Warum die SPD-Kritik am verfälschten Armutsbericht als Heuchelei bezeichnet werden kann
02.12.2012
Wie berichtet hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den aktuellen Armutsbericht an den entscheidenden Stellen verfälscht und zahlreiche Passagen sogar komplett gestrichen. In aller Öffentlichkeit gab der Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende Philipp Rösler zu, dass einige Aussagen nicht mit den Positionen der Koalition übereinstimmen und deshalb gestrichen oder abgewandelt wurden. Von Seiten der Oppositionsparteien gab es berechtigterweise Kritik an dem Vorgehen. Allerdings muss man sich fragen, ob die SPD nicht ebenso gehandelt hätte. Denn schließlich hat sie zu damaliger Zeit mit Hartz IV und der Agenda-2010 den Grundstein für Armut und Armutslöhne gelegt.
Seit Jahren kritisieren Sozialverbände und Erwerbslosen Initiativen die Auswirkungen der unsozialen Politik – und das nicht erst, nachdem die schwarz-gelbe Koalition am Ruder ist. Schon bei den Planungen der Agenda-2010 und dem Einsetzen der „Hartz-Kommission“ kämpften Betroffene gegen die Auswirkungen, die in der ursprünglichen Fassung des Armutsberichts in Ansätzen geschrieben stehen.
Die Agenda-2010 hat entscheidend mit dazu beigetragen, dass die Armut großer gesellschaftlicher Bevölkerungsgruppen deutlich zunimmt. Umso unverständlicher erscheint die Empörung von SPD und Grünen, die mit Schröder und Fischer zu damaliger Zeit erst das ermöglichten, was heute bittere Realität ist. Sie haben nämlich nicht nur Hartz IV eingeführt, sondern verwendeten auch die gleichen Dafürhalte-Argumente, wie heute die Koalition aus Union und FDP.
Hartz-IV Parteien SPD und Grüne
An diese Tatsache mögen Politiker aus SPD und Grüne nicht so gern erinnert werden, denn schließlich hat die Wahlkampfzeit schon längst begonnen. Gerade der Bundeskanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) kann aber sich nicht so sehr verbiegen, dass er nicht immer wieder als Agenda-2010 Befürworter erkannt wird.
Wenn die SPD auf ihrem Bundesparteitag „kosmetische Veränderungen“ fordern, meldet sich sogleich der Ex-Kanzler Gerhardt Schröder zu Wort und verteidigt vehement die Agenda 2010. Bereits zum 10. Jahrestag der Hartz-Reformen verteidigte der Alt-Kanzler die in der ursprünglichen Form formulierten Negativauswirkungen im Armutsbericht. Diese sozialen Verwerfungen seien seiner Ansicht nach „ein Zugewinn“ für die bundesdeutsche Gesellschaft. Die SPD selbst hat damit in großen Teilen auch keine Probleme, schließlich wurde der Hartz-Befürworter Peer Steinbrück nicht ohne Grund zum Kanzlerkandidat ernannt.
Als geradezu heuchlerisch kann man daher auch die Äußerungen der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bezeichnen, die der Bundesregierung vorwirft, mit der Neufassung des Armutsberichts eine „Realitätsverweigerung“ zu betreiben. Eben jene Verweigerungskritik müsste auch an die Adresse der eigenen Partei gestellt werden. Doch die SPD steht im Grundsatz hinter den Hartz-Gesetzen, auch wenn sie es nicht mehr so laut formuliert, wie zu Zeiten des „Kanzlers der Bosse“. Und die Grünen sprachen sich beim letzten Parteitag zwar für eine Aussetzung der Sanktionen und für höhere Hartz IV Regelsätze aus, an der Grundsubstanz wollen aber auch sie nichts ändern.
Ohne Protest ist alles gut
Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass die schwarz-gelbe Koalition mit der SPD- und Grünen Kritik gut leben kann. Für die Regierung ist eher die Frage entscheidend, wie lange der wachsende Anteil der Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, es weiterhin akzeptieren werden, dass wenige immer reicher und viele immer ärmer werden. Denn Aussagen in der Ursprungsversion des Armutsberichts nach der eine „Gefahr für den sozialen Frieden“ bestehen könnten, wurden komplett gestrichen.
Noch müssen sich Union, FDP, SPD und Grüne darüber keine große Sorgen machen. Denn während in anderen Ländern wie Italien, Griechenland, Spanien und Portugal Hundetausende protestieren und streiken, scheinen die Deutschen noch immer den Worten ihrer Obrigkeit zu vertrauen. Die Teilnehmerzahlen beim letzten europäischen Aktionstag gegen den Sozialabbau waren hierzulande geradezu unterirdisch gering. (sb)
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Bild: Gerd Altmann, Pixelio.de
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