Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch laden, um den Verdacht der Diskriminierung aufgrund einer Schwerbejinderung auszuräumen.
Das Bundesarbeitsgericht entschied jetzt, dass eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts diese Pflicht nicht hat, da sie nicht als öffentlicher Arbeitgeber zu bewerten sei. (Az. 8 AZR 318/22)
Inhaltsverzeichnis
Der Tatbestand
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich um einen Arbeitsplatz bei der Evangelischen Kirche im Rheinland beworben. Seine Bewerbung war nicht nur erfolglos, obwohl er seine Schwerbehinderung angegeben hatte, wurde er nicht zum Vorstellungsgespräch geladen.
Er klagte deshalb und vertrat den Standpunkt, er sei im Auswahlverfahren aufgrund seiner Schwerbehinderung diskrimniert worden.
Der Kirchenkreis sei laut Paragraf 165 Satz 3 des Sozialgesetzbuches IX verpflichtet gewesen, ihn zum Vorstellungsgespräch zu laden.
Der Kläger war der Ansicht, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechtes seien ein öffentlicher Arbeitgeber gemäß Paragraf 154 Abs 2 Nr 4 des Sozialgesetzbuches IX.
ER verlangte die Zahlung einer Entschädigung. Der Kirchenkreis lehnte dies ab und behauptete, er sei kein öffentlicher Arbeitgeber.
Die Klage war über mehrere Instanzen erfolglos, zuletzt beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz. (Az. 5 Sa 10/22).
Erfolglose Revision
Auch die Revision des Klägers vor dem Budnesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg.
Das Gericht sah die Klage als unbegründet an. Erst einmal hätte der Kläger keine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung dargelegt. Diese könne nicht vermutet werden, weil er keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten hätte.
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“Keine Pflicht zum Vorstellungsgespräch”
Der zuständige Kirchenkreis sei nicht verpflichtet gewesen, den Betroffenen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Es bestehe zwar eine Einladungspflicht nach Paragraf 165 Satz 2 des Sozialgesetzbuches IX – festgeschrieben im Paragraf 154 Abs 2 Nr 4 im Sozialgesetzbuch IX auch für Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
Einladungspflicht nur bei Staatsaufgaben
Dies bezöge sich aber nach allgemeinem verwaltungsrechtlichem Verständnis nur auf Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen.
Kirchliche Körperschaft für kirchliche Aufgaben
Kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechtes übernahmen hingegen vor allem kirchliche Aufgaben. Der Status als Körperschaft solle die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgesellschaft stärken.
Die Einladungspflicht auf kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts auszudehnen sei nicht ersichtlich, so das Gericht.
“Kirchliche Körperschaft steht privaten Arbeitgebern gleich
Insofern würden kirchliche Körperschaften staatsfernen privaten Arbeitgebern gleich stehen. Und für diese gebe es ebenfalls keine Pflicht, Schwerbehinderte zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
Was bedeutet das für Schwerbehinderte?
Kirchen genießen zwar als Körperschaften des öffentlichen Rechtes dieselben Privilegien wie Körperschaften, die staatliche Aufgaben ausüben, unter anderem die Finanzierung durch Steuergelder.
Sie haben aber, wie in diesem Fall, beim Arbeitsrecht nicht dieselben Pflichten.
Weniger Schutz für schwerbehinderte Menschen
So makaber diese kirchliche Extrawurst für Betroffene auch ist. Zumindest wissen Menschen mit Schwerbehinderungen jetzt, dass sie bei kirchlichen Arbeitgebern nicht ebenso vor Diskrimnierung geschützt sind wie bei öffentlichen Körperschaften, die staatliche Aufgaben wahrnehmen.