung nachgewiesen werden ( so aktuell eine Entscheidung des LSG Berlin- Brandenburg von März 2025 ).