Wohnkosten aus den Hartz IV-Regelsätzen

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Jeder zweite Berliner ALG II Bezieher muss Wohnkosten anteilig aus dem Hartz IV-Regelsatz bestreiten

29.09.2011

In Berlin muss jeder zweite Bezieher von Hartz IV Leistungen die Wohnkosten aus den Arbeitslosengeld II Regelleistungen zu Anteilen selbst bezahlen. Der Grund: Die Richtwerte der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen des Landes Berlin sind zu gering bemessen. Viele Betroffene haben aus diesem Grund Mietschulden angehäuft.

Wie bereits berichtet sind die geltenden Richtwerte der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen des Landes Berlin viel zu gering bemessen. In Zusammenarbeit mit den Sozialverbänden hat das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) eine Umfragestudie zur Situation von Hartz IV Beziehern in der Hauptstadt gestartet. Insgesamt wurden 400 Frauen und Männer mit Anspruch auf ALG II Leistungen befragt. Die Umfrage ergab, dass bei 46 Prozent der Betroffenen die Warmmiete über den sogenannten AV-Richtwert liegt. Sie müssen demnach zusätzlich aus dem Regelsatz Geld aufbringen, um die Kosten der Unterkunft zu begleichen.

Besonders Bedarfsgemeinschaften betroffen
Sehr hoch war die Betroffenengruppe der sogenannten Bedarfsgemeinschaften. Hier lag der Anteil bei 64,9 Prozent (Zwei Personen Haushalte) bzw. 59,6 Prozent (Drei-Personen-Haushalte). Im Vergleich: 2009 wurde eine ähnliche Umfrage unter Hartz IV Beziehern durchgeführt, damals waren „nur“ 39,3 Prozent von den Zusatzzahlungen aus den Regelsätzen betroffen.
Jede vierte Bedarfsgemeinschaft wurde laut Ergebnisse schon einmal zur Senkung der Kosten aufgefordert. Nur 11 Prozent konnten dieser Aufforderung von Seiten des Jobcenters nachkommen und beispielsweise die Kosten durch Verhandlungen mit dem Vermieter, Untervermietung oder Senkung der Heizkosten erreichen. 15 Prozent zogen nach der Aufforderung „freiwillig“ um. 40 Prozent sagten, sie könnten nicht noch weiter die Kosten für die Unterkunft senken. Bei 16 Prozent laufen noch Verfahren (Widersprüche, Klagen) und 19 Prozent machten hierzu keine Angaben.

Weil die tatsächliche Miete von den Jobcentern nicht übernommen wird, müssen die Betroffenen die Wohnkosten anteilig aus den Regelleistungen bezahlen. Weil dies aber oftmals aufgrund der geringen Hartz-IV-Sätze nicht möglich ist, häufen viele Menschen Mietschulden an.

Untätigkeit des Berliner Senates
Die Initiative kritisierte angesichts dieser Ergebnisse die vergangene Arbeit des „Rot-Roten Senates“. „Das ist das Ergebnis von sieben Jahren Untätigkeit“, kritisiert das Arbeitslosenzentrum Balz. Vor sieben Jahren hatte der Senat zum letzten Mal die Richtwerte fürs AV Wohnen den Entwicklungen am Wohnungsmarkt angepasst. Nur bei den Ein-Personen-Haushalten gab es 2008 eine leichte Erhöhung von fünf Prozent, weshalb die Single-Haushalt in der Umfrage auch nicht so sehr betroffen sind, wie die Mehr-Personen-Haushalte. Längst überfällig ist eine Neuregelung aufgrund der schlechten Lage für viele Menschen. „Die Gerichte interessieren die AV Wohnen schon lange nicht mehr. Das Bundessozialgericht hat bereits im Oktober 2010 geurteilt, dass die AV Wohnen nicht geeignet sind, die Angemessenheit der Wohnkosten für Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften zu bestimmen.“ Der sich neu konstituierende Senat müsse endlich das Leid der Menschen beenden und Rechtssicherheit schaffen.“Die Richtwerte für angemessene Wohnkosten müssen dabei so angepasst werden, dass Menschen, die Grundsicherungsleistungen erhalten, nicht hungern müssen, um ihre Miete bezahlen zu können«, forderte BALZ-Geschäftsführer Frank Steger.

Steigende Mietpreise in der Hauptstadt
Die Mieten in Berlin steigen unaufhörlich. Verantwortlich für diese Lage sind Bauherren, die einst günstige Wohnungen sanieren und daraus Luxuswohnungen konzipieren. Günstige Wohnungen werden knapp, die Nachfrage größer und die Mieten um so teurer. Der letzte Berliner Mietspiegel zeigte einen deutlichen Mietpreisanstieg von satten acht Prozent. In Berlin existieren rund 330000 Bedarfsgemeinschaften mit ALG II und etwa 60000 Rentnerhaushalte mit Grundsicherung. Steger rechnet damit, dass bei etwa 30.000 Bedarfsgemeinschaften die Wohnkosten nicht mehr in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Laut BALZ-Geschäftsführer ist dies ein Anstieg von einem Drittel im Vergleich zum letzten Jahr. (sb)

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