Hartz IV: Kein Zuschuss für Erstkommunion-Kleidung

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Zur Übernahme der Kosten für Bekleidung und ein Familienfest anlässlich der Erstkommunion bei ALG II Bezug, eine Revision des Verfahrens wurde jedoch zugelassen

Das Bayrische Landessozialgericht (AZ: L 11 AS 125/08) urteilte: In Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche ist eine Rechtsgrundlage nach dem SGB II nicht gegeben. Die geltend gemachten Kosten sind in keiner Weise unter die Begriffe der einmaligen Leistungen zu fassen, wie sie in § 23 Abs 3 SGB II geregelt sind. Dem Wesen nach ist der geltend gemachte Bedarf aus der Regelleistung zu decken, auch wenn – im Wesentlichen hinsichtlich der Bewirtungskosten – eine atypische Bedarfslage nicht per se auszuschließen ist.

Die Höhe der Regelleistung in § 20 SGB II hat abschließenden Charakter für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs. In diesem Rahmen ist eine Individualisierung ausgeschlossen und der Weg zu den §§ 28 Abs 1 Satz 2 und 30 Abs 1 SGB XII über § 5 Abs 2 Satz 1 iVm § 21 SGB XII nach dem Willen des Gesetzgebers verwehrt. Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende (verfassungskonforme) Auslegung des § 20 (etwa durch ein Hineinlesen des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in den § 20 SGB II) ist angesichts des klaren Wortlauts und der nochmaligen Klarstellung durch das Fortentwicklungsgesetz (§§ 3 Abs 3, 23 Abs 1 S 4 SGB II) nicht möglich. Mithin muss der SGB II-Leistungs-empfänger mit dem sich in der Regelleistung nach § 20 SGB II darstellenden pauschalierten Bedarf auskommen. Die Regelleistung deckt, so wie sie in § 20 SGB II ausgestaltet ist, den Bedarf des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (§ 3 Abs 3 SGB II; Spellbrink aaO § 20 Rn.39 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO; Knickrehm in Eicher/Spellbrink aaO § 5 Rn. 19 mwN).

Ein Anspruch kann sich allenfalls aus § 73 SGB XII ergeben, der sich jedoch nicht gegen die Beklagte, sondern nur gegen die Beigeladene richten kann (zur Anwendbarkeit für Leistungsempfänger nach dem SGB II; BSG, Urteil vom 07.11.2006 aaO).

Aber auch dieser Anspruch ist nicht gegeben, denn die Ausrichtung einer Familienfeier in einem Gasthaus anlässlich der Erstkommunionfeier eines Kindes, stellt keine Bedarfslage dar, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist.

Unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) war zwar anerkannt, dass die Kosten einer Kommunionfeier (einschließlich der nach der kirchlichen Zeremonie folgenden privaten Feier) zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, für die über die Regelsätze für laufende Leistungen hinaus einmalige oder laufende Leistungen zu erbringen waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 18 Feb 1993 – 5 C 49/90; BVerwGE 92, 102-105). Insofern müssen auch die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums – zumindest im Ergebnis – die Möglichkeit gewährleisten, im bescheidenen Rahmen Familienfeiern ausrichten zu können.

Bei Überprüfung der EVS, die der Bemessung der Hartz IV Regelleistung zugrunde gelegen hat, ergibt sich, dass für Beherbungsdienstleistungen 2,4 v.H. der Regelleistung vorgesehen sind, so dass sich im Falle der Kläger allein aus dieser Position der (gesamten) Regelleistungen (= 1.036.- EUR) ein Betrag von 24,85 EUR monatlich errechnet, der es ermöglicht, innerhalb eines Jahres einen Betrag von ca. 300.- EUR anzusparen und somit eine Familienfeier in bescheidenem Rahmen zu finanzieren. Das gleiche gilt für die geltend gemachten Kosten der Fotoarbeiten, denn auch hierfür ist im Rahmen der Regelleistung eine entsprechende Position vorgesehen.

Des Weiteren ist ein Familienfest anlässlich einer Kommunion keine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Sachverhalten aufweist. Allenfalls denkbar erscheint hier ein Vergleich zu den in § 74 SGB XII geregelten Leistungen (Bestattungskosten), wobei insoweit auch nur die Kosten erstattungsfähig sind, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der rituellen Handlung stehen (Bestattung; Leichenschau, Verständigung von Angehörigen u.ä.), nicht jedoch die Kosten eines – gesellschaftsüblichen – Leichenschmauses (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.1986 – 19 K913/84 in ZfSH/SGB 1987, 325-326). Darüber hinaus scheitert die Vergleichbarkeit der Bedarfslagen an dem Umstand, dass die Situation des § 74 SGB XII – in aller Regel – unvermittelt eintritt und erhebliche Kosten verursacht, die weit über das hinausgehen, was aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes finanzierbar ist, wohingegen eine bescheidene Feier im Familienkreis – anlässlich eines bereits mit der Taufe eines Kindes absehbaren Ereignisses – auch langfristig planbar ist.

Zuletzt wird durch die Fragestellung, ob die Bewirtung von Familienangehörigen anlässlich einer Kommunionfeier in einem Gasthaus geboten ist, die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs 1, Abs 2 Grundgesetz – GG) nicht in ihrem Kern tangiert, sondern nur die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs 1 GG) der Kläger, die jedoch lediglich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und ihrer einfachgesetzlichen Regelungen gewährleistet wird. Insofern müssen sich die Kläger auf eine bescheidene – möglicherweise im häuslichen Rahmen stattfindende – Familienfeier verweisen lassen, die durch die Regelleistung gedeckt ist, denn der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit gesehen, Empfängern von Grundsicherungsleistungen denjenigen gleichzustellen, die ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit vollständig sichern und über ihr Einkommen nach eigenem Belieben verfügen können.

Zum einen war unter der Geltung des BSHG nur anerkannt, dass eine Familienfeier in einem bescheidenen Rahmen zu den persönlichen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehöre (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1993 aaO), so dass hieraus nicht zwangsläufig herzuleiten ist, im Rahmen der Regelleistung müsste die finanzielle Möglichkeit zur Verfügung stehen, eine solche Feier in einem Gasthaus auszurichten.

Zum anderen dürfte es sich – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG zur Bedeutung privater Feiern anlässlich religiöser Feste – um einen unabweisbaren Bedarf iSd § 23 Abs 1 SGB II handeln, für den die Beklagte – unter Umständen – ein Darlehen zu gewähren hätte. Hierüber hatte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, denn die Kläger haben die Gewährung eines solchen Darlehens gegenüber der Beklagten abgelehnt und auch im gerichtlichen Verfahren nicht beantragt. Die Revision ist zuzulassen, denn nach Auffassung des Senates hat die Frage, ob die Kosten privater Feste anlässlich religiöser Feiern durch die Regelleistung abgedeckt sind oder dieser Sachverhalt eine atypische Bedarfslage iSd §§ 47ff SGB XII darstellt, grundsätzliche Bedeutung (14.09.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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