Hartz IV – Leistungen auch für Strafgefangene

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Hartz IV- Leistungen auch für Strafgefangene

Das Bundessozialgericht (Az. B 14 AS 16/08 R ) urteilte: Dürfen Häftlinge außerhalb des Gefängnisses mindestens 15 Stunden pro Woche arbeiten, können sie auch den Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG II) geltend machen.

Der Kläger war auch nicht vom ALG II Leistungsbezug ausgeschlossen gemäß § 7 Abs 4 SGB II. § 7 Abs 4 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24 Dezember 2003 (BGBl I 2954) lautete: "Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht." Der Senat hat bereits entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal der Unterbringung für einen Zeitraum für "länger als sechs Monate" eine Prognoseentscheidung voraussetzt (vgl insbesondere BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 12 ff). Fragen des Prognosezeitpunkts und des Prognosezeitraums stellten sich hier jedoch nicht. Ab dem Zeitpunkt der Gewährung von Vollzugslockerungen, dem 2. Mai 2005, war der Kläger nicht mehr in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II (aF) untergebracht, sodass auch nicht mehr darüber zu befinden war, wie lange diese Unterbringung – betrachtet vom Zeitpunkt der Antragstellung aus – noch dauern sollte.

Der Senat hat bereits klargestellt, dass die Unterbringung in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II als gesetzliche Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ausgestaltet worden ist (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7 RdNr 16). Diese Fiktion kann nur mit der Aufnahme einer mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Erwerbsarbeit zu regulären Arbeitsmarktbedingungen widerlegt werden (ebenso Münder/Geiger, SGb 2007, 1, 4). Die Zuweisung von Hilfebedürftigen zum System SGB II oder dem Sozialhilferecht des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) entscheidet sich im Rahmen des § 7 Abs 4 SGB II mithin nicht anhand der individuellen Leistungsfähigkeit bzw Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen. Es kommt ausschließlich auf die objektive Struktur und Art der Einrichtung an. Ist die Einrichtung so strukturiert und gestaltet, dass es dem dort Untergebrachten nicht möglich ist, aus der Einrichtung heraus eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die den zeitlichen Kriterien des § 8 SGB II genügt, so ist der Hilfebedürftige dem SGB XII zugewiesen. Tragender Gesichtspunkt für eine solche Systementscheidung ist die Annahme, dass der in einer Einrichtung Verweilende auf Grund der Vollversorgung und auf Grund seiner Einbindung in die Tagesabläufe der Einrichtung räumlich und zeitlich so weitgehend fremdbestimmt ist, dass er für die für das SGB II im Vordergrund stehenden Integrationsbemühungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff SGB II) nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Im Kontext der Abgrenzung von SGB II und SGB XII ist der Begriff der Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II mithin danach zu bestimmen, ob durch die Unterbringung in der Einrichtung die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist.

Sinn und Zweck der Vollzugslockerung war es mithin gerade, den Kläger wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzunähern bzw diesen in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Obwohl im Einzelnen Feststellungen des LSG zur genauen Ausgestaltung des Vollzugs ab Mai 2005 fehlen, ist auf Grund der ausgesprochenen Vollzugslockerung davon auszugehen, dass es dem Kläger im streitigen Zeitraum objektiv möglich war, aus der Anstalt heraus einer Erwerbstätigkeit in dem erforderlichen Umfang von 15 Stunden wöchentlich nachzugehen. Dass der Kläger zuvor bereits längere Zeit in derselben Anstalt unter Bedingungen untergebracht war, die eine solche Erwerbstätigkeit ausschlossen – und damit seine Systemzuweisung zum SGB XII rechtfertigten (vgl hierzu auch BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 13) – ändert hieran nichts. Maßgebend ist, dass der Kläger gerade in dem durch den Antrag eröffneten streitigen Zeitraum objektiv in der Lage war, aus der Anstalt heraus einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (ebenso zum sog Freigänger LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2006 – L 14 B 1307/05 AS ER – FEVS 57, 464; vgl auch Peters, NDV 2006, 222, 224). (14.09.2009)