Pflegende Angehörige stehen oft vor der Herausforderung, kurzfristig beruflich aussetzen zu müssen – etwa nach einem Sturz oder einer Krankenhausentlassung eines Familienmitglieds. Bis Ende 2023 war der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (PUG) auf eine einmalige Notsituation begrenzt. Eine zweite Krise im selben Jahr? Kein Anspruch mehr.
Mit dem Start des neuen Jahres bringt die erste Stufe des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes (PUEG) eine wichtige Änderung: Seit dem 1. Januar 2024 kann PUG jährlich pro pflegebedürftiger Person neu beantragt werden – mit bis zu zehn Arbeitstagen bezahlter Freistellung. Für pflegende Erwerbstätige bedeutet das mehr Verlässlichkeit, vor allem bei chronischen Krankheitsverläufen.
Inhaltsverzeichnis
Ab Juli 2025: Sozialversicherungsschutz und digitale Antragstellung
Ab Mitte 2025 tritt die zweite Reformstufe des PUEG in Kraft. Sie zielt auf strukturelle Verbesserungen ab – ohne jedoch die Geldleistung selbst zu erhöhen. Entscheidend sind drei Neuerungen:
1. Weiterzahlung der Sozialversicherungsbeiträge:
Während der Freistellung ruht der Versicherungsschutz künftig nicht mehr. Arbeitgeber melden die Auszeit wie bisher, doch die Pflegekassen übernehmen die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Das gilt für bis zu acht Wochen Freistellung pro Kalenderjahr (§ 44 Abs. 3, § 44a Abs. 3 SGB XI n. F.).
2. Digitales Antragsverfahren:
Bis Juli 2025 sollen gesetzliche Krankenkassen elektronische Lösungen bereitstellen. Atteste können dann per App oder Onlineportal hochgeladen werden – das spart Zeit und reduziert Bearbeitungsstaus.
3. Verknüpfung mit dem neuen Entlastungsbudget:
Parallel startet das sogenannte Gemeinsame Jahresbudget in Höhe von 3.539 €. Dieses kann flexibel für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege verwendet werden – etwa dann, wenn die zehn Freistellungstage nicht ausreichen.
Wer bekommt Pflegeunterstützungsgeld – und wer nicht?
Nicht jede pflegende Person hat Anspruch auf PUG. Die wichtigsten Voraussetzungen:
- Pflegebedürftige Person: Angehörige mit mindestens Pflegegrad 1. Bei schwerbehinderten Menschen ist dieser meist vorhanden.
- Nahe Angehörige: Ehe oder Lebenspartner, Eltern, Kinder, Großeltern, Geschwister, Enkelkinder (§ 7 PflegezeitG).
- Akute Pflegesituation: Unvorhergesehene Ereignisse wie ein Sturz, eine Entlassung aus dem Krankenhaus oder plötzliche gesundheitliche Verschlechterung.
- Erwerbstätigkeit: Der Anspruch besteht ausschließlich für Arbeitnehmer mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.
- Kein Lohnfortzahlungsanspruch: Der Arbeitgeber darf während der Freistellung keine reguläre Entgeltzahlung leisten.
Ausschluss bleibt bestehen: Selbstständige und geringfügig Beschäftigte haben weiterhin keinen Zugang zu dieser Leistung – ein klares Gerechtigkeitsdefizit im System.
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Pflegeunterstützungsgeld: Höhe der Leistung im Detail erklärt
Die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes orientiert sich am bisherigen Nettoverdienst:
- 90 % des Nettoarbeitsentgelts (ohne Einmalzahlungen)
- 100 %, wenn im letzten Jahr Einmalzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld) gezahlt wurden
- Deckelung: Maximal 70 % der Beitragsbemessungsgrenze der GKV – für 2025 voraussichtlich 126,20 € pro Tag
Beispielrechnung:
Eine Angestellte mit einem durchschnittlichen Netto von 2.400 € monatlich erhält etwa 108 € täglich – bei voller 5-Tage-Woche also rund 540 € für fünf Tage Freistellung.
Aber: Bei Schichtarbeit oder Wochenendarbeit fehlen Zuschläge in der Berechnung – Betroffene erhalten also oft weniger als erwartet.
Antrag stellen in vier Schritten: So funktioniert’s
Damit das Pflegeunterstützungsgeld ausgezahlt wird, müssen Betroffene aktiv handeln. Der Antrag läuft direkt über die Pflegekasse der zu betreuenden Person.
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
- Freistellung beim Arbeitgeber beantragen – idealerweise mit kurzer Begründung.
- Antragsformular der Pflegekasse ausfüllen – als PDF oder ab 2025 per App.
- Ärztliches Attest beifügen – Nachreichung innerhalb von drei Wochen möglich.
- Leistungsüberweisung abwarten – Das Geld wird direkt auf das Konto der Pflegeperson überwiesen.
Ab Mitte 2025 soll dieser Prozess deutlich schneller gehen – dank digitaler Attest-Uploads und vereinfachter Schnittstellen zwischen Pflegekassen und Versicherten.
Anrechnung auf Bürgergeld: Was bedeutet das für Betroffene?
Für Bürgergeld-Beziehende kann das Pflegeunterstützungsgeld zum Stolperstein werden. Denn obwohl steuerfrei, gilt es nach § 11 SGB II als Einkommen. Es wird vollständig auf den Bürgergeldanspruch angerechnet – ohne Freibeträge.
Einzige Ausnahme: Wenn durch den Bezug des Pflegeunterstützungsgeldes der Freibetrag für Erwerbstätige unterschritten wird, greift wieder der allgemeine Grundfreibetrag.
Fazit: Auch wenn pflegende Bürgergeld-Beziehende faktisch arbeiten, bleibt die finanzielle Anerkennung begrenzt – ein klarer Schwachpunkt der aktuellen Regelung.
Kritik am PUG: Wo Reformen ausbleiben
Die Reform des PUG ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber längst nicht ausreichend:
Zehn Tage Freistellung reichen bei schweren oder mehrfachen Pflegeverläufen kaum aus.
Einkommensgrenzen und Deckelungen benachteiligen Geringverdienende.
Keine Anerkennung für Selbstständige – obwohl sie oft familiär mitpflegen.
Kein automatischer Leistungsbezug – Betroffene müssen aktiv beantragen, was zu Verzögerungen führt.
Organisationen wie der VdK und die Caritas fordern seit Jahren eine umfassendere Entlastung für pflegende Angehörige – bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
Erleichterung mit Lücken – was Angehörige jetzt wissen sollten
Das Pflegeunterstützungsgeld wurde mit dem PUEG modernisiert – die jährliche Neuvergabe des Anspruchs und die soziale Absicherung während der Auszeit sind Fortschritte. Auch die Aussicht auf eine digitale Antragstellung ab 2025 bringt Erleichterung.
Doch viele pflegende Angehörige bleiben außen vor: Selbstständige, Minijobber oder Menschen mit Bürgergeldbezug erhalten kaum echte Unterstützung. Die Dauer der Freistellung ist begrenzt, die Leistungshöhe gedeckelt und wichtige Lohnbestandteile wie Zuschläge werden nicht berücksichtigt.
Für eine wirkliche Anerkennung der Pflegearbeit braucht es mehr: Flexible Modelle, höhere Lohnersatzleistungen und eine faire Einbeziehung aller Erwerbstätigen – nicht nur der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.