Bürgergeld: Keine Mietkostenübernahme durchs Jobcenter bei Scheinvertrag unter Angehörigen – Urteil

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Geben sich die Eltern als Vermieter mehr als zwei Jahre lang mit einer Teilzahlung in Höhe von 50,- Euro (rund 13 Prozent des ursprünglich vereinbarten Mietzinses) zufrieden, spricht dies gegen die Ernsthaftigkeit der Mietzinsforderung als Voraussetzung der Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch das Jobcenter (Landessozialgericht Bayern, Urteil vom 09.12.2024 – L 16 AS 538/21 -).

Das Jobcenter muss keine Mietkosten aus Scheinvertrag zwischen Verwandten übernehmen.

Empfänger von Grundsicherung/ Bürgergeld haben keinen Anspruch auf Übernahme der Mietkosten durch das Jobcenter, wenn es sich bei dem Mietverhältnis den Umständen nach um einen Scheinvertrag unter Verwandten handelt.

Entscheidend für die Anerkennung als Kosten der Unterkunft und Heizung ist ein entsprechender rechtlicher Bindungswille der Vertragsparteien des Mietvertrags.

Für das Vorliegen einer wirksamen Mietzinsforderung unter Verwandten und die Anerkennung als Kosten der Unterkunft und Heizung ist nicht erforderlich, dass der Mietvertrag einem sogenannten Fremdvergleich standhält, d.h. nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

Eine Übertragung der Maßstäbe des Fremdvergleichs aus dem Steuerrecht auf das SGB II scheidet bei Mietverträgen unter Familienangehörigen aus.

Nachweis der Ernsthaftigkeit der Mietzinsforderung als Voraussetzung der Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger – Mietverhältnis unter engsten Verwandten

Gegen die Ernsthaftigkeit einer Mietzinsforderung spricht, dass die Eltern als Vermieter den Abschluss eines Mietvertrags mit ihrem unverändert mittellosen und durch Darlehen der Eltern unterstützten Sohn einen Monat nach Antragstellung auf Bürgergeld beim Jobcenter und kurz nach Abgabe einer Erklärung der Eltern, ihr Sohn wohne (bis auf weiteres) mietfrei im Elternhaus.

Aufgrund der erheblichen – Toleranz – der Eltern als Vermieter, die sich mehr als zwei Jahre lang mit einer Teilzahlung in Höhe von 50,- Euro (rund 13 Prozent des ursprünglich vereinbarten Mietzinses) zufriedengaben, liegt es nach Auffassung des LSG Bayern nahe, dass die Mietleistung gerade doch mit der Leistung des Beklagten als Jobcenter verknüpft war.

Fazit:

Geben sich die Eltern als Vermieter mehr als zwei Jahre lang mit einer Teilzahlung in Höhe von 50,- Euro (rund 13 Prozent des ursprünglich vereinbarten Mietzinses) zufrieden, spricht dies gegen die Ernsthaftigkeit der Mietzinsforderung als Voraussetzung der Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch das Jobcenter.

Praxistipp

Das Jobcenter übernimmt keine Unterkunftskosten für einen Bürgergeldbezieher bei 30 Jahre nicht erfolgte Mieterhöhung , denn diese spricht gegen einen wirksamen Mietvertrag unter Verwandten ( LSG BW, Urt. v. 20.12.2023 – L 2 AS 1661/23 – ).

Extratipp der Spitzenklasse: LSG Hamburg, Urteil vom 06.08.2020 – L 4 AS 49/19 –

Einerseits ist es unter nahen Angehörigen nicht unüblich, dass – auch bei wirksamem Bestehen von Forderungen – an die Nichteinhaltung der Verpflichtung wegen des besonderen verwandtschaftlichen Näheverhältnisses, insbesondere zwischen Eltern und ihren Kindern, keine juristischen Konsequenzen geknüpft werden und das Verhalten, jedenfalls für eine gewisse Zeit, toleriert wird.

Auch bezogen auf die mietrechtlichen Konsequenzen, die das BGB bei Verletzung der Hauptpflichten aus dem Mietvertrag eröffnet, ist bei einem Mietverhältnis unter engsten Verwandten das Standhalten eines Fremdvergleichs nicht gefordert.

Wird bei einer unter engen Verwandten ausgesprochenen Kündigung des Mietvertrags aus Gründen der Ausbildung oder Erkrankung des Mieters von einer Räumung der Wohnung abgesehen, so ist dies für eine Übernahme der Unterkunftskosten durch das Jobcenter – unschädlich!