Viele Antragsteller sind รผberrascht: Trotz gleicher Diagnose erhalten Betroffene unterschiedlich hohe Grade der Behinderung. Warum das so ist โ und welche neuen Regeln 2025 gelten.
Inhaltsverzeichnis
GdB ist keine Prozentzahl โ und keine reine Diagnosefrage
Wer einen Schwerbehindertenausweis beantragt, denkt oft, dass die Diagnose allein entscheidend sei. Doch das stimmt nicht. Maรgeblich ist, wie stark die jeweilige Erkrankung den Alltag tatsรคchlich einschrรคnkt. Entscheidend sind also nicht medizinische Begriffe, sondern praktische Auswirkungen: Was kann der Mensch noch leisten โ und was nicht mehr?
Ein Beispiel: Zwei Menschen leiden an Diabetes. Der eine kommt gut mit der Krankheit zurecht, der andere hat schwere Folgeerkrankungen und muss mehrfach tรคglich medizinisch betreut werden. Trotz gleicher Grunddiagnose fรคllt der Grad der Behinderung (GdB) unterschiedlich aus.
Maรgeblich: Die Versorgungsmedizin-Verordnung
Die rechtliche Grundlage fรผr die Bewertung bildet die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). 2025 steht die 6. รnderungsverordnung kurz vor dem Inkrafttreten. Sie nimmt vor allem redaktionelle Anpassungen vor und ergรคnzt neue Krankheitsbilder wie Long COVID; die Systematik der GdB-Spannbreiten bleibt jedoch unverรคndert.
Wichtig: Bei der Antragstellung spricht man nicht von โProzentโ, sondern ausschlieรlich vom โGrad der Behinderungโ. Ein GdB von 50 bedeutet nicht โ50 Prozent behindertโ, sondern nur: Die Einschrรคnkungen rechtfertigen bestimmte Nachteilsausgleiche im Alltag und im Arbeitsleben.
Funktionseinschrรคnkungen: Der entscheidende Faktor
Fรผr die Bewilligung eines Schwerbehindertenausweises ist nicht die Krankheit selbst ausschlaggebend, sondern die sogenannte funktionale Einschrรคnkung. Konkret muss im รคrztlichen Gutachten stehen, wie die Erkrankung das tรคgliche Leben beeinflusst:
- Welche Tรคtigkeiten sind nicht mehr mรถglich?
- Seit wann bestehen diese Einschrรคnkungen?
- Wie wirken sie sich auf Arbeit, Mobilitรคt oder Selbstversorgung aus?
Je konkreter und nachvollziehbarer diese Einschrรคnkungen im Antrag beschrieben sind, desto besser sind die Chancen auf eine angemessene Bewertung durch das zustรคndige Versorgungsamt.
Mehrere Erkrankungen: Nicht automatisch hรถherer GdB
Ein verbreiteter Irrtum ist, dass man mehrere Einzel-GdB einfach addieren kรถnne. Tatsรคchlich ist das nur dann zulรคssig, wenn sich die Einschrรคnkungen gegenseitig verstรคrken.
Beispiel: Wer gleichzeitig schlecht sieht und schlecht hรถrt, erlebt eine massive Einschrรคnkung in der Kommunikation und Orientierung โ die Krankheiten wirken zusammen und verschlimmern sich funktional gegenseitig. In solchen Fรคllen wird ein hรถherer Gesamt-GdB anerkannt.
Anders sieht es aus, wenn eine Person z. B. an Rรผckenschmerzen leidet und zusรคtzlich eine Depression entwickelt. Wenn diese Erkrankungen den Alltag jeweils unabhรคngig voneinander beeintrรคchtigen, wird das Amt sie nicht automatisch zusammenrechnen. Nur wenn ein Zusammenhang erkennbar ist โ etwa durch gegenseitige Verstรคrkung โ kann ein hรถherer Gesamt-GdB entstehen.
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Was bedeutet ein bestimmter GdB?
Ein GdB von 50 oder mehr gilt als Schwerbehinderung. Damit gehen 2025 folgende Rechte einher:
- Anspruch auf zusรคtzliche Urlaubstage
- Kรผndigungsschutz
- Steuerliche Vergรผnstigungen (Behinderten-Pauschbetrag seit 2021 dauerhaft erhรถht)
- Vorgezogene Altersrente: Fรผr Jahrgรคnge 1964 und jรผnger abschlagsfrei ab 65 Jahren oder bereits ab 62 Jahren, mit maximal 10,8 % Abschlag. Fรผr รคltere Jahrgรคnge lรคuft die รbergangsregel stufenweise aus.
- Hinzuverdienst: Seit 1. Januar 2023 gibt es bei vorgezogenen Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr.
Ein GdB von 30 oder 40 kann ebenfalls Vorteile bringen, etwa durch Gleichstellung mit Schwerbehinderten im Arbeitsleben โ vorausgesetzt, die Einschrรคnkungen erschweren die Jobsuche oder -ausรผbung erheblich.
Antragstellung: Worauf Betroffene 2025 achten sollten
Fรผr einen erfolgreichen Antrag sollten Sie ausfรผhrliche รคrztliche Berichte beifรผgen, die den Schwerpunkt auf Ihre funktionellen Einschrรคnkungen legen, ergรคnzt durch mรถglichst aktuelle Diagnosen und Befunde sowie eine prรคzise Beschreibung, wie die Erkrankung Ihren Alltag beeintrรคchtigt.
Neu ist, dass sich der komplette Antrag in vielen Bundeslรคndern โ zum Beispiel in Niedersachsen โ digital รผber das Portal eGDB einreichen lรคsst, was Papier spart und die Bearbeitungszeit verkรผrzt. Verlassen Sie sich jedoch nicht darauf, dass Ihr Arzt alle Details von selbst ergรคnzt: Hรคufig listen Gutachten nur die Diagnose auf und lassen die alltagsrelevanten Folgen auรen vor.
Fehlen diese Informationen, kann das Versorgungsamt den Antrag kaum angemessen bewerten โ und lehnt ihn im Zweifel ab.
Unterstรผtzung durch Sozialberatungsstellen
Wer bei der Antragstellung unsicher ist, kann sich an Sozialverbรคnde oder Beratungsstellen wenden. Dort helfen Fachleute dabei, den Antrag korrekt zu formulieren und unvollstรคndige Unterlagen zu ergรคnzen. In vielen Fรคllen lรคsst sich so ein Ablehnungsbescheid vermeiden โ oder erfolgreich anfechten.
Ein bekanntes Beispiel: Ein Antragsteller mit chronischer Darmerkrankung wurde zunรคchst mit GdB 20 bewertet. Erst durch eine ergรคnzende รคrztliche Stellungnahme zur Hรคufigkeit der Schรผbe und deren Auswirkungen auf die Arbeitssituation konnte der GdB auf 50 angehoben werden.
Neuerungen 2025 auf einen Blick
Bereich | Neu ab 2025 | Kurzinfo |
Eingliederungshilfe | Vermรถgensfreibetrag 67.410 โฌ | Erhรถhung zum 1. 1. 2025 (ยง 18 SGB IV).(Lebenshilfe) |
Arbeitsmarkt | Ausgleichsabgabe bis zu 720 โฌ/Monat je unbesetztem Pflichtplatz (bei 0 % Erfรผllung) | Greift erstmals bei der Anzeige 2024, Zahlung ab 31. Mรคrz 2025.(Bundesagentur fรผr Arbeit) |
VersMedV | 6. รnderungs-VO | Ergรคnzt u. a. Long-COVID, keine System-Reform.(Sozialverband Deutschland) |
Online-Service | Antrag eGDB bundesweit ausgerollt | Schrittweise Einfรผhrung seit 2024.(Niedersachsen) |