Hartz IV & Sanktionen
Sanktionen bedrohen Hartz IV-Opfer
In Bochum waren mit Stichtag im Oktober 2006 aktuell 565 Menschen (von ca. 40.000) mit Sanktionen (Kürzung der Hartz IV-Leistung) belegt, berichtet die Bundesagentur für Arbeit. Davon galten allerdings 40 % gar nicht als „arbeitssuchend“, weil sie entweder kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben oder als SchülerInnen ebenfalls nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Damit liegt Bochum mit einem Anteil von 1,9 Prozent mit aktueller Sanktion durchaus im Trend, mit einer durchschnittlichen Kürzung von 39 % der Regelleistung allerdings deutlich über dem Bundesdurchschnitt (30 %).
Sanktionen, die zwar in der Vergangenheit, jedoch nicht mehr am Statistikstichtag wirksam waren, konnten zum Berichtsmonat noch nicht ausgewertet werden. Aussagen dazu, wie viele Sanktionen über einen bestimmten Zeitraum oder wie viele Sanktionen an einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen oder eine Bedarfsgemeinschaft während des gesamten Leistungsbezugs ausgesprochen wurden, konnten deshalb nicht getroffen werden. Der Ausweis der Zahl aller ausgesprochenen Sanktionen als ergänzende statistische Größe soll erst in einem späteren Entwicklungsschritt realisiert werden. Die Bochumer Zahlen sowie die bundesweiten Statistiken finden Sie im Bericht der Bundesagentur für Arbeit (Bericht im PDF Format) auf S. 23.
Ein Vergleich mit den Sanktionen aus dem Bereich ALG I („Sperrzeiten“) ist leider nicht möglich, da diese nicht als Bestandsgröße zu einem Stichtag, sondern als Stromgröße erhoben wird. Es wird erfasst, wie viele Sperrzeiten welcher Art in einem bestimmten Zeitraum ausgesprochen wurden. Deshalb können die statistischen Ergebnisse zu den Sperrzeiten nicht unmittelbar mit den bisher vorliegenden Informationen zu Sanktionen verglichen werden. Allerdings ist zu beachten, dass im Falle einer Sperrzeit bei Bedürftigkeit ersatzweise ein ggf. um 30 % gekürztes ALG II gezahlt wird. Im Unterschied zu Hartz IV-Sanktionen ist hier also eine Kürzung auf NULL nicht möglich!
Sanktionen dienen der Disziplinierung der Leistungsempfänger. Sie dürfen nur erlassen werden, wenn kein wichtiger Grund für das Versäumnis vorliegt. Das ist zuvor ausführlich zu ergründen, es ist vor allem auf entlastende Faktoren zu achten. Vor einer Sanktionierung ist den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren.
Wir empfehlen, sich zuvor beraten zu lassen und zur Anhörung ggf. eine Begleitperson mitzunehmen. Gegen eine Sanktion kann – wie gegen jeden anderen Verwaltungsakt (Kürzung, Antragsablehnung, Zuweisung eines 1-Euro-Jobs usw., auch ohne schriftlichen Bescheid) – Widerspruch eingelegt werden. Sanktionen helfen nicht. Sie sind Ausdruck der Unfähigkeit aller Beteiligten, mit der Situation angemessen und menschengemäss umzugehen. Besonders deutlich wird das bei Folgesanktionen, die Kürzungen bis 100 % (einschliesslich der Wohnungskosten) zur Folge haben können. Hier erfordert es die Sorgfaltspflicht, auf mögliche existentielle Bedrohungen der Betroffenen (psychischer Druck) Rücksicht zu nehmen und ggf. den städtischen „Sozialen Dienst“ zu informieren und des Weiteren Massnahmen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit zu veranlassen.
Zum 1. Januar 2007 sind wesentliche Verschärfungen der Sanktionsregelungen in Kraft getreten. Das lässt eine steigende Zahl befürchten.
Seit Beginn des Jahres 2007 kann von der Sanktion das gesamte Arbeitslosengeld II, also auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für Mehrbedarfe, in stärkerem Maße erfasst werden. Bei der ersten Pflichtverletzung erfolgt im Allgemeinen weiterhin eine Absenkung um 30 Prozent der Regelleistung für drei Monate, bei einer wiederholten Pflichtverletzung um 60 Prozent der Regelleistung. Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung entfällt die gesamte Leistung. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt vor, wenn seit Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraumes noch kein Jahr vergangen ist. Die ARGE kann den vollständigen Wegfall der Leistung auf eine Absenkung um 60 Prozent der Regelleistung abmildern, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. Ein Meldeversäumnis führt wie bisher zu einer Reduzierung um 10 Prozent der Regelleistung, bei wiederholter Pflichtverletzung um den Prozentsatz, der sich aus der Summe des Prozentsatzes der vorangegangenen Minderung und zusätzlichen 10% ergibt. Auch bei Jugendlichen erfolgt eine Verschärfung der Sanktionen: Seit Beginn des Jahres 2007 sind im Falle einer wiederholten Pflichtverletzung auch die Leistungen für Unterkunft und Heizung von der Sanktion betroffen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung können jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls wieder übernommen werden, wenn der Jugendliche sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. (Sozialberatung Bochum, 07.05.06)
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