Rente gekürzt mit Ansage: Scheidung wird zur Armutsfalle

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Eine 64-jährige Frau droht in Altersarmut zu rutschen, weil sie nach der Scheidung nicht in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren darf. Der Sozialverband VdK sieht darin ein Systemversagen und fordert eine einheitliche Bürgerversicherung für alle.

Trennung treibt Versicherte in den Beitrags-Schock

Claudia H. war Jahrzehnte gesetzlich versichert. 2004 wechselte sie wegen ihres verbeamteten Mannes in die PKV. Nach der Trennung muss sie den Vertrag allein tragen. Beihilfe entfällt, die Prämie steigt auf fast 1 000 Euro im Monat. Ihr Teilzeitlohn deckt das nicht.

Die 55-Jahre-Grenze blockiert den Rückweg

Seit Juli 2000 verhindert § 6 Abs. 3a SGB V fast jeden Wechsel in die GKV, sobald Versicherte das 55. Lebensjahr überschritten haben. Der Gesetzgeber wollte so die Beitragsflucht kurz vor dem Ruhestand stoppen. Für Spätfolgen sorgte er nicht.

9/10Regel: Gut gemeint, selten erreicht

Für Rentner gibt es eine Türspalt-Ausnahme: Wer in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens mindestens 90 % gesetzlich versichert war, darf nachträglich in die Krankenversicherung der Rentner. Claudia H. erfüllt das Kriterium knapp nicht. Tausende stehen vor demselben Problem, warnt der VdK.

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Private Beiträge explodieren im Alter

PKV-Zahlen belegen das Risiko: Laut Bundesbank kletterten die Durchschnittsbeiträge für Ruheständler von 2000 bis 2023 um 107 %. Ein heute 65-Jähriger zahlt im Schnitt 535 Euro – ohne Pflegeversicherung. Wer wie Claudia H. keine Altersrückstellungen aufbauen konnte, trägt die Steigerungen ungebremst.

Beamte als Sonderfall

Rund 93 % der Beamten sind privat versichert. Sie erhalten Beihilfe bis zu 70 %. Fällt die Ehe weg, bricht die Hilfe weg. Die PKV-Prämie bleibt. Expertinnen bezeichnen diese Konstruktion als „Armutsfalle mit Ansage“.

VdK fordert Bürgerversicherung ohne Ausnahmen

VdK-Präsidentin Verena Bentele fordert ein System, in das alle einzahlen. Altersrückstellungen sollen bei einem Wechsel in die GKV mitwandern, damit dort keine Finanzierungslücke entsteht. Das Modell ähnelt der seit Jahren diskutierten Bürgerversicherung.

Politische Fronten

CDU/CSU & SPD 
Halten im Koalitionsvertrag am dualen System fest. Eine Experten-Kommission soll bis 2026 Vorschläge zur Finanz­stabilisierung vorlegen (u. a. Einbeziehung der PKV in den Risiko­strukturausgleich); Bürgerversicherung und GKV-Öffnung für Beamte werden nicht vereinbart.

SPD-Programmatik
Beharrt langfristig auf einer solidarischen Bürgerversicherung und fordert, Alters­rückstellungen beim Systemwechsel zu sichern; binnen der Koalition auf die Kommissionslösung vertagt.

Bündnis 90/Die Grünen & Die Linke 
Fordern weiterhin ein Einheitsmodell für alle Versicherten inkl. Wahlfreiheit für Beamte; sehen die PKV höchstens als Zusatztarif.

AfD sowie die außer­parlamentarische FDP
Lehnen jede Form der Bürgerversicherung ab, verteidigen das Wettbewerbsprinzip der PKV und streben Beitrags­senkungen bzw. mehr Tarif­transparenz an.

Praxisnutzen für Betroffene

Sie können:

  1. Vor dem 55. Geburtstag in ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis wechseln.
  2. Prüfen, ob ein Zuschuss aus dem Härtefallfonds des jeweiligen Bundeslands möglich ist.
  3. Tarifanpassungen oder Wechsel in den Basistarif der PKV verhandeln. Der Basistarif darf den Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen.

Experten sehen Reformdruck

Gesundheitsökonomen wie Prof. Ulrich Schneider warnen: Jeder siebte PKV-Rentner gibt bereits heute mehr als 20 % seines Netto-Einkommens für Beiträge aus. Ohne Reform droht 2040 jeder dritte PKV-Senior in die Grundsicherung abzurutschen.