Die Einschränkungen durch chronische Rückenschmerzen können einen Grad der Behinderung rechtfertigen und sogar eine Schwerbehinderung. Wir erklären, wie sich Rückenschmerzen auf die Anerkennung einer Behinderung auswirken und geben Betroffenen einen wichtigen Tipp, worauf sie achten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze geben ein Koordinatensystem, um sich zu orientieren, welcher Grad der bei Behinderung bei welchen Erkrankungen zutrifft. Diese Orientierung ist keine fixierte Vorschrift.
Bei dem Zusprechen eines Grades der Behinderung entscheidet immer der Einzelfall.
Die Einschränkung entscheidet, nicht die Ursache
Es geht bei der Anerkennung eines Grades der Behinderung nicht um die ursächliche Erkrankung oder Verletzung als solche, sondern darum, wie sehr diese die Betroffenen dabei einschränkt, am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilzuhaben.
Diese Behinderung wird dann in ihrer Schwere in Zehnerschritten von einem Grad zehn bis zu einem Grad 100 eingeordnet. Ab einem Grad der Behinderung von 50 handelt es sich um eine Schwerbehinderung, und diese berechtigt zu besonderen Nachteilsausgleichen.
Behinderung wegen Rückenschmerzen?
Rückenschmerzen sind in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen keine eigene Kategorie, und das gilt übrigens auch in der ärztlichen Diagnose. Denn Rückenschmerzen sind immer nur ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann.
Beim Grad der Behinderung geht es darum, welche Erkrankung die Schmerzen auslöst und zu welchen Funktionseinschränkungen diese führen.
Bei welchen Erkrankungen mit Rückenschmerzen gibt es einen Grad der Behinderung?
Einen Grad der Behinderung gibt es oft bei angeborenen und erworbenen Schäden der Wirbelsäule und der Bandscheiben. Dazu zählen unter anderem die Scheuermann-Krankheit, und für Laien kaum verständliche Begriffe wie Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und das Postdiskotomiesyndrom.
Wie schwer die Behinderung eingestuft wird, liegt vor allem am Ausmaß der Bewegungseinschränkung, daran, wie stark die Wirbelsäule verformt ist, wie instabil sie ist und welche Abschnitte der Wirbelsäule betroffen sind.
ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte.
Psychische Ursachen
Auch psychisch verursachte chronische Rückenschmerzen können einen Grad der Behinderung rechtfertigen. Dieser beträgt dann in der Regel 30 oder 40. Es handelt sich um somatoforme Störungen, und das bedeutet, es handelt sich um körperliche Beschwerden ohne organische Ursache.
Schäden der Wirbelsäule
Die Versorgungsmedizin-Verordnung listet “Wirbelsäulensyndrome” in einer Tabelle auf, die einen Rahmen bietet, um einen Grad der Behinderung bei bestimmten Schäden der Wirbelsäule einzuordnen. Diese können Sie hier einsehen.
Wirbelsäulenschäden | GdB/GdS |
ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität* | 0 |
mit geringen funktionellen Auswirkungen:
|
10 |
mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in 1 Wirbelsäulenabschnitt:
|
20 |
mit schweren funktionellen Auswirkungen in 1 Wirbelsäulenabschnitt:
|
30 |
mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in 2 Wirbelsäulenabschnitten | 30–40 |
mit besonders schweren Auswirkungen, z.B.:
|
50–70 |
bei schwerster Belastungsunfähigkeit bis zur Geh- und Stehunfähigkeit | 80–100 |
Geben Sie die Beschwerden unbedingt an
Viele Betroffene begehen den Fehler, Wirbelsäulenbeschwerden, beziehungsweise Rückenschmerzen in ihrem Antrag beim Versorgungsamt auf das Feststellen des Grades der Behinderung überhaupt nicht anzugeben.
Ein Grund dafür ist, dass Rückenschmerzen weit verbreitet sind, besonders in der zweiten Lebenshälfte und viele Betroffene denken, dass etwas so häufiges nicht als Behinderung angesehen wird.
Wenn Sie aber einen Wirbelschaden haben, und dieser sie tatsächlich einschränkt, dann sollten Sie die Beschwerden unbedingt im Antrag angeben. Das Versorgungsamt stuft Wirbelsäulenschäden vergleichsweise hoch ein.
Die Rückenschmerzen können über die Schwerbehinderung entscheiden
Die Einstufung des gesamten Grades der Behinderung erfolgt zwar durch eine ganzheitliche Einschätzung der kompletten Einschränkungen und nicht durch bloßes Addieren der einzelnen Beschwerden.
Aber ein anerkannter Grad der Behinderung von 30 oder 40 wegen eines Wirbelsäulenschadens zum Beispiel in Verbindung mit einer mittelschweren Arthrose im Knie (Grad der Behinderung 30 bis 50) kann dazu führen, dass Ihnen ein Grad der Behinderung über 50 zugesprochen wird und damit eine Schwerbehinderung.
Wenn Sie den Wirbelsäulenschaden nicht angeben, weil es offenbar vielen so geht, dann kostet Sie das in diesem Fall die Nachteilsausgleiche einer Schwerbehinderung.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.