Schwerbehinderung: Arbeitsplatzverlust trotz Mutterschutz – Gericht bestätigt Kündigung

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Eine Änderungskündigung während der Elternzeit kann rechtmäßig sein – wenn betriebliche Gründe überwiegen. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juli 2022 (Az.: 16 Sa 1750/21). Eine dreifache Mutter verlor ihren höherwertigen Arbeitsplatz trotz bestehendem Kündigungsschutz. Für Arbeitnehmer birgt der Fall wichtige Hinweise zum Umgang mit betrieblichen Umstrukturierungen.

Kündigung trotz Schutzfristen: Das war der Fall

Die Klägerin war seit 2015 für ein Handelsunternehmen tätig, zuletzt als “Category Managerin” für Radbekleidung. Nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft im Februar 2019 folgten Gespräche mit der Unternehmensführung, die von Spannungen geprägt waren.
Während ihrer anschließenden Mutterschutzfrist und Elternzeit plante der Arbeitgeber strukturelle Änderungen: Der von der Klägerin bekleidete Posten sollte dauerhaft entfallen.

Die Firma beantragte beim zuständigen Landesamt die Erlaubnis, eine Änderungskündigung trotz Elternzeit auszusprechen – mit Erfolg. Das Kündigungsschreiben, das die Rückstufung auf eine Verkäuferinnenstelle vorsah, erhielt die Klägerin Ende Juli 2020.

Betriebliche Entscheidung als Kündigungsgrund

Zentrales Argument des Unternehmens: Die Aufgaben der Klägerin seien auf eine Geschäftsführerin übertragen worden. Der Arbeitgeber erklärte, die Stelle als Category Managerin werde nicht mehr benötigt.
Laut Gericht lag diese Organisationsentscheidung innerhalb der unternehmerischen Freiheit und sei nicht als willkürlich einzustufen.

Elternzeit bietet keinen absoluten Kündigungsschutz

Zwar schützt das Gesetz Arbeitnehmerinnen während Mutterschutz und Elternzeit grundsätzlich vor Kündigungen (§ 18 BEEG). Doch unter bestimmten Bedingungen kann eine Kündigung behördlich genehmigt werden.
Im vorliegenden Fall lag diese Genehmigung bereits vor dem Zugang der Kündigung vor – ein formeller Fehler, der Kündigungen oft zu Fall bringt, lag hier nicht vor.

Für Beschäftigte bedeutet das: Eine Kündigung während Mutterschutz oder Elternzeit ist möglich, wenn Arbeitgeber die erforderliche Zulassung nachweisen können.

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Keine Pflicht zur Sozialauswahl bei Wegfall der Stelle

Ein weiterer Streitpunkt war die unterbliebene Sozialauswahl. Die Klägerin verwies auf andere Beschäftigte, die ihrer Ansicht nach ebenfalls für eine Kündigung infrage gekommen wären.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Nur vergleichbare Positionen müssen in die Auswahl einbezogen werden. Da die Klägerin als Category Managerin eine spezialisierte Tätigkeit ausgeübt hatte, sei sie mit regulären Verkaufskräften nicht vergleichbar.

Konkreter Vorteil für Leser: Wer sich auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen möchte, muss nachweisen können, dass ein anderer Arbeitnehmer dieselben Aufgaben hätte übernehmen können.

Stillen während der Arbeit kein Kündigungshindernis

Ein weiterer Kritikpunkt der Klägerin: Aufgrund der Änderung hätte sie ihr Kind während der Arbeit nicht mehr stillen können.
Das Gericht sah darin keinen Kündigungsmangel. Es verwies auf vorhandene Rückzugsräume in der Filiale und auf gesetzliche Regelungen zu Stillzeiten. Zudem sei das Alter des Kindes bei Rückkehr in den Job – über 14 Monate – zu berücksichtigen.

Keine Pflicht zur alternativen Weiterbeschäftigung

Das Unternehmen war nicht verpflichtet, der Klägerin eine andere Stelle außerhalb des Verkäuferinnenbereichs anzubieten. Positionen im Personalbereich oder als Category Managerin für Zubehör kamen mangels Qualifikation oder fehlender freier Stellen nicht in Betracht.

Für Arbeitnehmer ergibt sich daraus: Der Arbeitgeber muss nur auf tatsächlich freie und geeignete Stellen verweisen. Wunschvorstellungen des Mitarbeiters spielen dabei keine Rolle.