Die Kontrollen der Kölner ArGe bei Hartz IV Betroffenen.
von Peter-Chr. Löwisch
Die Kölner Arbeitsgemeinschaft (ArGe) macht ihrem bundesweiten negativen Image alle Ehre. Einmal in die Kontrollmechanismen geraten, aus welchem noch so nichtigen Grund auch immer, lässt sie die Arbeitslosengeld II (Alg II) Bezieher nicht mehr los. Als Beispiel hier die noch nicht beendete Geschichte von Rolf M.
Rolf M. ist erwerbsloser Journalist, über 60 Jahre alt und hat die so genannte 58iger Regelung mit damals der Arbeitsagentur vereinbart. Er wurde vor vielen Jahren erwerbslos, weil sein Arbeitgeber ihm vier Monate kein Gehalt gezahlt hatte. Nachdem nun der damalige Arbeitgeber nach verlorenem Arbeitsgerichtsprozess über Jahre das ausstehende Gehalt nicht gezahlt hatte, meldete dieser nun endlich Privatinsolvenz an und Rolf M. konnte nach 5 Jahren endlich zumindest ein Teil des ausstehenden Gehaltes in Form von Insolvenzgeld bekommen. Rolf M. meldete dies am 6 Mai 2008 der ArGe. Scheinbar zum Ärger der Kölner ArGe durfte dieses Geld allerdings nicht mit dem Alg2 aufgerechnet werden, da sich das Insolvenzgeld auf einen Zeitpunkt lange vor der Erstinanspruchnahme von Alg II bezog.
Mit Datum vom achten Mai nun erhielt er ein Schreiben der ArGe, er solle seine Einnahmen und Honorarverträge für Veröffentlichungen und Seminare vorlegen und dazu die Kontoauszüge der letzten sechs Monate. Rolf M. antwortetet direkt, er habe weder Einnahmen noch Honorarverträge und für die Vorlage der Kontoauszüge bedürfe es eines begründeten Verdachts, der belegbar sein müsse und man solle ihm hierzu erst einmal näheres mitteilen. Mit Datum vom 17 Mai 2008 erhielt er einen erneuten Bewilligungsbescheid, da Alg2 auf Euro 351 erhöht worden war. Aber mit Ablauf des Monats Mai war kein Geld auf dem Konto. Nach mehreren schriftlichen Anmahnungen bekam er dann am 11 Juni 2008 das Geld auf sein Konto, aber erst nach dem die Beschwerdestelle eingeschaltet worden war und die Erklärung war, es läge hier wohl ein technischer Fehler vor.
Nun aber schien die ArGe sehr verärgert zu sein. Denn mit Schreiben vom 12. Juni wurde nun verlangt, er solle alle Kontoauszüge seit September 2005, also für fast drei Jahre, vorlegen. Hierzu schrieb die ArGe wörtlich: "nur so kann überprüft werden, ob Sie seit September 2005 Einnahmen aus Ihrer selbständigen Tätigkeit erzielt haben. Allein Ihre Behauptung, dass dem nicht so ist, reicht hier als Beweismittel nicht aus. […] Ich weise hier noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass ein berichtigter (gemeint sollte wohl –berechtigter-) Verdacht besteht, dass Sie Einnahmen erzielen könnten. Ohne Vorlage der Kontoauszüge, kann über eine Weitergewährung ab dem ersten August 2008 nicht entschieden werden". Unerwähnt sollte hier natürlich auch nicht bleiben, dass die Aufforderungen der ArGe natürlich immer mit der Drohung der Versagung der Geldleistung verbunden sind. Rolf M. war es nun leid. Er übergab die Angelegenheit seinem Anwalt, der zum einen Akteneinsicht forderte, der zum anderen der ArGe mitteilte, dass M. nur Kontoauszüge der letzten drei Monate habe.
Mit einem Fax vom 27 Juni nun teilte die ArGe dem Anwalt mit, die Bank könne Kontoauszüge der letzten 12 Monate rückwirkend zur Verfügung stellen. Die ArGe hatte das selbst wohl durch einen Kontakt zur Bank von M. in Erfahrung gebracht. Dies solle M. nun machen und diese Kontoauszüge dann vorlegen. Die Leistungen würden aber zum ersten Juli vorläufig eingestellt. Er forderte nun bei seiner Bank diese Kontoauszüge an, deren Zusendung allerdings mindestens zwei Wochen dauern würden. Dies teilte der Anwalt der ArGe mit und forderte sie auf schriftlich mitzuteilen, dass die Bezüge nicht zum ersten Juli eingestellt würden, da der Mandant ja uneingeschränkt seiner Mitwirkungspflicht nachkäme. Außerdem wäre dies rechtswidrig, da die ArGe vor ihrer Entscheidung P.L. nicht nach §24 SGB X angehört hätte.
Als dann am 30 Juni kein Geld auf dem Konto war, stellte der Anwalt noch am Abend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht. Einen Tag später erhielt der Anwalt einen Anruf der ArGe, dass das Geld nun angewiesen sei. Die ArGe schrieb dann am 1 Juli 2008 an Rolf M. er solle nun bis zum 15 Juli die Kontoauszüge für ein Jahr vorlegen. Hier muss noch gesagt werden, dass er eine genehmigte Abwesendheit bis zum 31 Juli angemeldet hatte, die ihm telefonisch bestätigt wurde, nicht ohne den Hinweis, dass seine Wohnung um 70 Euro zu teuer sei, es für ihn aber keine Konsequenzen habe.
Die Widerspruchstelle der ArGe schrieb nun am achten Juli 2008 an das Sozialgericht, und gab erstmals zu, dass was Rolf M. längst vermutet hatte, dass ein anonymer Hinweis vorliegen würde, dass er „in der Vergangenheit und auch aktuell Einnahmen erzielen soll“. Der Termin für die Vorlage der Kontoauszüge wurde dann mit Schreiben vom 10 Juli 2008 auf den 10 August 2008 verlegt.
M. ging nun zu diesem Termin zur ArGe in Begleitung von einem Kölner Ratsmitglied und Sozialausschussmitglied, und legte die Kontoauszüge vor. Ihm wurde von dem Sachbearbeiter eröffnet, er solle die Kontoauszüge kopieren lassen und könne dann sie wieder mitnehmen. Das allerdings ließ Rolf M. nicht zu, sondern forderte den Sachbearbeiter auf, die Kontoauszüge jetzt zu prüfen. Kopien kämen nicht in Frage. Das tat er dann auch und hatte nichts zu beanstanden. Alle Einnahmen über Euro 100 waren erklärbar und auch belegbar. Das einzige, was der Sachbearbeiter noch klären wollte waren Sitzungsgelder die M. für seine Tätigkeit in einem Ratsausschuss bekam. Das dies aber Aufwandsentschädigungen sind, was Kellner auch in diesem Gespräch unterstrich, wären diese monatlichen Eingänge nicht anrechenbar. Außerdem sagte der Sachbearbeiter auf die Frage von M, dass man auf ihn gekommen sei, weil man seine Webseite sich angesehen hätte. Wer lügt nun: Die Widerspruchsstelle, die von einem anonymen Hinweis spricht oder der Sachbearbeiter?
Am elften August 2008 nun ging es aber weiter, denn die ArGe wollte nun wissen, wofür die Sitzungsgelder denn wären und sie wollte für drei Monate Belege darüber haben, obwohl dies dem Sachbearbeiter, der die Kontoauszüge geprüft hatte, bereits erklärt worden war. Rolf M. sandte daraufhin der ArGe diese Unterlagen in Kopie zu. Außerdem sagte die ArGe dem Anwalt nun doch am 20 August zu, dass in den nächsten Tagen an ihn die Akte übersandt würde zwecks Einsichtnahme.
Die ganze Angelegen allerdings hat nun aber immer noch nicht ihr Ende gefunden, denn mit Schreiben vom 22 August 2008 verlangt die Arge Nachweise, ab wann die Ausschusstätigkeit ausgeübt würde, über die gezahlten Sitzungsgelder, über den Zufluss der Zahlungen und die Originalabrechnung über die die Heizkosten abgerechnet wurden. Das letztere, da M. eine Nachzahlung von Euro 41,50 geltend gemacht hatte, die er mit der Vermieterabrechnung belegt hatte. Zu den anderen Punkten ist zu sagen, dass es keinen Nachweis gibt, ab wann man die Ausschusstätigkeit ausübt. Man wird vom Rat gewählt und dann eben einfach zu der nächsten Sitzung eingeladen. Und den Nachweis über die gezahlten Sitzungsgelder hatte M. längst bei der Vorlage der Kontoauszüge erbracht. Was nun noch gesondert belegt werden soll mit einem Nachweis über den Zufluss der Zahlungen blieb ihm und seinem Anwalt unergründlich. Diese erneuten Forderungen der Vorlagen von Nachweisen sollen bis zum 8.9 erfolgen. Dies wurde über den Anwalt der ArGe zugesandt.
Wer nun glaubt, dass diese Angelegenheit nun endlich erledigt wäre, der irrt. Denn vor einigen Tagen bekam Rolf M. Eine Anhörungsaufforderung, weil zum einen die ArGe nun das anrechnungsfreie Insolvenzgeld nach fünf Monaten anrechnen will und M. habe nun über 4.000,00 Euro zurückzuzahlen. Und anstatt der Heizkostenerstattung von Euro 41,50 hätte er Euro 160 zurückzuzahlen. Aus der Anhörungsaufforderung ist herauszulesen, dass die damit befasste Abteilung der ArGe davon ausgeht, M. habe das Insolvenzgeld nicht angegeben. M. hat nun einen ausführlichen Beschwerdebrief an die Kölner Sozialdezernentin gesandt und der Anwalt sich weiterhin der Sache annehmen.
An diesem ausführlichem Beispiel wird deutlich, mit welcher Unverfrorenheit die ArGe Leistungsbezieher unter ständigen Druck setzt und zwar nicht aus erwiesener "Erschleichung von Leistungen", sondern nur auf Grund einer anonymen Anzeige. Hier wird der Denunziation Tor und Tür geöffnet. Wie auch in der unsäglichen SAT1 Serie über die Sozialfahnder, in der gesagt wird, man wäre geradezu froh über jeden anonymen Hinweis, um den "Sozialbetrügern" auf die Spur zu kommen.
Man muss sich aber die berechtigte Frage stellen, wie sehr werden ALG II Bezieher eingeschüchtert, die sich nicht, wie Rolf M., wehren können und die Gesetze und die diversen Urteile kennen. Und wie sollen Betroffene reagieren, die nicht das Glück haben, eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen zu haben, die letztendlich die Kosten hierfür tragen wird.
M. zumindest geht mit Sicherheit davon aus, dass es der federführenden Sachbearbeiterin eine Freude bereitet, ihn mit immer anderen Forderungen zu belästigen. Nach dem Motto, klappt das eine nicht, versuchen wir es nun mit etwas anderem. Der anonyme Hinweis, der das Ganze ins Rollen gebracht hat, liegt Rolf M. mittlerweile vor. Er wurde mit zwei Emails an die ArGe gegeben, aber leider wurde der Absender geschwärzt. Dieser Hinweis ging zuerst an die Bundesagentur für Arbeit und in einer Notiz hat diese Sachbearbeiterin bei der Weitergabe nach Köln schon geschrieben, dass Leistungsmissbrauch wohl nicht vorliegen würde. Trotzdem wurde diese Hexenjagd eröffnet. Ist es, dass sie ihn wegen seiner Zugehörigkeit zur Linken tyrannisieren will, ist es, dass sie jemand, der eine größere Summe erhalten hat die nicht anrechenbar ist, abstrafen will? Oder ist es so, dass ihr diese Art der Machtausübung einfach Freude bereitet?
Zumindest aber zeigt es sich, dass Alg II Bezieher schutzlos der ArGe Willkür ausgesetzt sind und ohne Rechtsanwalt kaum die Möglichkeit haben, sich gegen diese Behördenwillkür, die die Lebensgrundlage entziehen, zu wehren. (Peter-Chr. Löwisch, 06.10.2008)
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