Hartz IV : Kein Geld bei Zweitstudium

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Hartz IV : Keine Finanzierung bei Zweitstudium

Das Bundessozialgericht in Kassel (BSG) entschied (AZ: B 4 AS 67/08 R ): Grundsicherungsleistungen für den Hilfebedürftigen sind gemäß § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II deshalb ausgeschlossen, weil die nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung lediglich aus individuellen Versagensgründen, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, nicht gefördert werden kann. Individuelle Versagensgründe sind vorliegend einerseits das Alter des Klägers und andererseits der Umstand, dass es sich um eine weitere Ausbildung handelt. Der Kläger, bei dem keine Ausnahmen nach § 10 Abs 3 Satz 2 BAföG in Betracht kommen, hat das 30. Lebensjahr überschritten (vgl § 10 Abs 3 Satz 1 BAföG). Daneben handelt es sich bei seinem Studium an der Universität S nach seinem abgeschlossenen Ingenieurstudium an der FH N zwar nicht um seine erste, sondern eine weitere Ausbildung iS des § 7 Abs 2 BAföG, unabhängig davon, ob man diese als Zweit- oder Ergänzungsstudium bezeichnet.

Der Begriff der besonderen Härte, der voller gerichtlicher Überprüfung unterliegt (BSG, Urteil vom 6 September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R, aaO, RdNr 22), fand sich bereits in der Vorläuferregelung des § 26 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Bei der Auslegung des Begriffs der besonderen Härte im Sinne der genannten Vorschrift hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheidend auf den Sinn und Zweck der Ausschlussregelung in § 26 Abs 1 Satz 1 BSHG abgestellt. Der grundsätzliche Ausschluss von Ansprüchen zur Sicherung des Lebensunterhalts während einer förderungsfähigen Ausbildung beruhte danach darauf, dass die Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten des Lebensunterhalts umfassten, außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt war (BVerwGE 61, 352, 356; BVerwGE 94, 224, 226 f). Deshalb solle das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung solle die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu sein (BVerwGE 61, 352, 358 f; 71, 12, 15 ff; 82, 125, 129; 94, 224, 226). Auf Grund des Regelungszusammenhangs zwischen § 26 Abs 1 Satz 1 und 2 BSHG hat das BVerwG gefolgert, dass Hilfebedürftige, die eine Ausbildung der genannten Art betrieben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht (mehr) gefördert würden, in der Regel gehalten seien, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Ein "besonderer" Härtefall liege erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzuträten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, dh als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen ließen (BVerwGE 94, 224).

Derartige Gründe, die über den Umstand, dass der Kläger während des Laufs der Ausbildung keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, hinausgehen, sind nicht ersichtlich. Dass mit der Beendigung des Studiums der Verlust der bislang abgelegten Prüfungsleistungen einhergeht, genügt für sich noch nicht, eine unbillige Härte anzunehmen

Allerdings muss auch im Anwendungsbereich der Härteregelung des § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II dem bereits in § 1 Abs 1 Satz 2 SGB II verankerten Ziel der Grundsicherung, die erwerbstätigen Hilfebedürftigen bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen, hinreichend Rechnung getragen werden. Der Zielsetzung des "Förderns" entspricht es auch, arbeitsmarktbezogene Aspekte bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Härte zuzulassen. Der 14. Senat des BSG hat hierzu ausgeführt, dass ein Härtefall insbesondere dann angenommen werden könne, wenn wegen einer Ausbildungssituation Hilfebedarf entstanden sei, der nicht durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden könne und deswegen begründeter Anlass für die Annahme bestehe, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit. Es müsse die durch objektive Gründe belegbare Aussicht bestehen, nachweisbar beispielsweise durch Meldung zur Prüfung, wenn alle Prüfungsvoraussetzungen zur Prüfung erfüllt seien, die Ausbildung werde mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in absehbarer Zeit durch einen Abschluss zu Ende gebracht. Dass der Kläger das Studium in absehbarer Zeit zu Ende bringt, ist im vorliegenden Fall nach den sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Feststellungen des LSG gerade nicht zu erwarten.

Eine weitere Ausnahme kann nach der Rechtsprechung des 14. Senats zwar anerkannt werden, wenn die bereits weit fortgeschrittene und bisher kontinuierlich betriebene Ausbildung auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls wegen einer Behinderung oder Krankheit gefährdet ist (BSG, Urteil vom 6 September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr. 6 RdNr 36). Die Behinderung oder Krankheit kann aber nur in Bezug auf die Verzögerung der Ausbildung angeführt werden. Hinzukommen muss auch für diese Konstellation, dass die Ausbildung (nun) in absehbarer Zeit zu Ende gebracht wird, was vorliegend nicht der Fall ist. Wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit der Krankheit und ihren Folgen stellt es daher bereits keinen Verfahrensfehler dar, dass das LSG kein Sachverständigengutachten hierzu eingeholt hat. Darüber hinaus ist die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG verletzt, nicht hinreichend dargetan.

Schließlich kann ein besonderer Härtefall vorliegen, wenn nur eine nach den Vorschriften des BAföG förderungsfähige Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt (Urteil des Senats vom 30.9.2008 – B 4 AS 28/07 R, aaO; BSG, Urteile vom 6 September 2007 – B 14/7b AS 36/06 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 6 = BSGE 99, 67, 77 RdNr 24 und B 14/7b AS 28/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 8 RdNr 26). Die "Erwerbszentriertheit" des SGB II erfordert eine Auslegung der Härteregelung des § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II, die der Zielsetzung einer möglichst dauerhaften Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit Rechnung trägt. Nach dieser Fallgruppe kommt die darlehensweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Betracht, wenn die Ausbildung objektiv belegbar die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt und der Berufsabschluss nicht auf andere Weise, insbesondere durch eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung (§ 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm §§ 77 ff SGB III), erreichbar ist. Auch hieran fehlt es.

Eine verfassungswidrige Benachteiligung durch den Ausschluss von SGB II-Leistungen ist – wie der 14. Senat bereits ausführlich begründet hat – zu verneinen. (30.08.2009)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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