Keine Kürzung der Hartz IV bei Krankhausaufenthalt

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Petitionsausschuss des Bundestages: Keine Kürzung der Hartz IV-Regelleistung bei Krankenhausaufenthalt
Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. begrüßt eine entsprechende Empfehlung des Petitionsausschusses an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und weist auf die systematische Ungleichbehandlung von Personen hin, die auf Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter angewiesen sind.

Wenn Arbeitslosengeld II-Beziehende ins Krankenhaus müssen, werden sie aufgrund der gängigen Verwaltungspraxis gleich doppelt gestraft. Zusätzlich zu den Entbehrungen durch Krankheit und Abwesenheit von zu Hause werden sie mit einer Kürzung der Regelleistung um 35 Prozent belastet. Das heißt, auf den Monat hochgerechnet fehlen 121,45 Euro zum Leben. Die offizielle Begründung für diese Kürzung verweist auf die Berücksichtigung der Verpflegung während des stationären Aufenthaltes als Sachleistung, die den Bedarf der betroffenen Leistungsbezieher entsprechend mindern würde. Deshalb wird die Regelleistung kurzerhand um den statistisch ermittelten Anteil für Nahrung, Getränke und Tabakwaren gekürzt. Manche Arbeitslosengeld II-Behörden gehen sogar noch weiter und streichen zusätzliche Bedarfsanteile aus der Leistung heraus.

Solche von oben auferlegten Einschränkungen sind aber wenig praxistauglich. Sie entsprechen nicht den tatsächlichen Bedarfslagen und stoßen demnach bei den Betroffenen auf großes Unverständnis. Durch den Krankenhausaufenthalt entstehen nämlich auch zusätzliche Kosten, die ebenfalls nicht von der Regelleistung umfasst sind. „Diese Ausgaben reichen von den Besuchskosten der Familienmitglieder oder Telefonkosten über die Anschaffung nötiger Krankenhausbekleidung bis hin zu ‚teuren’ Versorgung mit dem Allernötigsten im Krankenhauskiosk,” erklärt Harald Thomé vom Verein Tacheles. „Von einer Ersparnis aufgrund freier Krankenhausverpflegung auszugehen, ist deshalb völlig lebensfremd.”

Ähnlich sehen das mittlerweile auch viele Sozialgerichte, die sich in zahlreichen Entscheidungen gegen eine Kürzung der Hartz IV-Leistung während des stationären Aufenthaltes ausgesprochen haben. Deren Argumente gegen die Kürzung entsprechen jedoch eher der Begründung des Petitionsausschusses, der darauf hinweist, dass die Regeleistung zur Gleichbehandlung der Hilfebedürftigen und zur Verwaltungsvereinfachung pauschaliert wurde. Die Leistungsträger seien daher nicht berechtig, die Leistung einfach abzusenken. Das Prinzip der Pauschalierung bestehe ja gerade darin, die unterschiedlichen Bedarfslagen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles auszublenden.

Tacheles e.V. hofft nun, dass die Empfehlung des Ausschusses und die sich allmählich durchsetzende Rechsprechung vom zuständigen Ministerium und der Politik schnell in die Praxis umgesetzt wird, um den alltäglichen Benachteiligungen von Arbeitslosengeld II-Beziehenden ein Ende zu setzen. Bis es soweit ist, empfiehlt der Verein den von Kürzungen betroffenen Personen gegen die entsprechenden Bescheide mit Widerspruch und gegebenenfalls Klage vorzugehen. Die Aussichten, über diesen Weg die Auszahlung der ungekürzten Leistung zu erstreiten, sind derzeit jedenfalls günstig.

Dringenden Handlungsbedarf sieht der Tacheles aber auch bei Beziehern von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter. Hier handelt es sich meist um alte oder chronisch kranke Menschen. „Die können bei einer stationären Behandlung immer noch mit einem Minimum-Barbetrag in Höhe von 120,69 Euro abgespeist werden,” moniert Thomé. „Wird die Regelleistung in Einrichtungen einfach auf 27 Prozent herabgesenkt, entstehen existenzielle Notlagen: Das ist zuviel zum Sterben aber zum Leben zu wenig!”

Tacheles e.V. hat in der Vergangenheit mehrfach auf die Benachteiligung von Leistungsbeziehern nach dem Sozialhilferecht (Sozialgesetzbuch XII/SGB XII) hingewiesen. Doch die Rufe wurden bislang nicht gehört, weil sich die mediale Aufmerksamkeit seit 2005 stark auf Hartz IV/Arbeitslosengeld II konzentriert. „Mit einer ungünstigen Anrechnungsformel bei Einkommen und viel geringeren Vermögensfreibeträgen sind die oft gesundheitlich eingeschränkten Menschen im SGB XII-Leistungssystem ohnehin schon gestraft,” gibt Harald Thomé zu bedenken. „Die ungerechtfertigte Leistungskürzung beim Krankenhausaufenthalt führt den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz völlig ad absurdum”.

Deshalb fordert Tacheles e.V. den Gesetzgeber auf, jegliche Leistungskürzungen bei Krankenhausaufenthalt umgehend zu streichen – und zwar gleichermaßen bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter. (Tacheles Sozialhilfe e.V., Frank Jäger 16.10.07)

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