Arbeitsrecht: Resturlaub kann nicht mehr verfallen

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Arbeitgeber mรผssen ihre Mitarbeiter auf den mรถglichen Verfall von Urlaubsansprรผchen hinweisen. Ist dies unterblieben, mรผssen sie รผber Jahre aufgelaufene Urlaubstage nachgewรคhren oder finanziell ausgleichen; die gesetzliche Verjรคhrung schรผtzt Arbeitgeber hiervor auch in Altfรคllen nicht, urteilte am Dienstag, 20. Dezember 2022, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 9 AZR 266/20). Nach einem weiteren Urteil gilt dies nach langandauernder Krankheit aber nur eingeschrรคnkt (Az: 9 AZR 245/19).

Arbeitgeber wollte Resturlaub nicht auszahlen

Geklagt hatte unter anderem eine Steuerfachangestellte aus dem Rheinland. Nach der Beendigung ihres gut 20-jรคhrigen Arbeitsverhรคltnisses machte sie zuletzt noch 90 nicht genommene Urlaubstage geltend. Der Arbeitgeber erkannte den Anspruch fรผr 14 Tage an und zahlte ihr dafรผr 3.200 Euro.

Der restliche Urlaub sei spรคtestens mit Ablauf der gesetzlichen Frist von drei Kalenderjahren verjรคhrt.

Doch wie schon das Landesarbeitsgericht Dรผsseldorf sprach ihr nun auch das BAG 17.400 Euro fรผr weitere 76 Tage zu.

Laut Bundesurlaubsgesetz verfรคllt der Urlaubsanspruch zum Jahresende oder bei Angestellten oft auch nach Ablauf einer sogenannten รœbertragungsfrist bis zum 31. Mรคrz des Folgejahres. Gestรผtzt auf die Rechtsprechung des Europรคischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hat das BAG hierzu bereits entschieden, dass diese Verfallsfristen nicht greifen, wenn der Arbeitgeber โ€žklar und rechtzeitigโ€œ auf den drohenden Verfall des Urlaubs hingewiesen hat (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 19.Februar 2019, Az.: 9 AZR 541/15).

Mit dem neuen Urteil wiesen die Erfurter Richter nun auch die Hoffnung der Arbeitgeber auf die gesetzliche Verjรคhrung ab. Zwar sei die gesetzliche Verjรคhrungsfrist von drei Kalenderjahren grundsรคtzlich anwendbar. Nach den Vorgaben des EuGH mรผsse das Bundesurlaubsgesetz aber so ausgelegt werden, dass auch diese Frist erst mit einem Hinweis des Arbeitgebers zu laufen beginnt.

Arbeitgeber mรผssen Resturlaub gegebenenfalls รผber Jahre nachzahlen

Auch das Argument der Arbeitgeber, dass sie vor dem EuGH-Urteil vom 6. November 2018 (Az.: C-619/16 und C-684/16; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag) ihre Hinweispflicht noch gar nicht kennen konnten, lieรŸ das BAG nicht gelten. Der EuGH habe die Wirkung seines Urteils nicht auf die Zukunft beschrรคnkt.

Nach langandauernder Krankheit gilt eine gesetzliche Verfallsfrist bis Ende Mรคrz des รผbernรคchsten Jahres. Nach einem EuGH-Urteil vom 22. September 2022 besteht aber auch hier die Hinweispflicht des Arbeitgebers. Im zweiten Fall sprach das BAG daher einem Frachtfahrer am Frankfurter Flughafen weitere Urlaubsabgeltung zu. Er war von 2014 bis 2019 fast fรผnf Jahre krank und konnte deshalb seinen Urlaub nicht nehmen.

Hierzu urteilte das BAG, dass die Verfallsfrist bis Ende Mรคrz des รผbernรคchsten Jahres auch ohne Arbeitgeberhinweis greift, soweit der Arbeitnehmer den Urlaub wegen seiner Krankheit ohnehin nicht mehr fristgerecht hรคtte nehmen kรถnnen. Nimmt der Beschรคftigte aber vor Ablauf der Frist seine Arbeit wieder auf und kรถnnte er seinen Urlaub daher noch nehmen, bleibt nach dem Erfurter Urteil der Urlaubsanspruch insoweit bestehen.

BAG: Gesetzliche Verjรคhrung schรผtzt auch in Altfรคllen nicht

Nach dem BAG-Urteil aus 2019 kรถnnen Arbeitgeber ihre Hinweispflicht vergleichbar einfach erfรผllen. Danach reicht ein Hinweis jeweils zu Jahresbeginn aus, welcher Urlaubsanspruch fรผr das neue Jahr entstanden ist und dass der Arbeitnehmer diesen bis Jahresende nehmen soll. mwo