Bürgergeld: 30 Jahre nicht erfolgte Mieterhöhung spricht gegen wirksamen Mietvertrag

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Mietverträge unter Verwandten haben die Gerichte zum SGB II schon immer beschäftigt. Es sind immer Entscheidungen, wo nur der Einzelfall zählt. Hier hat nun das LSG BW, Urt. v. 20.12.2023 – L 2 AS 1661/23 – wie folgt geurteilt:

Ein seit über 30 Jahren nicht erfolgte Mieterhöhung kann gegen einen wirksamen Mietvertrag zwischen dem hilfebedürftigem Sohn und seiner Mutter sprechen.

Hier ist von einer familiären Verbundenheit zwischen Mutter und Sohn aus zugehen, wobei eine unterstellten Wohnraumüberlassung im Vordergrund stand bzw. immer noch steht.

Es entspricht nicht der Lebensrealität, dass insbesondere von älteren und gegebenenfalls in geschäftlichen Angelegenheiten nicht bewanderten Vermietern keine Mieterhöhungen durchgesetzt werden.

Im konkreten Einzelfall ist auch zu berücksichtigen, dass sich die vom Kläger behauptete Wohnraumnutzung aufgrund des Todes seiner Oma vergrößert habe und diese sehr wohl eine Mieterhöhung nahegelegt hätte, dies auch bei älteren Vermietern und selbst geschäftlich nicht versierten Vermietern, ggf. unter Zuhilfenahme von rechtlich versierten Personen.

Familiäre Verbundenheit bei einer unterstellten Wohnraumüberlassung stand im Vordergrund

Gerade der Umstand, dass auch unter Berücksichtigung dieser behaupteten geänderten Verhältnisse keine Mieterhöhung vereinbart wurde, zeigt dass maßgeblich die familiäre Verbundenheit bei einer unterstellten Wohnraumüberlassung im Vordergrund stand und noch stehen dürfte.

Dies wird gleichermaßen untermauert durch den Gesichtspunkt, dass die Mutter des Klägers das behauptete Mietverhältnis trotz der seit September 2019 bis aktuell ausstehenden Mietzinszahlung nicht gekündigt hat.

Gericht bezweifelt Ernsthaftigkeit des Mietverlangens der Mutter des Klägers

Von einer Ernsthaftigkeit des Mietverlangens der Mutter des Klägers kann damit nicht ausgegangen werden.

Es liege daher im ureigenen Interesse des Klägers/Hilfebedürftigen, eine etwaige Zahlung des Mietzinses durch Überweisung auf das Konto des Vermieters oder im Fall der Barzahlung zumindest gegen Ausstellung einer Quittung vorzunehmen (LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 14.12.2022, L 9 AS 272/19).

Nur so sei im Fall von Unstimmigkeiten ein Nachweis gegenüber dem Jobcenter/Grundsicherungsträger ohne weiteres möglich gewesen.

Ein solcher Nachweis ist dem Kläger vorliegend nicht gelungen.

Insoweit ist zunächst beachtlich, dass der Kläger nach seinen Angaben keinerlei Unterlagen besitze, die eine Mietzahlung belegen, obwohl der Vertrag seit 1993 bestehe.

Weiter sind die widersprüchlichen Angaben des Klägers zu berücksichtigen, der nach seinen ursprünglichen Angaben einem monatlichen Mietzins von 250 € zzgl. Nebenkosten ausgesetzt sei. Auf die Aufforderung zur Vorlage von Abrechnungen habe der Kläger sodann vorgetragen, dass der Vertrag einen Mietzins von 310,00 € inklusive Nebenkosten enthalte.

Gegen einen wirksamen Mietvertrag spreche im Übrigen, dass sich nach den eigenen Angaben des Klägers der Umfang der Mieträume nach dem Tod der Großmutter massiv geändert habe.

Mietzins wurde seit 30 Jahren nicht erhöht

Nunmehr bewohne er nach eigenem Vortrag das gesamte Gebäude. Gleichwohl sei der Mietzins seit 1993 und damit über 30 Jahre nicht erhöht worden.

Auch angesichts der gestiegenen Verbrauchspreise sei dies nicht nachvollziehbar.

Mutter lässt trotz fehlender Mietzahlungen keine Kündigungsabsichten erkennen

Auch die Tatsache, dass die Vermieterin trotz fehlender Mietzahlungen nunmehr seit mehr als drei Jahren bei gleichzeitiger Tragung sämtlicher Nebenkosten keinerlei Kündigungsabsichten erkennen lasse, zeigt, dass der Kläger keiner Mietzinsforderung ausgesetzt ist.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass keineswegs dieser gesamte Zeitraum vom Kläger gerichtlich geltend gemacht wurde.

Dem Antragsteller wurden vom Gericht keine Kosten der Unterkunft zugesprochen, denn er konnte nicht beweisen, dass er einem wirksamen Mietvertrag ausgesetzt war.

Wann liegt ein wirksamer Mietvertrag unter Verwandten im SGB II/ Bürgergeld vor?

Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliege, sei damit in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden sei ( BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R – ).

Mietvertragliche Verpflichtungen müssten somit wirksam sein, um als Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden zu können (vgl. BSG, Urteile vom 19.02.2009 – B 4 AS 48/08 R – und vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11 R -); bloß freiwillige Zahlungen reichten nicht aus.

Ein entsprechender Vertrag müsse daher zum einen wirksam geschlossen worden sein und dürfe zum anderen nicht etwa wegen Verstoßes gegen ein Gesetz nichtig sein (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder einer Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307ff. BGB nicht standhalten.

Das Vorliegen eines Vertragsschlusses – einschließlich etwa der Frage, ob ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) vorliege – sei von den SGB II-Leistungsträgern und ggf. den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in jedem Fall zu prüfen.

In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen dem Kläger obliege.

Es liege daher im ureigenen Interesse des Leistungsempfängers, eine etwaige Zahlung des Mietzinses durch Überweisung auf das Konto des Vermieters oder im Fall der Barzahlung zumindest gegen Ausstellung einer Quittung vorzunehmen (LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 14.12.2022, L 9 AS 272/19).

Nur so sei im Fall von Unstimmigkeiten ein Nachweis gegenüber dem Jobcenter ohne weiteres möglich gewesen.

Praxistipp:

Wohnt der Bürgergeld – Leistungsempfänger in Untermiete, so ist es unerheblich, ob der Vermieter einer Untervermietung zugestimmt hat.

Denn insoweit setzt eine wirksame Mietzinsforderung zwar einen wirksamen Untermietvertrag voraus, die Zustimmung des Vermieters zur Untervermietung ist hierfür aber – nicht zwingende Voraussetzung ( LSG Hamburg L 4 AS 332/17 ).

Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist.

Ausschlaggebend ist dabei aber nicht lediglich, dass eine Vertragsurkunde vorgelegt werden kann.

Auch die mündliche Vereinbarung einer Miete genügt (vgl. BSG v. 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R – Ablehnung der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung darf nicht bloß mit fehlender Schriftform des Mietvertrags begründet werden ).