Hartz IV: Nach einer Scheidung nicht automatisch Wohngemeinschaft

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Mit Scheidung wird Paar nicht automatisch zur Wohngemeinschaft – LSG Hamburg: Jobcenter kann von Bedarfsgemeinschaft ausgehen

Allein die Scheidung eines weiterhin zusammenlebenden Paars macht noch keine Wohngemeinschaft. Teilen sich die geschiedenen Eheleute weiterhin Tisch und Bett, liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor, so dass das Jobcenter alle Einkรผnfte und Vermรถgen beider Personen bei einer Hartz-IV-Antragstellung berรผcksichtigen muss, entschied das Landessozialgericht (LSG) Hamburg in einem am Freitag, 29. Mai 2020, verรถffentlichten Urteil (Az.: L 4 AS 164/19). Voraussetzung hierfรผr sei das Vorliegen einer โ€žEinstehens- und Verantwortungsgemeinschaft”.

Der Klรคger hatte im Juni 2015 einen Arbeitslosengeld-II-Antrag gestellt und dabei angegeben, dass er noch mit seiner seit 1994 geschiedenen Frau auf einer Kleingartenparzelle zusammenlebe. Es liege aber nur noch eine โ€žWohngemeinschaft” vor. Jeder sorge fรผr sich selbst.

Dem widersprach jedoch nach einem Hausbesuch das Jobcenter. Das Haus bestehe nur aus einem Wohn- und Schlafzimmer, einem Durchgangszimmer, einer Kรผche und einer Badnische. Ein Doppelbett sei beidseitig bezogen gewesen und offenbar gemeinsam genutzt worden. Auch im Kรผhlschrank sei keine Trennung von Lebensmitteln erkennbar gewesen. Die Behรถrde ging daher von einer zusammen wirtschaftenden Bedarfsgemeinschaft aus. Den Hartz-IV-Antrag lehnte das Jobcenter angesichts des Zusammenlebens mit der geschiedenen Ehefrau ab. Diese verfรผgt รผber eine monatliche Rente in Hรถhe von 1.363 Euro.

Vor Gericht beharrte der Klรคger darauf, dass eine Wohngemeinschaft vorliege. Jeder habe in der Wohnung einen Rรผckzugsraum, Mahlzeiten wรผrden getrennt eingenommen. Hilfen im Haushalt und beim Einkauf sowie das Autofahren โ€“ etwa zu Arztbesuchen โ€“ seien โ€žnachbarschaftliche Gefรคlligkeiten”. Auch gemeinsames Fernsehen weise noch nicht auf eine Bedarfsgemeinschaft hin.

Doch das LSG stellte in seinem Urteil vom 23. Januar 2020 fest, dass das Jobcenter bei dem geschiedenen Ehepaar zu recht von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen ist. MaรŸgeblich sei das Gesamtbild. Eine sichtbare Trennung der Lebensbereiche vom Klรคger und seiner geschiedenen Frau sei nicht erfolgt โ€“ weder bei der rรคumlichen Aufteilung der Wohnflรคche, noch bei den Lebensmitteln im Kรผhlschrank. Die gegenseitig geleisteten Hilfen bei der Haushaltsfรผhrung, dem Einkaufen und notwendigen Arztbesuchen gingen รผber eine รผbliche Nachbarschaftshilfe hinaus.

Zulasten des Klรคgers falle auch aus, dass dieser nicht genau sagen konnte, wovon er bislang eigentlich seinen Lebensunterhalt sichern konnte. Vermeintliche Darlehensgeber habe er nicht benennen kรถnnen. fle/mwo