Hartz IV Urteil zu Klassenfahrtskosten

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Klassenfahrtskosten für Kinder von Eltern, die Arbeitslosengeld II (ALG II) erhalten. Wichtig: Einen Förderantrag stellen!

Nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Grundsätzlich gilt im SGB II -wie im SGB XII und vorher im BSHG- der Nachranggrundsatz. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II dürfen Leistungen nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.

Im vorliegenden Fall wurden die Kosten für die Klassenfahrt der Tochter vom Leistungsträger wegen fehlender Mitwirkung nicht übernommen , da sie einen entsprechenden Antrag beim Förderverein nicht gestellt hat .

Jedoch wäre es ihr im Rahmen der als Ausprägung des Nachranggrundsatzes geltenden Selbsthilfe zumutbar gewesen, einen solchen Antrag zu stellen. (SG Konstanz S 4 AS 323/07)

Auzug der Begründung:
Es steht gerade nicht im Belieben der Hilfesuchenden, zwischen der Selbsthilfe und der Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützung zu wählen. Es wäre mit dem Nachranggrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Einzelne sich ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, seinen Bedarf von dritter Seite zu befriedigen, an den Träger der Sozialhilfe mit der Bitte um Hilfe wenden könnte (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.1999, Az. 7 S 909/98, zum Nachranggrundsatz im BSHG). Dies umfasst, dass die Betroffene sich bemüht, vorab andere vorhandene Hilfsmöglichkeiten zu verwirklichen (BVerwG, Urteil vom 29.09.1971, Az. V C 2.71, zum BSHG).

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zwar darf der Hilfesuchende auch auf Leistungen verwiesen werden, auf die kein Rechtsanspruch besteht (Brühl, in LPK-BSHG § 2 Rdnr. 9). Doch kann er nicht auf einen schwer realisierbaren Anspruch verwiesen werden (BVerwG, a.a.O.). Darüber hinaus muss die Inanspruchnahme zumutbar sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Zuschuss zur Klassenfahrt erst zu gewähren, wenn nachgewiesen wird, dass anderweitige Hilfen nicht geleistet werden (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 20.09.2006, Az. L 11 B 340/06 AS ER, BVerwG, ZfSH 1983, 282). Der Klägerin stand eine nicht fernliegende zumutbare Möglichkeit zur Vermeindung der konkreten Hilfebedürftigkeit zur Verfügung. Sie hätte beim Förderverein Unterstützung beantragen können. Soweit die Klägerin argumentiert, der Förderverein sei kein Leistungsträger, so ist dem zuzustimmen, jedoch setzt § 9 SGB II nicht voraus, dass die erforderliche Hilfe von anderen Leistungsträgern kommt. Nach § 9 SGB II schließt die Hilfe anderer, insbesondere anderer Sozialleistungsträger die Hilfebedürftigkeit aus, andere Sozialleistungsträger sind somit lediglich beispielhaft hervorgehoben. Der Antrag beim Förderverein war der Klägerin zumutbar. Entgegen der Ansicht der Klägerin führt eine Inanspruchnahme von Leistungen des Fördervereins nicht dazu, dass sie in der Klasse als bedürftig gilt.

Nach Auskunft des Vorstands des Fördervereins erführen nur er, der Kassier und gegebenenfalls noch der Klassenlehrer von der Unterstützung durch den Förderverein. Pro Klasse würden immer ca. 2-3 Schüler unterstützt, so dass die Klägerin nicht die Einzige wäre. Auch handelt es sich entgegen der Annahme der Klägerin nicht um einen Zwang zum Betteln. Vielmehr sieht es der Förderverein als seine Hauptaufgabe an, bedürftige Schüler zu unterstützen. Da der Förderverein die Unterstützung bedürftiger Schüler als seine Haupttätigkeit bezeichnet, ist eine Leistung an die Klägerin auch nicht so fernliegend, dass sie den Verweis auf die Selbsthilfe im Rahmen des Nachranggrundsatzes ausschließen würde. Soweit die Klägerin vorträgt, es könne nicht sein, dass Fördervereine, die aus Spendengeldern der Eltern bestünden, vorrangig seien, so ist dem entgegenzuhalten, dass dies der Konzeption der staatlichen Fürsorgeleistungen entspricht (s.o.). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Mitglieder des Fördervereins ihre Spenden freiwillig leisten, damit bedürftigen Schülern unkompliziert geholfen werden kann.

Da von einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin erst nach erfolgloser Antragstellung beim Förderverein auszugehen und die Klägerin diese nachzuweisen hat (Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.), war sie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I verpflichtet, entsprechende Beweise bei der Beklagten vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin trotz zweimaliger Aufforderung und Fristsetzung nicht nachgekommen, so dass die Beklagte die Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 SGB I versagen konnte. (veröffentlicht am 20.07.07)

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