Ein Leser aus Süddeutschland fragte uns bei Gegen Hartz, ob es sinnvoll sei, gegen einen Bescheid des Jobcenters Widerspruch einzulegen. Dieses forderte von ihm rund 800 Euro Erstattung, weil er in einem bestimmten Zeitraum keinen Anspruch auf Bürgergeld gehabt hätte.
In der besagten Zeit hatte er zwar keine zusätzlichen Einnahmen erworben, sich aber mehrere Wochen jenseits der deutschen Grenze aufgehalten, ohne dies dem Jobcenter zu melden.
Zähneknirschend erklärte er sich bereit, die Forderung in Raten abzuzahlen, wollte sich aber vorher noch einmal versichern, ob es nicht doch eine rechtliche Möglichkeit gebe, die Zahlung zu vermeiden.
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Bürgergeld-Bezieher müssen erreichbar sein
Die Rechtslage ist leider eindeutig. Wer Bürgergeld bezieht, verpflichtet sich dazu, das Bestmögliche zu tun, um Arbeit zu finden. Sein “Job” ist also die Arbeitssuche, und dafür verlangt die Behörde von ihm, für mögliche Stellenangebote erreichbar zu sein.
Sie müssen dem Jobcenter melden, wenn Sie verreisen
Bürgergeld-Bezieher müssen also eine Zustimmung des Jobcenters bekommen, wenn Sie sich nicht an ihrem Wohnort aufhalten, sich vorübergehend nicht in der Nähe des zuständigen Jobcenters befinden oder ins Ausland reisen. Sie müssen dafür die beabsichtigte Abwesenheit dem Jobcenter erst einmal melden.
Die Bundesagentur für Arbeit schreibt: “Setzen Sie sich bitte rechtzeitig (in der Regel spätestens 5 Werktage vor der geplanten Abwesenheit) im Voraus mit Ihrer persönlichen Ansprechpartnerin oder Ihrem persönlichen Ansprechpartner in Verbindung, wenn Sie planen, sich außerhalb des näheren Bereichs aufzuhalten oder wenn Sie aus anderen Gründen innerhalb oder außerhalb des näheren Bereichs vorübergehend nicht erreichbar sind.”
Was prüft das Jobcenter?
Das Jobcenter prüft, ob in dem beabsichtigten Zeitraum Vorstellungsgespräche anstehen, Weiterbildungen oder andere Termine, die ihre Arbeitssuche betreffen. Wenn dies nicht der Fall ist, stimmt die Behörde ihren Plänen in der Regel zu.
Es geht um die Erreichbarkeit
Dabei verlangt die Regelung nicht, dass Sie die ganze Zeit zuhause sitzen, sondern es geht um die Erreichbarkeit. Sie müssen sich also im sogenannten näheren Bereich aufhalten, sodass es Ihnen möglich ist, einen potenziellen Arbeitgeber aufzusuchen, und ebenso den Ort einer Maßnahme in der Stadt oder dem Landkreis des Jobcenters.
Nur grenznah ist Ausland ein näherer Bereich
Das bedeutet in angemessener Zeit und ohne unzumutbaren Aufwand an den Ort zu gelangen. Bei einem Aufenthalt im Ausland gilt generell nur der grenznahe Bereich als “näherer Bereich”, und das auch dann, wenn Sie nahe der Grenze leben.
Hier sollten Sie sich aber unbedingt mit dem zuständigen Sachbearbeiter absprechen und nicht selbst entscheiden, welchen Auslandsaufenthalt Sie als “näheren Bereich” ansehen. Wenn Sie von Flensburg aus über die Grenze zum dänischen Nachbarort Sønderborg fahren, dann ist das objektiv der “nähere Bereich”, und trotzdem sollten Sie sich bei der Behörde versichern.
Wenn Sie gut 100 Kilometer von Berlin nach Slubije in Polen fahren, ist das zwar direkt an der Grenze aber fragwürdig, ob das Jobcenter die Entfernung aber noch als “näheren Bereich” ansieht.
Ohne Zustimmung gibt es kein Bürgergeld
Die Erreichbarkeit erwerbsfähiger Bürgergeld-Bezieher ist eine Voraussetzung der Leistung. Wer ohne Zustimmung des Jobcenters nicht erreichbar ist, hat keinen Anspruch auf Bürgergeld. Das Jobcenter stellt dann die laufenden Zahlungen ein und fordert Rückzahlungen, wenn Sie sich in einem Zeitraum ohne Zustimmung der Behörde im Ausland außerhalb des näheren Bereichs aufhielten, an dem Sie Leistungen erhielten.
Das bedeutet: Sie erhalten nicht nur keinen Regelsatz, sondern auch keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, Kranken- und Pflegeversicherung oder mögliche Mehrbedarfe.
Wann benötigen Sie keine Zustimmung?
Das Verhältnis zum Jobcenter ähnelt einem Arbeitsvertrag. An Sonntagen und Feiertagen müssen Sie nicht erreichbar sein und sich nicht um Arbeitssuche kümmern. Einen Sonntagsausflug in die Natur oder den Besuch zu Weihnachten bei Verwandten müssen Sie also nicht dem Jobcenter melden und brauchen dafür auch keine Zustimmung der Behörde.
Allerdings müssen Sie auch an Samstagen sicherstellen, dass Sie Mitteilungen und Aufforderungen des Jobcenters vor dem nächsten Werktag zur Kenntnis nehmen können. Dafür kann zum Beispiel ein Nachbar nach Ihrer Post gucken und Ihnen Fotos möglicher Schreiben des Jobcenters per E-Mail schicken.
Mit Zustimmung des Jobcenters dürfen Sie drei Wochen im Jahr nicht erreichbar sein. In dieser Zeit bekommen Sie weiter die regulären Leistungen, also den Regelsatz, die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie eventuellen Mehrbedarf, und die Behörde bezahlt auch weiter ihre Krankenkasse.
Was passiert, wenn Sie länger als drei Wochen auf Reisen sind?
Über diese drei Wochen hinaus zahlt das Jobcenter Ihnen keine Leistungen. Das Jobcenter kann zustimmen, länger als drei Wochen, aber weniger als sechs Wochen abwesend zu sein; es zahlt dann aber nur für die ersten drei Wochen die Leistungen weiter.
Fünf Stunden mit dem Auto
Zurück zu der Situation unseres Lesers. Er hielt sich in Österreich nahe der Grenze auf, und von dort waren es bis zu seinem Heimatort in Baden-Württemberg rund fünf Stunden mit dem Auto. Diese Entfernung würde beim Jobcenter erstens kaum als “näherer Bereich” durchgehen, und zweites hatte er seine Ortsabwesenheit nicht gemeldet.
Rechtlich hat er also kaum Chancen, der Rückzahlung zu entgehen.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.