Schwerbehinderung: Das zahlt der Staat extra für behinderte Menschen

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Menschen mit einer Schwerbehinderung stehen vor erheblichen Herausforderungen im Alltag und Berufsleben. Der Staat bietet deswegen eine Vielzahl Hilfen, Vergünstigungen und Unterstützungen an, um Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über verfügbare Leistungen und Rechte.

Was bedeutet Schwerbehinderung und wie wird sie festgestellt?

Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für mindestens sechs Monate erheblich einschränken.

Der Grad der Behinderung (GdB) wird in Stufen von 20 bis 100 festgestellt. Personen mit einem GdB von 50 oder mehr gelten als schwerbehindert und haben Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.

Feststellung und Beantragung des GdB

Der Antrag auf Feststellung des GdB wird bei der zuständigen Behörde, meist dem Versorgungsamt, gestellt. Hierfür sollten ärztliche Gutachten, Krankenhausberichte und weitere relevante Dokumente eingereicht werden.

Behandelnde Ärzte können von der Schweigepflicht entbunden werden, um die Bearbeitung zu erleichtern. Der festgestellte GdB kann bei Verschlechterung oder Verbesserung des Gesundheitszustands angepasst werden.

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Welche Rechte bietet der Schwerbehindertenausweis?

Der Schwerbehindertenausweis dokumentiert den GdB sowie spezielle Merkzeichen, die zu bestimmten Nachteilsausgleichen berechtigen.

Übersicht der Merkzeichen und ihrer Bedeutung

  • G: Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit.
  • aG: Außergewöhnliche Gehbehinderung.
  • Bl: Blindheit.
  • Gl: Gehörlosigkeit.
  • TBl: Taubblindheit.
  • H: Hilflosigkeit.
  • B: Anspruch auf Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Verkehr.
  • RF: Ermäßigung oder Befreiung von Rundfunkgebühren.
  • VB: Versorgungsberechtigt (z. B. Kriegsversehrte).
  • EB: Entschädigungsberechtigt.
  • 1 Kl: Anspruch auf Beförderung in der 1. Klasse im öffentlichen Verkehr.
  • HS: Hochgradig sehbehindert.
  • T: Berechtigung zur Nutzung des Sonderfahrdienstes.

Weitere Informationen zum Schwerbehindertenausweis finden sie hier:

Finanzielle Hilfen und Leistungen bei Schwerbehinderung im Überblick

Blindengeld und Blindenhilfe
Menschen mit dem Merkzeichen „Bl“ haben Anspruch auf Blindengeld. Dieses wird einkommensunabhängig gezahlt und variiert je nach Bundesland zwischen 300 und 800 Euro monatlich. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, einkommensabhängige Blindenhilfe zu beantragen, die insbesondere bei niedrigem Einkommen zur Verfügung steht.

Gehörlosengeld
In sechs Bundesländern, darunter Bayern und Berlin, wird Gehörlosengeld gewährt. Es dient der Deckung zusätzlicher Kosten, wie für Gebärdensprachdolmetscher, und beträgt je nach Bundesland zwischen 77 und 130 Euro monatlich.

Persönliches Budget
Das persönliche Budget bietet Menschen mit Behinderung eine flexible finanzielle Unterstützung. Es ermöglicht den Bezug von Geldleistungen anstelle von Sachleistungen und liegt zwischen 200 und 800 Euro monatlich, abhängig vom individuellen Bedarf. Anträge können bei Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern oder Sozialämtern gestellt werden.

Mehr über die Beantragung von Hilfsmitteln erfahren sie hier:

Pauschbeträge ab 2021 bei einer Schwerbehinderung als Tabelle

Seit 2021 gelten höhere Pauschalbeträge, die wir in dieser Tabelle zeigen:

Grad der Behinderung Betrag
20 384 Euro
30 620 Euro
40 860 Euro
50 1.140 Euro
60 1.440 Euro
70 1.780 Euro
80 2.120 Euro
90 2.460 Euro
100 2.840 Euro
Menschen, die „hilflos“ oder blind oder taubblind sind (Merkzeichen H, Bl, TBl im Schwerbehindertenausweis) 7.400 Euro
Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder 5 7.400 Euro

Gibt es immer den ganzen Pauschbetrag?

Der jeweilige Pauschbetrag wird immer in voller Höhe ausgezahlt, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen während des gesamten Jahres gegeben waren. Im Zweifel wird “aufgerundet”, das heißt: Verringert oder erhöht sich der Grad der Behinderung innerhalb des Jahres, gilt immer der höchste GdB.

Außergewöhnliche Belastungen
Kosten, die den Pauschbetrag übersteigen, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Dazu zählen:

  • Medizinische Hilfsmittel wie Prothesen und Rollstühle
  • Umbaukosten für ein barrierefreies Zuhause
  • Krankheitsbedingte Fahrtkosten
  • Zusätzliche Betreuungskosten

Fahrtkostenpauschale
Menschen mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ können eine Pauschale von 4.500 € für Fahrten geltend machen. Für Menschen mit einem GdB von mindestens 70 beträgt die Pauschale 900 €.

Unterstützung bei Wohnen und Mobilität

Barrierefreies Wohnen
Der Staat unterstützt den barrierefreien Umbau von Wohnungen durch Zuschüsse, die je nach Pflegegrad und Einkommen variieren. Förderfähig sind:

  • Einbau von Treppenliften
  • Barrierefreie Gestaltung von Küchen und Bädern
  • Verbreiterung von Türen und Zugängen

Die Pflegekasse übernimmt bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme. Höhere Zuschüsse sind möglich, wenn mehrere Anspruchsberechtigte im selben Haushalt leben.

Vergünstigungen für Fahrzeuge
Menschen mit Behinderung können umfangreiche finanzielle Hilfen für den Erwerb oder den behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs erhalten. Personen mit dem Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) oder „Bl“ (Blindheit) sind vollständig von der Kfz-Steuer befreit.

Die Steuerbefreiung gilt ausschließlich für ein Fahrzeug, das auf die behinderte Person zugelassen ist.

Zusätzlich können Zuschüsse für den behindertengerechten Umbau eines Autos beantragt werden. Diese Zuschüsse variieren je nach individuellem Bedarf und sind meist über die Rentenversicherung, die Agentur für Arbeit oder das Integrationsamt erhältlich.

Typische Umbaukosten betreffen unter anderem Handgas-Bremssysteme, Rollstuhl-Ladesysteme oder Anpassungen der Sitze. In Einzelfällen können die Förderungen mehrere Tausend Euro betragen.

Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr
Menschen mit bestimmten Merkzeichen, wie „G“ (erhebliche Gehbehinderung), „aG“ oder „H“ (Hilflosigkeit), haben Anspruch auf kostenfreie oder stark vergünstigte Beförderung im öffentlichen Nahverkehr.

Mit einem Schwerbehindertenausweis und der zugehörigen Wertmarke, die jährlich 91 Euro (oder 46 Euro halbjährlich) kostet, können Betroffene kostenfrei Busse, Straßenbahnen und S-Bahnen nutzen. Diese Regelung gilt deutschlandweit.

Zusätzlich erhalten Personen mit dem Merkzeichen „B“ (Begleitperson) das Recht, eine Begleitperson kostenfrei mitzunehmen. Dies gilt auch für Begleithunde, die ebenfalls unentgeltlich befördert werden können.

Einige Verkehrsbetriebe bieten darüber hinaus spezielle Hilfsdienste für mobilitätseingeschränkte Personen, wie Assistenz beim Ein- und Aussteigen.

Mehr Informationen gibt es hier:

Vorteile im Bildungs- und Berufsleben

Bildung
Menschen mit Behinderung können im Bildungsbereich Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen, um ihre individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Dazu gehören verlängerte Prüfungszeiten, die Bereitstellung von Hilfsmitteln oder spezielle Lernmaterialien.

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Barrieren im Lernprozess abzubauen und Chancengleichheit zu gewährleisten. Studierende mit Behinderung können darüber hinaus finanzielle Unterstützung durch BAföG-Nachteilsausgleiche beantragen. Diese dienen dazu, zusätzliche Kosten, die durch die Behinderung entstehen, abzufedern.

Beruf
Im Berufsleben genießen schwerbehinderte Arbeitnehmer besondere Rechte, die ihre Integration und den Schutz vor Benachteiligung sichern sollen. Sie haben Anspruch auf bis zu fünf zusätzliche Urlaubstage pro Jahr, die ihnen unabhängig von der Unternehmensgröße gewährt werden.

Außerdem bietet der besondere Kündigungsschutz eine erhöhte Sicherheit und schützt vor einer diskriminierenden Entlassung.

Arbeitgeber können finanzielle Zuschüsse für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen beantragen. Diese Zuschüsse werden häufig von Integrationsämtern bereitgestellt und können für Maßnahmen wie den Einbau von Aufzügen, die Bereitstellung ergonomischer Arbeitsmittel oder die Einrichtung technischer Hilfsmittel genutzt werden.

Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern sind gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Personen zu besetzen. Falls diese Quote nicht erfüllt wird, ist eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, deren Höhe von der Anzahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze abhängt.

Sonstige Vergünstigungen und Befreiungen

Rundfunkgebühren
Das Merkzeichen „RF“ ermöglicht die Reduzierung der Rundfunkgebühren auf 5,83 Euro monatlich. Anträge können direkt beim Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio gestellt werden.

Telefonkosten
Menschen mit einem GdB von 90 oder mehr sowie bestimmten Merkzeichen können bei der Deutschen Telekom den Sozialtarif beantragen. Dies reduziert die monatlichen Telefonkosten erheblich.

Beratungsstellen und Unterstützung

Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Die EUTB bietet kostenfreie Beratung zu Rechten und Leistungen. Sie unterstützt bei der Antragstellung und informiert über die Zuständigkeit von Leistungsträgern.

Integrationsämter
Integrationsämter beraten zu arbeitsrechtlichen Fragen, unterstützen bei der Gestaltung barrierefreier Arbeitsplätze und gewähren finanzielle Hilfen.

Agentur für Arbeit
Die Agentur für Arbeit ist Ansprechpartner für berufliche Eingliederung, Umschulungen und Arbeitsassistenz. Sie informiert auch über Gleichstellungsanträge für Menschen mit einem GdB von mindestens 30.