Strebt die SPD eine Hartz IV Verfassungsklage an?

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Allen Anschein nach strebt die SPD eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht an

22.02.2011

Plant die SPD-Bundestagsfraktion gegen die verfassungswidrigen Hartz IV Regelsätze eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen? Das jedenfalls berichtet das Erwerbslosen Forum Deutschland in einer aktuellen Pressemeldung. Der Initiative liegen entsprechende interne Informationen vor, die auf eine solche Klage hinweisen.
Nach rund zwei Monaten Verhandlungen einigten sich CDU/CSU, FDP und SPD Sonntagnacht auf die Festlegung der Hartz IV Regelleistungen. Ab April sollen die Regelleistungen wie von der Bundesregierung geplant, um fünf Euro steigen. Die Fünf-Euro-Erhöhung soll rückwirkend ab Januar 2011 ausgezahlt werden. Zudem sollen noch einmal drei Euro ab Januar 2012 dazu kommen. Diese weitere Mini-Erhöhung soll unabhängig von der Inflation geschehen. Das bedeutet, dass die regulären Erhöhungen aufgrund des Kaufkraftverlustes hierbei ausgespart bleibt und extra hinzu gerechnet werden. Doch selbst der Kaufkraftverlust wird vom Bundesarbeitsministerium nicht verfassungskonform berechnet, weil wichtige Daten zur Ermittlung der Öffentlichkeit vorenthalten werden.

Regelleistungen wurden politisch festgelegt
Alles in allem ein rein politisches Schauspiel, in dem es lediglich um ein paar Euro mehr oder weniger ging. Dabei hatte doch das Bundesverfassungsgericht eben jene politische Willkür bei der Festlegung der Regelleistungen in dem Urteil von Februar 2010 abgemahnt. Schließlich sollten die ALG II-Regelleistungen „transparent und nachvollziehbar“ berechnet werden. Ein politischer Kompromiss ist hier völlig fehl am Platz und missachtet das oberste Verfassungsgericht in eklatanter Weise. Nicht die Parteien sollten entscheiden, wie hoch die Regelleistungen sein sollen, sondern eine politisch unabhängige und nach dem tatsächlichen Bedarf orientierte Berechnung.

Zweifel der SPD ein politisches Machtspiel?
Zu dieser Ansicht ist anscheinend auch die SPD gelangt. Denn der SPD Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der nordrhein-westfälische Sozialminister Guntram Schneider (SPD) äußerten große Zweifel daran, ob die Verhandlungsergebnisse tatsächlich verfassungskonform sind. So sagte Schneider, er habe Zweifel, ob die generelle Erhöhung der Regelsätze den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht entsprechen. Am Dienstagabend wolle daher die rot-grüne Landesregierung in NRW entscheiden, ob sie dem „Hartz IV-Reform-Paket“ zustimmen will oder nicht. Nach Informationen des ELO-Forums könnte bei einer Ablehnung entweder die SPD-Bundestagsfraktion oder das NRW Land eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht anstreben. Das würde auch das vorzeitigen Ausscheiden der Grünen aus den Verhandlungen erklären.

SPD wusste seit September von dem verfassungswidrigen Regelsatz
Weiterhin heißt es, dass die SPD bereits seit Ende September davon wusste, dass die Regelleistungen für alleinstehende Erwachsene deutlich über 400 Euro liegen müssten, um verfassungskonform zu sein. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsausschuss der Länderkammer hätte man allerdings erkannt, dass man sich nicht gegenüber der Bundesregierung durchsetzen kann. Deshalb hätten sie dafür gesorgt, dass die Themenzweige wie Mindestlohn in der Leiharbeit und beim Wachschutz, in der Weiterbildung sowie im Bildungspaket, die Jugendsozialarbeit, durchkommen.

Laut der internen Informationen plane die SPD nun folgendes Szenario. Entweder stimmt die SPD den ausgehandelten Kompromissvorschlag im Bundestag zu oder sie wird sich der Stimme mehrheitlich enthalten. Im Bundesrat würden die SPD-geführten Länder zu stimmen. Das Land NRW würde sich enthalten oder dagegen stimmen. Dann wäre der Weg für eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht offen. Somit wäre auch der vorzeitige Ausstieg von Bündnis 90/ Die Grünen erklärbar, weil sich das rot-grüne Bundesland NRW bei der Abstimmung sich enthält oder gegen das Verhandlungsergebnis stimmt. Damit wäre für NRW der Weg für eine Normenkontrollklage frei. Dazu habe es nach Ansicht der NRW-Linken auch schon einen konkreten Beschluss innerhalb der SPD gegeben. Bei einer Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht kann eine Landesregierung oder ein Viertel der Bundestagsabgeordneten einen Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz in Verbindung mit § 13 Nr. 6 BVerfGG an das Bundesverfassungsgericht stellen.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland zeigte sich unterdessen von so viel politischem Kalkül der SPD schockiert: „Vorausgesetzt, die SPD verhält sich so, dann hat sie den Vermittlungsausschuss für ihre wahlkampftaktischen Manöver instrumentalisiert. Sie wusste seit Ende September, dass der von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegte Gesetzentwurf nicht verfassungskonform ist. Dennoch zockt die SPD bis zum letzten.“ Schließlich wusste die Partei seit Ende September, dass der von der Bundesarbeitsministerin vorgelegte Gesetzentwurf nicht der Verfassung entspricht. In diesem Fall hätten die Sozialdemokraten bereits im Vorfeld deutlich machen können, dass sie hierbei keine Zustimmung leisten. „Sollte das Szenario allerdings nicht zutreffen, hat die SPD einem faulen Kompromiss zugestimmt, ohne dass dafür eine Not bestand“, erklärte der Sprecher, Martin Behrsing.

Die nächsten Tage werden zeigen, in welche Richtung die SPD tendiert. So oder so hat die Partei auf Kosten von Hartz IV Betroffenen Wahlkampfpolitik und Taktikspiele betrieben. (sb)

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Bild: Mike Kess / pixelio.de

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